CARMEN

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Staatsoper
20.5.2013

Dirigent: Bertrand de Billy

Carmen - Elina Garanca
Micaela - Anita Hartig
Frasquita - Ileana Tonca
Mercedes - Juliette Mars
Don José - Roberto Alagna
Escamillo - Massimo Cavaletti
Zuniga - Janusz Monarcha
Morales Nikolay Borchev
Dancairo - Tae-Joong Yang
Remendado - Dimitrios Flemotomos
Lillas Pastia - Csaba Markovits


„Zu kühle Carmen?“

(Dominik Troger)

Ob gut Ding immer Weile braucht, darüber ließe sich mindestens genauso lange spekulieren wie über die Frage, was eine ideale Carmen ausmacht. Elina Garanca hat nun „ihre” Carmen mit drei Jahren „Verspätung” dem Wiener Publikum präsentiert. Aber hat sie auch ein weiteres Kapitel der Carmen-Interpretation an der Staatsoper aufgeschlagen?


Ist Carmen eine Femme fatale, dämonisch, verführerisch, berechnend? Oder sind das nur „Projektionen“ des 19. Jahrhunderts, die (noch dazu vor dem Hintergrund der Zurechnung Carmens zum „fahrenden Volk”) der Figur den Status einer von der bürgerlichen Weltordnung abgesonderten „verruchten Weiblichkeit” zuschreiben? Und wie stark beeinflussen die Interpretinnen der Partie selbst das „Carmen- Klischee“?

Solche Fragen könnten Opernforen füllen, und um sie zu diskutieren, benötigte man gut Ding und viel Weile. Denn letztlich wird sich die Erkenntnis breitmachen: Alles ganz nach „Gusto“. Aber was nicht passieren sollte, dass man während der Aufführung ins Grübeln kommt, ob diese oder jene Darstellerin die überzeugendere Carmen (gewesen) ist. Denn dann ist die Magie gebrochen und die Zauberkraft der Oper verpufft.

Elina Garancas Wiener Carmen-Debüt hat für mich diese Fragestellungen nicht einfach von der Bühne „gefegt“. Die Sängerin ließ ihr langes Blondhaar wehen und wirkte begehrenswert und doch kühl und dabei fast ein wenig bürgerlich – frisch und lawendelduftend von ihrem eher hellen, edlen Mezzo begleitet. Aber müsste Carmen nicht nach Spanischem Pfeffer schmecken?

Zwar passten ihr blendendes „Outfit" und ihr schöner, aber emotional kontrolliert wirkender Gesang recht gut zusammen, aber diese Carmen schien die gefahrversprechende Liebe eher zu meiden, dieses Leben am Rande eines leidenschaftlichen Vulkans, der nach allen Seiten hin Funken sprüht. Garancas Carmen wirkte auf mich zu unspontan, und in einigen Szenen sogar psychologisch fragwürdig: Wenn zum Beispiel Carmen mit der Betulichkeit eines „Bürgermädchens“ Escamillio im vierten Akt noch das Jakett glatt streift oder bei einigen Annäherungsversuchen an Don José.

Auch das Finale hatte etwas Konstruiertes und Statisches an sich, obwohl es seine Wirkung nicht verfehlte. Don José hatte Carmen an sich gezogen und ihr das Messer an die Kehle gelegt. Carmen löste den Ring im Zeitlupentempo von ihrem Finger. Da vertickten Sekunden in denen doch eine kleine Ewigkeit lag. Hätte ein wohlüberlegtes Wort die Situation retten können? Aber das versagte sich Carmens Stolz – und die Beziehung nahm ein blutiges Ende.

Roberto Alagna sang einen in Summe überzeugenden Don José, forcierte bei seinem Staatsopern-Debüt in dieser Partie einige Male heftig, gut gelang die Blumenarie, zupackend das Finale. Der Sänger drängte die Psyche Don Josés nicht ins Pathologische, und seine Verzweiflung war nicht derart, dass er sich im Nachhinein dafür hätte schämen müssen. Carmen wurde an diesem Abend nicht das Opfer einer blindwütigen Raserei. Don Josés südländisch-virile Ehre wurde nicht angepatzt, und der Heroismus des Stierkampfes, der als Hintergrundfolie das Schlussbild durchrauscht, stärkte diese Vermutung.

Die Micaela der Anita Hartig war im Spiel ganz unschuldiges Wesen. Die Arie im dritten Akt sang sie mit zu viel Nachdruck und recht „unlyrisch“. Massimo Cavaletti war als Escamillo für Ludovic Tezier eingesprungen und hatte mit der Partie einiges zu kämpfen. Carmens Begleiterinnen schlugen sich gut, das übrige Ensemble riss nicht zu Begeisterungstürmen hin.

Bertrand de Billy sorgte mit dem Orchester für faszinierende Momente, und hatte (wie oft) das Ohr ganz am dramatischen Puls des Werkes. Bestechend war beispielsweise wie er mit dem Vorspiel zum Schlussbild losdüste – das Staatsopern-Orchester als elatisch durchfedernde und starkmotorige Luxuskarosse. Das Klangbild war dabei differenziert und gar nicht knallig.

Für Garanca und Alagna gab es starken Applaus, auch für Hartig. Garanca fing den geworfenen Blumenstrauß. Massimo Cavaletti wurde mit mäßigem Beifall bedacht.