BILLY BUDD
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Wiener Staatsoper
12.02.2001
Österr. Erstaufführung der Originalfassung


Musikalische Leitung:
Donald Runnicles
Inszenierung: Willy Decker
Bühnenbild, Kostüme: Wolfgang Gussmann
Choreinstudierung: Ernst Dunshirn

Kapitän Vere - Neil Shicoff
Billy Budd - Bo Skovhus
John Claggart - Eric Halfvarson
Mr. Redburn - Robert Bork
Mr. Flint - Wolfgang Bankl
Leutnant Ratcliffe - David Cale Johnson
Red Whiskers - John Dickie
Donald - Geert Smits
Dansker - Alfred Sramek
Der Neuling - John Nuzzo
Squeak - Cosmin Ifrim
Bootsmann - Janusz Monarcha

Im sicheren Hafen
(Dominik Troger)

Benjamin Brittens Seefahrer-Tragödie "Billy Budd" steuerte in der Wiener Staatsoper in einen sicheren Hafen und wurde vom zahlreich anwesenden Publikum mit viel Applaus bedacht.

An der Staatsoper hatte man sich der vieraktigen Urfassung des Billy Budd von 1951 besonnen und zu deren österreichischen Erstaufführung geladen. Die Unterschiede zu der neun Jahre später erfolgten zweiaktigen Umarbeitung, betreffen vor allem die Rolle des Kapitän Vere, der in der Erstfassung stärker ins Zentrum des Geschehens rückt. Mit Neil Shicoff hatte man aber auch einen Sänger an Bord, dem man diese psychologisch schwierig zu gestaltende Rolle sozusagen "blindlings" anvertrauen konnte. Mit ihm bildeten Eric Halfvarson, als Waffenmeister Claggart und Bo Skovhus als Billy Budd, dieses schicksalsverkettete "Dreiecksverhältnis", das in der barbarische Männerwelt an Bord eines englisches Kriegsschiffs homoerotische Empfindungen in idealisierte Menschenbilder sublimiert, um letztlich, wie Vere es ausdrückt, dem Kampf zwischen einem guten Engel (Billy Budd) und dem Bösen (Claggart) zu erliegen. Nur Vere bleibt übrig, der Kapitän, der nichts dagegen unternimmt, dass der mit dem Makel des Stotterns behaftete Billy Budd zum Tode verurteilt und gehängt wird.

Die Story ist an sich schon sehr mitreißend, dank der Gestaltung durch die drei genannten Protagonisten, wurde es aber zu einem auserlesenen Opernereignis, das Benjamin Britten wieder einmal als einen der wichtigsten Opernkomponisten der letzten 50 Jahre ausweist - und das gleichzeitig beweist, dass Maßhalten im Inszenierungskonzept verbunden mit einer schlüssigen Personenregie allen gut tut: dem Werk, den Darstellern und dem Publikum.

Die Inszenierung von Willy Decker lässt die Handlung wirklich auf einem Kriegsschiff Ende des 18. Jahrhunderts spielen, und man ist freudig überrascht, dass die Handlung zwar auf dieses obgenannte "Dreiecksverhältnis" hin stilisiert, aber ohne Verfremdungsmechanismen umgesetzt wird. Die Protagonisten vermögen denn auch dieses Bühnenwerk, dass die Ausweglosigkeit einer griechischen Tragödie atmet, mit überzeugender Wirkung auf die hellen Schiffsplanken zu stellen, die das Bühnenbild bestimmen. Und das gilt für die drei Hauptdarsteller ebenso bis zu den kleineren Nebenrollen.

In Verbindung mit Donald Runnicles am Pult kam trotz der Länge des Abends (Schluss war erst knapp vor 23h) nie Langeweile auf. Das Orchester zeigte sich unter Runnicles Leitung von der besten Seite, verhalf Brittens melodisch-modernem Opernsound zu sehr klaren Konturen, ohne sich dem Pathos anzuvertrauen, das das Textbuch des öfteren als Werk der ersten Nachkriegsjahre ausweist. Das heißt, man hätte das vom "Sound" her auch ein bisserl anders machen können, allerdings auf Kosten der psychologischen Feinzeichnung und im Gegensatz zur Inszenierung. Ein rundum gelungener Opernabend also, der mit dementsprechenden einhelligen Jubel bedacht wurde.

Die Rezensionen zum "Billy Budd" waren durchwegs positiv bis überschwenglich. Einige Beispiele für viele:

Clemens Prokop in der Süddeutschen Zeitung vom 14.2.01 hat in der Billy Budd Premiere "Bilder von biblischer Grausamkeit" ausgemacht. Für ihn "bleibt John Claggart der ärgste Teufel, der mieseste Intrigant in den an Bösewichtern nicht armen Spielplänen." Und er ist fasziniert davon wie Eric Halfvarson "sein Gift verspritzt". Weiters: "Für Donald Runnicles ist Willy Deckers (in ihrem Abstraktionsgrad unentschiedene) Spar-Inszenierung ein Glücksfall. Decker liefert bloß Kulissen; was er nicht erzählt, davon kann die Musik um so leidenschaftlicher sprechen."

"Willy Decker inszeniert keinerlei Realismus, sondern das große Gleichnis, dieses allerdings wie Schauspiel: Er führt die Sänger zu Leistungen, die sie so auch auf dem Theater erbringen könnten - allen voran Eric Halfvarson, der mehr als einen eindimensionalen Bösewicht darstellt." Vorarlberger Nachrichten vom 15.2.01

"Neil Shicoff ist der Vere der Wiener Produktion: Wie er die Zerrissenheit des Kapitäns, seine peinigende Handlungsunfähigkeit darstellt, ist unvergleichlich. Shicoff verkörpert den im moralischen Dilemma gelähmten "Man of action" mit einer Vollkommenheit, wie es nur den größten Sänger-Darstellern gelingt. (...) Die musikalische Leitung lag in Händen von Donald Runnicles, der mit den bestens disponierten Philharmonikern in den ersten beiden Akten etwas zurückhaltend agierte, im dritten und vierten Akt aber die Leidenschaften aufpeitschte und dabei doch Raum für Brittens typische Zwischenfarben ließ." Edwin Baumgartner, Wiener Zeitung vom 14.2.01

"Unter Verzicht auf alle Mätzchen entwickelt Decker eine vorbildliche Bewegungsstrategie für die gewaltigen Chorszenen, innerhalb welcher die drei Hauptprotagonisten agieren. Mit Eric Halfvarson und Neil Shicoff als Kapitän Vere stehen ihm freilich auch zwei Künstler zur Verfügung, für die das Wort Sing-Schauspieler angebracht erscheint. Sie verstehen es, Abgründe und Schicksale sichtbar zu machen, dass einem der Atem stockt. Herrlich kontrastierend dazu in seiner bubenhaften Unbekümmerheit Bo Skovhus in der Titelrolle." Walter Beyer, Oberösterreichische Nachrichten, 14.2.01

"Und so gelingt Benjamin Brittens Billy Budd zur Denkwürdigkeit auf der erträumbaren Höhe dessen, was Musiktehater zu leisten imstande ist." Heinz Sichrovsky im News vom 15.2.01