BILLY BUDD
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Wiener Staatsoper
21.03.2004

Musikalische Leitung: Donald Runnicles

Kapitän Vere - Michael Roider
Billy Budd - Russell Braun
John Claggart - Kurt Rydl
Mr. Redburn - Peter Weber
Mr. Flint - Boaz Daniel
Leutnant Ratcliffe - In Sung Sim
Red Whiskers - Arnold Bezuyen
Donald - Marcus Pelz
Dansker - Alfred Sramek
Der Neuling - Benedikt Kobel
Squeak - Cosmin Ifrim
Bootsmann - Janusz Monarcha
1. Maat - Eijiro Kai
2. Maat - Johannes Wiedecke
Ausguck - Peter Jelosits
Freund des Neulings - Hans Peter Kammerer
Arthur Jones - Mario Steller
Kabinenjunge - Leopold Strobl

Immer noch auf Kurs
(Dominik Troger)

Drei Jahre nach der Premiere gibt Billy Budd derzeit im Repertoire wieder ein kräftiges Lebenszeichen von sich: eine gelungene Aufführung, gesanglich und musikalisch in sicherem Fahrwasser und darstellerisch nach wie vor überzeugend.

Natürlich merkt man der Produktion an, dass sie ein wenig an Stringenz und Bühnenwirksamkeit verloren hat. Die Bläser haben nicht mehr so ganz den Sinn für militärische Exaktheit, und das Personal der „Indomitable“ hat einiges an Umbesetzungen verkraften müssen. Trotzdem ist der Gesamteindruck nach wie vor stark – von Donald Runnicles vor allem auf die dramatische Schiene gebracht. Es gab keine Leerläufe an diesem Abend, der Handlungsfortgang war gut geknüpft, nach der Pause dann auch mit dem nötigen Sentiment und elegischen Streichertränen.

Kapitain Vere (Michael Roider) hatte seine Mannschaft fest im Griff, ein wenig neurotisch und Plutarch lesend, und durchwegs mit soliden stimmlichen Mitteln. Roider passt der Vere wie eine maßgeschneiderte Uniform – eingespannt zwischen der verlockenden Ferne angelesenen altgriechischen Heroentums und der Sicherheit versprechenden Subordination eines bürokratischen Militärapparates. Man zweifelte keine Sekunde an seiner Darstellung.

Als Gegenspieler Claggart gab Kurt Rydl mit dieser Aufführungsserie sein Rollendebüt. Ihm gelang ein ernsthaftes Portrait dieses „Bösewichtes“. Im Gegensatz zu der scharfkantig-überhöhten, fast pathetische Bösartigkeit, mit der Eric Halfvarson in der Premiere überzeugt hatte, setzte Rydl auf ein menschlicheres Maß. Ist es perfider Sadismus aus Langeweile, der Claggart treibt - oder gar ein Gefühl existentieller Verzweiflung?

Bleibt noch Billy Budd persönlich, gesungen von Russell Braun. Er ist keine überhöhende Lichtgestalt wie Bo Skovhus in der Premierenbesetzung und im Vergleich mit der menschlich sehr berührenden Gestaltung eines Simon Keenlyside fehlt ihm ein wenig die Reife in Darstellung und Gesang. Aber auch er hinterließ insgesamt einen sehr glaubwürdigen, eindringlichen Eindruck.

Wesentlichen Anteil am Gelingen der Aufführung hatten weiters der Chor und all die vielen kleineren Chargen (Alfred Srameks Dansker muss hier noch besonders herausgestrichen werden!), ohne deren Teamwork so ein Schlachtschiff dem sicheren Untergang entgegenfährt. Die Inszenierung funktioniert auch im Repertoire vorzüglich, und das ist ja der eigentliche Prüfstein.

Das Publikum folgte dem Abend konzentriert, dankte mit viel, aber aufgrund des schwach besuchten Stehplatzes nicht so durchschlagskräftigem Applaus.