CARMEN

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Volksoper
2.9.2012

Dirigent: Enrico Dovico

Carmen - Annely Peebo
Micaela - Kristiane Kaiser
Frasquita - Beate Ritter
Mercedes - Manuela Leonhartsberger
Don José - Mehrzad Montazeri
Escamillo - Sebastian Holecek
Zuniga - Sébastien Soulès
Morales - Sokolin Asllani
Dancairo - Thomas Zisterer
Remendado - Stephen Chaundy
Lillas Pastia - Georg Wacks


„Mit Carmen in die neue Saison“

(Dominik Troger)

Die Volksoper hatte diesmal beim Saisonstart die „Nase“ vorne. Während die Staatsoper das Publikum mit einem „Tag der offenen Tür“ auf die kommende Spielzeit einstimmte, spielte man am Währinger Gürtel schon am zweiten Spieltag „Carmen“.

Es ist erstaunlich, dass diese „Carmen“-Produktion inzwischen 148. Vorstellungen „überlebt“ hat. (Regie: Guy Joosten, Bühne: Johannes Leiacker, Kostüme: Karin Seydtle). Der Kontrast zur cineastisch konzipierten Staatsopern-Inszenierung könnte nicht größer sein. Dort ein folkloristisch, mit üppiger Kulisse und Kostümen aufgemotztes „Ansichtskarten“-Spanien des 19. Jahrhunderts, hier die schäbige „Rückseite“, für die sich kein Tourist interessieren würde. Aber Guy Joostens ironische Aperçus und sozialkritische, südspanische Reminiszenzen, haben womöglich gerade durch ihren Kontrast zur Staatsopern-Produktion Beständigkeit erlangt.

Zudem ist die Produktion an der Volksoper der Opéra comique „Carmen“ näher, man spürt die Operette und das „Chanson“. Die Inszenierung betont das auch, setzt die Lichtregie ein, um etwa im dritten Akt Carmen, Frasquita und Mercedes im Scheinwerferkegel kabarettartig aus der Szene herauszuheben – schon im ersten Akt beim Auftritt Carmens wird dieses Stilmittel angewandt. Dass Joosten das Thematisieren patriarchalischer „Verhältnisse“ nicht lassen konnte, ist ebenso erkennbar. Dann agiert Carmen wie ein anarchisches Einsprengsel, ein radikales Molekül in einer tristen Welt. Die erotische Pose ist ihr Kampfmittel, um zu überleben.

Der vierte Akt fällt optisch ziemlich karg aus. Das Publikum darf Carmen vor einer roten schäbigen Wand beim Umziehen zuschauen, während die Musik und der Chor enthusiastisch den Einzug der Stierkämpfer feiern. Das bietet den Zuschauern wenig. Aber es wird nicht viele „Carmen“-Inszenierungen geben, in denen eine Stierattrappe als „Fleischreserve“ rechts im Hintergrund der Schenke von Lillas Pastias hängt – und in denen ein Fussballspiel im Fernsehen übertragen wird. Aber insgesamt betrachtet wird Joosten trotzdem einiges „richtig“ gemacht haben – sonst hätte sich die Produktion nicht seit Dezember 1995 (!) im Repertoire gehalten.

Die Volksoper hat eine bewährte Besetzung „ins Rennen“ geschickt. Aber gesungen wird nach wie vor in deutscher Sprache. (Die Direktion hat sicher ausgiebig hinterfragt, welchen Nutzen das Haus und das Publikum davon haben. Die vielen Touristen, die an diesem Abend die Volksoper füllten, zeigten jedenfalls eines deutlich: Auch vor dem Währinger Gürtel macht die Globalisierung nicht halt.)

Als Carmen stand Annely Peebo auf der Bühne. Die Sängerin ist dem Haus eng verbunden, war einige Jahre lang Ensemblemitglied. 2010 hat sie in dieser Rolle an der Volksoper debütiert. Vom Kostüm zu einem deutlich wahrnehmbaren Dekolleté gedrängt, blieben optisch kaum Wünsche offen. Ihr Mezzo ist im Vergleich zu ihren früheren Volksopernjahren nachgedunkelt, die Mittellage tönte in den mehr lyrischen, „liedhaften“ Passagen betörend. Hier findet diese Carmen ihre Stärken, weniger bei der Zuspitzung der Emotionen. Da schleicht sich dann ein Flackern ein und die Stimme klingt etwas forciert. Dass Peebo für meinen Geschmack im Spiel die „erotische Pose“ zu wenig variiert hat, fiel in diesem unerotischen Bühnenambiete wahrscheinlich deutlicher auf. Insgesamt bot sie eine weibliche Carmen, sinnlich und selbstbewusst, ohne den Heroismus der Figur besonders deutlich herauszustreichen. Prinzipiell bleibt anzumerken, dass durch die Verwendung der deutschen Sprache der Gesang weniger flüssig klingt und etwas härter akzentuiert. Das ist ungewohnt und manchmal sogar störend.

Mehrzad Montazeri hat den Don José schon öfter an der Volksoper verkörpert. Darstellerisch wechselten Understatement mit einigen packenden Eifersuchtsszenen. Montazeri wirkte dabei ernsthaft, ohne Übertreibung, und hatte im Finale fast schon etwas ausweglos „Otellohaftes“ an sich. Sein Tenor färbte sich, wohl wegen seines Sprachakzentes, etwas eigenartig. Die Spitzentöne kamen kräftig, leicht metallisch, aber der Gesamteindruck blieb etwas „unrund“, in einer möglicherweise für den Sänger nicht wirklich idealen Partie.

Sebastian Holecek gab den Escamillo mit heldischem Aplomb, sein Bariton ist nach wie vor leichtgängig, mit guter, kräftiger Höhe, aber in seiner „Machart“ doch eher dem deutschen Fache zugeneigt. Kristiane Kaiser sang eine einnehmende Micaela, und hatte die Partie, bis auf ein, zwei Spitzentöne, sehr gut im Griff. Leichtblütiges, operettenhaftes Flair verbreiteten Beate Ritter und Manuela Leonhartsberger als Frasquita und Mercedes – insgesamt stand, von einem bewährtem Chor unterstützt, mehr die Ensembleleistung im Vordergrund, derzeit einer der großen Pluspunkte der Volksoper.

Das Orchester unter Enrico Dovico spielte in guter Kapellmeisterart, weder zu knallig noch zu „lasch“, und begleitete mit Gefühl, ohne dabei sentimental zu werden. Das Publikum spendete viel, aber etwas kurzen Applaus. Für Montazeri gab es beim Vorhang sogar einen Blumenwurf.