A MIDSUMMER NIGHT'S DREAM

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Theater an der Wien
15. April 2018
Premiere

Dirigent: Antonello Manacorda

Inszenierung: Damiano Michieletto
Bühne: Paolo Fantin
Kostüme: Klaus Bruns
Licht: Alessandro Carletti
Video: Landsmann + Landsmann

Wiener Symphoniker
St. Florianer Sängerknaben

Oberon - Bejun Mehta
Tytania - Daniela Fally
Puck - Maresi Riegner
Theseus - Günes Gürle
Hippolyta - Ann-Beth Solvang
Lysander - Rupert Charlesworth
Demetrius - Tobias Greenhalgh
Hermia - Natalia Kawalek
Helena - Mirella Hagen
Nick Bottom - Tareq Nazmi
Peter Qunice - Lukas Jakobski
Francis Flute - Michael Laurenz
Snug - Dumitru Madarašan
Tom Snout - Andrew Owens
Robin Starveling - Kristján Jóhannesson


„Schulgeschichten“
(Dominik Troger)

Vom Traum zum Trauma. Was so ein Buchstabe nicht alles ausmacht. Dem Theater an der Wien ist mit Benjamin Brittens „A Midsummer Night’s Dream“ eine vorzügliche Produktion gelungen – auch wenn sie eine ganz andere Geschichte erzählt als Shakespeare und Britten.

Vor zwanzig Jahren gab es eine reizvolle Produktion von Brittens „Sommernachtstraum“ an der Wiener Volksoper. Sie wurde bis zum Jahr 2009 gespielt. In dieser stimmungsvollen Inszenierung von Philippe Arlaud war Puck der Dreh- und Angelpunkt: ein elfenhafter Kobold der mit Siebenmeilenstiefel über die Bühne zu jagen schien. Puck spielt auch in der Neuproduktion des Theaters an der Wien eine wichtige Rolle, aber mit einem herkömmlichen „Kobold“ hat dieser Puck wenig zu tun.

Ein Schüler imaginiert sich eine Traumwelt. Die Schule mit dem kleinen Schultheater und dem großen Turnsaal bevölkert sich mit Elfen, bevölkert sich mit Oberon und Titania, bevölkert sich mit einer Schauspielertruppe. Manchmal durchbricht die Realität diesen Traum – der Schüler erinnert sich: Eine Videoeinspielung zeigt das Streichen des Jausenbrotes, eine Videoeinspielung zeigt eine Autofahrt, eine Videoeinspielung zeigt einen Autounfall. Der Schüler hat überlebt, seine Eltern sind tot. Vielleicht heißt der Schüler Puck?

Regisseur Damiano Michieletto erzählt eine „Traumageschichte“: Der Schüler verwandelt sich, in dem er eine Maske aufsetzt, in Puck. Die Elfen tragen Schuluniform, sogar die Schauspieler entpuppen sich als Schüler, die für ein Schultheater proben. Das kleine Schultheater verwandelt sich auf offener Bühne in einen großen Turnsaal, lange, röhrenförmige, grüngelb schimmernde Beleuchtungselemente verwandeln den Turnsaal in den von Liebeswahn durchwaberten Wald. Ein oranges Zauberpulver wird zum allgegenwärtigen Auslöser der Gefühlsverwirrung. Es folgt eine hitzige Phase ausgelebter Triebe, ehe der riesige Esel (ausgestattet mit dem lückenhaften Gebiss eines Dinosauriers) in den Himmel entschwebt – und Zettel schwebt nach der Pause vom Schnürboden herab. Der Wald ist der Ort, die Nacht ist die Zeit enthemmter Begierden – und wenn der Morgen anbricht, vergisst man am besten die Eskapaden der vergangenen Stunden. (Dann wird sogar der Esel wieder zum Menschen oder zumindest zu einem tölpelhaften Schauspieler).

Doch hinter Oberon und Titania verstecken sich Pucks bei dem erwähnten Autounfall verunglückte Eltern. Der Esel ist Pucks Kuscheltier. Und vor allem gegen Ende schlägt die Diskrepanz zwischen Stück und Konzept voll durch. Ein herzzerreißend weinender Puck der Trauerarbeit leistet? Das passt gar nicht. Seltsam, dass Michieletto diesen Punkt übersehen hat – oder wollte er bewusst die Gegensätzlichkeit zwischen seinem Konzept und der Musik provozieren? Und insofern ist es nur konsequent, dass nicht Puck, sondern der Bottom alias Zettel alias Esel die „Schlussansprache“ hält. Michieletto hat in der Personenführung sehr genau gearbeitet – und hat es verstanden, die Magie der Bühne als Fürsprecherin für sein Konzept anzurufen. Nicht nur die vielen Seifenblasen, die wie Traumgebilde durch die Sommernacht huschten, beflügelten schillernd die Phantasie und ließen einen das schwere Schicksal eines Schülers namens „Puck“ vergessen.

Die Wiener Symphoniker sorgten unter der Stabführung von Antonello Manacorda für ein reizvolles kammermusikalisches Glissandiflüstern. Brittens zauberhafte Musik erklang an diesem Abend sehr fokussiert, sozusagen „theatermusikalisch“ mit der Bühne verknüpft. Auf der Bühne bestach Bejun Mehta mit seinem fast schon „samtig“ zu nennenden Countertenor. Daniela Fally war die zur Eselliebe verzauberte selbstbewusst ihren Koloratursopran ins Feld führende Titania. Maresi Riegner überzeugte als Schulbub Puck.

Der Besetzungszettel ist lang und die Ensembleleistung war geschlossen und bemerkenswert: die zwei Liebespaare lebten überzeugend ihren Wahn und die als Schüler gekleidete Schauspielertruppe verstand sich auf einen naiven, leicht boshaften Witz. Tareq Nazmi verlieh dem Bottom eine starke Präsenz, aber auch die „Nebenrollen“ – etwa Andrew Owens als Snout – agierten mit Humor und waren treffend charakterisiert.

Das Publikum spendete starken Applaus.