CARMEN

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Staatsoper
26. Jänner 2018

Dirigent: Jean-Christophe Spinosi

Carmen - Margarita Gritskova
Micaela -
Olga Bezsmertna
Frasquita -
Simina Ivan
Mercedes -
Margaret Olummer
Don José -
Piotr Beczala
Escamillo -
Carlos Álvarez
Zuniga -
Alexandru Moisiuc
Morales - Orhan Yildiz
Dancairo - Igor Onishchenko
Remendado - Carlos Osuna
Lillas Pastia -
Hacik Bayvertian


„Erfrischende Carmen, eleganter Don José“

(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper holt ihre von Franco Zeffirelli cineastisch aufbereitete „Carmen“-Produktion gar nicht so oft aus dem Depot. Diesmal gibt es allerdings einen ganz besonderen Anlass: Piotr Beczala singt weltweit seinen ersten Don José in Wien, wie in der aktuellen Ausgabe der Publikumszeitschrift der Wiener Staatsoper nachgelesen werden kann.

Es ist also legitim, an dieser Stelle dem Don José der laut Programmzettel 160. Aufführung dieser „Zefirelli“-Carmen (der zweiten Aufführung dieser „Carmen“-Serie) gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Piotr Beczalas Don José ist eigentlich ein sehr liebenswürdiger Mensch, ein trefflicher Mann für Micaela, mit viel Sinn für die lyrischen Momente, die Liebesgeschichten so süß und manchmal auch ein bisschen traurig machen. Wenn er Micaela im ersten Akt trifft, ist sein Tenor ganz einfühlsam vor lauter zartem Mutter-Erinnern. Er findet dafür auch weiche Pianotöne, und das Publikum sieht die beiden schon als schmuckes Pärchen vor sich: Micaela und Don Jose. Aber Don José ist Carmen schon „dazwischengekommen“ – und diese Begegnung wird zur Tragödie seines Lebens werden.

Carmen weckt den Widerspruchsgeist in ihm, weckt Leidenschaften. Im zweiten Akt wird Don José sozusagen „erwachsen“, und Beczalas Stimme verströmte sich in der Blumenarie, zwischen lyrischer Eleganz und leidenschaftlicher „Anbetung“ ausbalanciert die Waage haltend. Sein Tenor ist in den letzten Jahren etwas „breiter“ geworden, ohne seine Flexibilität einzubüßen, und er hat seinen lyrischen Silberglanz mit einem Hauch von viril funkelnder Bronze getauscht. Im dritten und vierten Akt gesellen sich dann Zorn und Verzweiflung hinzu. Beczala verfiel aber in keinen, seine Stimme ausbeutenden „Verismo“-Tonfall, sondern sie wurde von ihm unter Kontrolle gehalten, über alle Register ausgeglichen, die schlanke Eleganz seines Tenors bewahrend, nur ganz selten bei emotionalen Ausbrüchen an die Grenze der stimmlichen Komfortzone streifend.

Konsequenter Weise kam Beczalas Don José im Finale ohne „psychopathologische“ Raserei aus, und der Bogen seiner Rollendeutung, der sich vom sensiblen Beginn im ersten Akt bis zum Eifersuchtsmord spannte (der Beifall aus der Arena erinnert ihn an seinen Nebenbuhler und führt zu der für Carmen tödlichen Affekthandlung), wirkte plausibel, weil er auch zum Stimmcharakter passte. Liebhabern mehr baritonal-satter gefärbter Tenöre wird Piotr Beczala im vierten Akt vielleicht nicht die erwartete „emotionale Überwältigung“ bieten, aber der Sänger versteht „Carmen“ insgesamt nicht als Verismo-Oper, wie er in einem Interview in der schon genannten Publikumszeitschrift der Wiener Staatsoper ausgeführt hat.

Die für das Wiener Publikum ebenfalls neue Carmen der Margarita Gritskova passte sehr gut zu diesem Don José: eine schwungvolle, eine erfrischende Carmen, mit einem in leicht abgedunkelten Farben funkelnden, elastischen Mezzo ausgestattet. Ihr jugendlicher Elan paarte sich mit selbstbewusstem Stolz, und erotischem Kalkül, ohne aber in eine „Vamp-Pose“ zu verfallen. Dass sie Don Jose bereits im ersten Akt leidenschaftlich küsst, über diesen Punkt bin ich noch unschlüssig: Es wirkte einerseits spontan, geboren aus jugendlichem, unbekümmertem Überschwang, andererseits nahm es doch ein wenig die Subtilität aus der sich anbahnenden Beziehung.

Carlos Álavarez war nicht unbedingt ein Escamillo für das Cover einer „Hochglanzillustrierten“, dafür fehlte seinem Torerolied ein wenig das „sportliche“ Auftreten in Spiel und Gesang. Állvarez sang es seriös, aber wenig durchschlagskräftig, in der Tiefe etwas blass bleibend. Einen nachhaltigeren Eindruck hinterließen der dritte Akt und sein kurzer Auftritt im vierten. Die Micaela der Olga Bezsmertna spielte die Vorzüge ihres melancholisch schattierten Soprans schon im ersten Akt aus. Ihre Stimme verlieh der Partie feine Züge von Traurigkeit, die sich mit Beczalas Don José zu rührendem Gesang vereinigten. Bei ihrer großen Arie im dritten Akt trübten einige unsaubere Höhen und eine flackrige Stimme merklich den Genuss.

Was die weitere Besetzung betrifft, so sei noch angemerkt, dass Alexandru Moisiuc den Zuniga als „Type“ wieder trefflich auf die Bühne gestellt hat, dass Simina Ivans Sopran der Frasquita entwachsen ist und dass Orhan Yildiz einen komfortablen Morales gesungen hat.

Das Orchester unter der Leitung von Jean-Christoph Spinosi hatte Probleme, sich dem Geschehen auf der Bühne anzuschmiegen, wirkte in der Begleitung starr, fast ein wenig „störrisch“. Ein eher spröder Klang und der weitgehende Verzicht auf das schwelgerische Auskosten der Emotionen hat der Aufführung nicht wirklich gut getan, auch wenn Spinosi am Beginn gleich feurig in die Materie eingestiegen ist und das Orchester wie mit schlanker Gerte vorwärtsgetrieben hat.

Die Inszenierung ist alt, aber in ihrem „Movie setting“ auch eine Art von Unikat, das man erhalten sollte – zumindest solange man sich noch ein paar Statisten leisten kann. Wer es „moderner“ mag, kann sich mit der Volksopern-„Carmen“ und ihrer szenischen „Sparvariante“ des vierten Aktes „trösten“.

Der Schlussapplaus erreichte die zehn Minuten Marke – und das beweist, dass der Abend beim Publikum sehr gut angekommen ist.