LA CALISTO
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Theater a.d. Wien
16. September 2012
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Christophe Rousset

Orchester: Les Talens Lyriques

Giove - Giovanni Battista Parodi
Mercurio - Borja Quiza
Diana | L’Eternita - Ann-Beth Solvang
Calisto - Christiane Karg
Linfea - Milena Storti
Endimione - Xavier Sabata
Satirone - Sabina Puértolas
Giunone | Il Destino - Francesca Russo-Ermolli
Silvano - Ludovic Provost
La Natura | Pane | Coro di menti celesti -
Cyril Auvity


Venezianische Phantasien
(Dominik Troger)

Mit einer konzertanten Aufführung von Francesco Cavallis „La Calisto“ bot das Theater an der Wien eine passende Ergänzung zur aktuellen szenischen Produktion von Claudio Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“. „La Calisto“ wurde 1651, nur elf Jahre nach Monteverdis Oper, in Venedig uraufgeführt.

Die Geschichte vom Fremdgehen Jupiters mit der keuschen Nymphe Calisto entbehrt nicht erotischer Anspielungen. Jupiter selbst verkleidet sich als Diana, um die spröde Calisto zu verführen. Juno kommt ihrem Gemahl auf die Schliche. Calisto wird in eine Bärin verwandelt – und schlussendlich von Jupiter als Sternbild des „Großen Bären“ in den Himmel erhoben. Parallel dazu dockt der schmachtende Endymion endlich bei (der richtigen) Diana an. Weiters beleben Nymphen, Pan und ein kleiner Satyr die Szene, singen von der Liebe, von der Lust und von den Qualen, wenn man (nicht) die/den richtige(n) Partner(in) findet.

2003 war eine szenische „La Calisto“-Produktion aus Brüssel zu Gast bei den Wiener Festwochen. Diesmal wurde das Werk nur konzertant gegeben – wobei dieser Begriff eine Statik vortäuscht, die gar nicht zutreffend war. Die Protagonisten und Les Talens Lyriques unter Christophe Rousset erweckten die Geschichte nuancenreich zu einem amüsanten, augenzwinkernden, aber auch zu einem elegisch-seufzervollen Bühnenleben – je nach Szene und je nach dem Inhalt der vom Librettisten Giovanni Faustini locker und manchmal recht schlüpfrig geschmiedeten Verse.

„Flüssig, natürlich, immer kontrastreich“ – diese Eigenschaften habe man für die Deklamation angepeilt, so Rousset in einem Beitrag, der im Programmheft zur Aufführung abgedruckt ist. Der Beitrag erläutert außerdem einige weitere besondere Details dieser Produktion: zum Beispiel das Falsett, das Jupiter verwendet, wenn er als Diana verkleidet auf der Bühne steht. Laut Rousset sind diese Passagen im Manuskript, das als Quelle dient, als Sopran notiert. Rousset hat auch die Partie der Linfea als junge Nymphe besetzt – und nicht als komische Alte.

Bei der Instrumentation hat er dem einfachen Stil vertraut, den er schon für die derzeit am Theater an der Wien laufende szenische Aufführungsserie von „Il ritorno d’Ulisse in patria“ gewählt hat. Das klingt im Vergleich zu anderen bekannten Produktionen recht schlank, kommt in der besonders klaren Akustik des Theaters an der Wien aber sehr gut zur Geltung. Die Begleitung der Singstimmen wird derart kammermusikalisch aufgelöst und lädt mit zartfühlendem, elegantem Spiel zum genussvollen Zuhören ein.

Wenn die Besetzung dann noch gut gewählt ist und vom Typus zur Rolle passt, ergibt sich die Bühnenwirkung praktisch von selbst. Wenn Jupiter als Diana dann noch ein kleines oranges Tuch um seine Schultern wirft, plötzlich mit langen Haaren erscheint – dann ist der im Falsett Diana karikierende Bass ganz zwanglos zum Objekt des Humors und einer vom Komponisten bewusst konzipierten, verzerrten erotischen Wahrnehmung geworden. Gesungen wurde in der Dekoration aus dem „Ulisse“ – Penelopes Sitzgarnitur im Hintergrund.

Christiane Karg sang die Calisto. Ihr lyrischer Sopran hat ein helles, klares Timbre, das leuchtet wie weiße klassizistische Marmorstelen, die mit einigen vergoldeten Verzierungen versehen wurden. Das war keusch, wenn die Dienerin Dianas aus ihr sprach, aber auch koketter, wenn die Liebesgefühle durchschlugen.

Der Mercurio wurde von dem eloquenten, hellen Bariton Borja Quiza sehr gut getroffen, als Handlanger Jupiters um keine Idee verlegen. Jupiter wurde von Giovanni Battista Parodi teils köstlich parodiert, und ließ, wenn er nicht gerade als Diana agierte, eine angenehme Bassstimme hören. Als Juno schlug Francesca Russo-Ermolli etwas forschere Töne an, was bei den Seitenspringergelüsten ihres Gemahls aber verständlich war.

Die Diana der Ann-Beth Solvang zeigte sich zornig und verliebt – ihr Mezzo scheint aber schon etwas größer dimensioniert und dem gängigen „romantischen“ Repertoire zuzustreben. Milena Storti sang eine witzig-kokette Linfea, die sich so nach einem Mann sehnt und mit den Nachstellungen des kleinen Satyrs, Sabina Puértolas, zu kämpfen hat. Puértolas legte die Partie recht jugendlich an, ein Schulbub, der angeberisch am Pausenhof den Mädchen nachläuft. Der schmachtende Countertenor von Xavier Sabata (Endimione) brachte die unterschiedlichsten Facetten von Liebesklagen zum Erklingen. Aber er bekam zu guter Letzt seine Diana doch noch. Am geschmackvollen Haute-contre von Cyril Auvity, Pan, kann man sich ohnehin nicht satt hören – und ihm stand Silvano bei, Ludovic Provost, eine weiterer schlanker Bariton, sozusagen ein Gegenstück zu Mercurio.

Das Ende der Vorstellung kam etwas plötzlich, der Schlusschor entfiel offenbar. Das Publikum spendete reichlichen Beifall – aber das Theater an der Wien war sehr schlecht besucht.