LA CALISTO
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Theater a.d. Wien
17.5.2003
Gastspiel im Rahmen der Wiener-Festwochen
Théatre Royal de la Monnai, Brüssel

Musikalische Leitung: René Jacobs

Regie, Bühne, Kostüme: Herbert Wernicke
Regie Wiederaufname: Dagmar Pischel

Orchester:Concerto Vocale

L'Eternità / Calisto - Cincia Forte
La Natura / Il Satirino / Le Furie - Dominique Visse

Il Destino / Diana / Le Furie - Malena Ernman
Giove
- Marcello Lippi
Mercurio - Hans Peter Kammerer
Endimione - Graham Pushee
Linfea - Gilles Ragon
Pane - Jean-Paul Fouchécourt
Silvano - Henry Waddington
Giunone - Sonia Theodoridou
Orso - Florence Fischer


Barocke Erotik
(Dominik Troger)

Luzide Erotik zog mit Beginn der Wiener Festwochen im Theater an der Wien ein. Cavallis „La Calisto“ führte einen zurück ins hedonistische Venedig des Jahres 1651. Der Applaus war sehr intensiv.

„La Calisto“ huldigt mit lasziver Eloquenz dem erotomanischen Zeitvertreib antiker Götter. Jupiter verführt die Nymphe Calisto in Gestalt der Diana, eine Sache, die so natürlich nie gut gehen kann. Juno, Jupiters Gattin, rächt sich. Calisto wird in eine Bärin verwandelt, aber Jupiter verspricht ihr, sie in den Himmel aufzunehmen, sobald ihre Erdenzeit um ist. Als Sternbild des „Großen Bären“ wird sie ewig das leuchtende Zeichen ihrer Liebe zum Göttervater sein.

Und das Publikum darf dabei zuschauen und sich an einer anregenden musikalischen Massage erfreuen, die inklusive Pause etwas über drei Stunden dauert. Diese Wiederaufnahme einer zehn Jahre alten Produktion des Théatre Royal de la Monnai, Brüssel, hat zugleich auch dem vor rund einem Jahr überraschend verstorbenen Herbert Wernicke gedacht, der bei dieser Produktion für Regie, Bühne und Kostüme gesorgt hatte.

Die Bühne wird durch den braunroten Boden geprägt, der das verdorrte Arkadien symbolisieren soll, ummantelt von einer barocken Sternenkarte, die die Sternbilder figürlich darstellt, in aller barockig-üppigen Herrlichkeit. Jede Menge an Versenkungen, Kulissentüren und vom Schnürboden herabschwebende „Aufzüge“ bieten eine kreative Spielfläche, die sonst ohne weiteres Mobiliar auskommt. Das ganze wird in fast Shakespear’scher Manier aufgelöst, mit viel Bewegung und gewissen Anzüglichkeiten.

Nun, wie man dem Programmheft entnehmen kann, waren die Venezianer des 17. Jahrhunderts auch nicht gerade prüde. Und Cavalli folgt der Wort-Erotik des Librettos mit einer Art musikalischer Stimulation, die man nur als angenehm empfinden kann. Das Resultat ist ein Softporno, der vor allem musikalisch-akustisch wirkt, angestachelt durch so manchen Vers von Giovanni Faustini, der die Dinge in seinem Libretto schon beim Namen nennt. Die Inszenierung vertraut im wesentlichen auf die Meisterschaft der beiden Urheber: den Musiker und den Librettisten. Sie fügt noch auf ihre Art überraschend maßvoll die (zweideutige) Gestik und das Ambiente hinzu, gepaart mit Witz und Ironie.

Verdienstvoll bei der Umsetzung dieses dezenten Vibrationsgefühls war das Orchester Concerto Vocale unter der musikalischen Leitung von René Jacobs auf Originalinstrumenten. Jacobs hat auch die Einrichtung der Oper besorgt. Dieser Punkt ist, wie immer bei diesen frühen Opern, nur für Spezialisten wirklich diskutierbar. Angemerkt sei jedenfalls, dass nicht jede Note an diesem Abend von Cavalli war, sondern dass auch auf eine ganze Reihe weiterer Komponisten zurückgegriffen worden ist. Jacobs hat in einem Beitrag im Programmheft seine Sicht der Dinge dargelegt. Demnach folgte man hier ganz einfach einer Art von Opern-Pragmatismus, dem auch ein Cavalli gehuldigt hätte.

Sängerseitig stand das Ensemble im Vordergrund. Man agierte auf teilweise hohem Niveau, überzeugte auch durch ausgeklügeltes Spiel. Rein gesanglich fehlte es aber ein wenig an jener Leichtigkeit und stimmlichen Transparenz, die man sich für diesen Opernstil wünschen würde – samt der technischen Ausgetüfteltheit. Vergleicht man diesen Abend beispielsweise mit der Aufführung von Monteverdis „Ulisse“ bei den letztjährigen Festwochen, dann fiel diese „La Calisto“ doch hörbar dagegen ab.

Bezaubernd war der Schluss: Es wird finster. Mond und Sterne leuchten von den barocken Himmelstapeten. Aus den Bodenplanken der Bühne löst sich der „Großer Bär“ als lebensgroße, bemalte „Laubsägearbeit", stellt sich auf, und schwebt zu seinem freigehaltenen Sternbildplatz im linken hinteren Bühnenhimmel. Er passt sich ein. Alle Sterne leuchten. Jupiter hat sein Versprechen eingelöst und Calisto in die himmlischen Sphären versetzt. Ein Moment von großer Poesie, der einen träumend in eine sternenklare Nacht entlässt...