CARMEN

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Staatsoper
13. September 2016

Dirigent: Philippe Auguin

Carmen - Elena Maximova
Micaela -
Cristina Pasaroiu
Frasquita -
Hila Fahima
Mercedes -
Ilseyar Khayrullova
Don José -
Brandon Jovanovich
Escamillo -
Clemens Unterreiner
Zuniga -
Alexandru Moisiuc
Morales - Orhan Yildiz
Dancairo -
Mihail Dogotari
Remendado -
Joseph Dennis
Lillas Pastia -
Hacik Bayvertian


„Katzengleiche Carmen“

(Dominik Troger)

Nur drei „Carmen”-Vorstellungen sind von der Staatsoper für die Saison 2016/17 angesetzt worden. Sie brachten das Hausdebüt des amerikanischen Tenors Brandon Jovanovich als Don José und das Rollendebüt von Clemens Unterreiner als Escamillio.

Die Carmen der Elena Maximova definierte sich darstellerisch stark über ihre körperlichen Reize – und eine Sängerin, die schöne Beine hat, soll sie auch zeigen. Wenn sie im ersten Akt mit auf dem Rücken gebundenen Händen auf einer Brüstung sitzt und ihre Zähne in den Saum beißt, um sich den üppigen Rock hochzuziehen, damit alle ihre Beine bewundern können, dann paart sich in ihr weibliche Pragmatik mit einer sehr offensiv gehandhabten Verführungskunst. Maximova rückte im ersten Akt mit ihrer angriffslustigen Erotik nicht nur Don José sehr nahe, auch Zuniga wurde in ihre Spielchen einbezogen.

Im zweiten Akt ging es dann zwischen Don Jose und Carmen sehr eindeutig zur Sache, und die langen Küsse der beiden waren zwar filmreif, zeugten aber von einer Oberflächlichkeit, die vom Mythos und Charisma wenig wusste, dass man einer Carmen zuzuschreiben oft geneigt ist. Ihr Mezzo förderte dieses Charisma nicht, in der Attacke mit einem kantigen Funkeln versehen, statt sich impulsiv und weich zu verströmen. In der Tiefe klang die Stimme apart, für meinen Geschmack aber zu wenig abgerundet, um der Figur eine überdurchschnittliches Maß an Sinnlichkeit und Leidenschaftlichkeit zu verleihen. Diese Carmen hatte sowohl im Spiel als auch im Gesang etwas Kühles und Katzenhaftes an sich, einen modernen Zug von Genüsssüchtigkeit, der die Liebespassion überdeckte.

Brandon Jovanovich hat den Don José schon seit vielen Jahren im Repertoire und ihn auch schon an der New Yorker Met verkörpert. Die Vorstellung am Dienstagabend – die dritte dieser Aufführungsserie – verdeutlichte nur phasenweise, was den Reiz dieses Sängers in dieser Partie ausmachen könnte. Wahrscheinlich ist es das baritonale Timbre, das eher gröber strukturiert, ein gutes Ausdrucksmittel für die virile Gefühlsaufwallung des von Carmen ganz und gar becircten Sergeanten darstellt. Aber in den lyrischen Passagen war wenig Raffinement zu bemerken und die Stimme klang etwas schwerfällig. Sie ließ keine strahlenden Spitzentöne hören, sondern klang in der Höhe leicht abgestumpft und breit.

Im Spiel gab er erst den linkischen Soldaten, der von Carmen „angemacht“ wird und ihr dann verfällt. Diesem Sergeanten definierte sich „Liebe“ offenbar stark über eindeutige körperliche Zuwendungen. Im Finale tätigte Don José einen Vergewaltigungsversuch, im Staub des leergefegten Arenaplatzes, den er aber abbrach. Dann sagte sich Carmen endgültig von ihm los und trennte sich von seinem Ring. Er ließ Carmen noch zwei, drei Meter Richtung Arena schreiten, bevor er sie rasch einholte und erstach.

Der dritte im Bunde dieses fatalen Beziehungsdreiecks war Clemens Unterreiner, der beim Torerolied doch mehr den Charmeur herausstrich, als einen durch seine unwiderstehliche Energie und Autorität ausgezeichneten Stierkämpfer. Im vierten Akt, im kurzen Zwiegespräch mit Carmen, fand er zu einer warmströmemden Leidenschaftlichkeit, die noch an eine tiefe Liebesempfindung zu glauben schien. Zwischen Don Josés Raserei in der Schmugglerszene und Carmens erotisch-angeturnter Unruhe entstand an dieser Stelle ein willkommener, „ungekünstelter“ Ruhepunkt. „Ideal“ liegt die Partie für Unterreiners angenehm timbrierte Stimme wohl nicht – aber wann hat man schon jemals einen „idealen“ Escamillo gehört? Viel macht jedoch die innere Haltung aus. In diesem Punkt war mir der Sänger schon eine Spur zu „weichherzig“. Ein Torero wird auch deshalb geliebt, weil er stolz ist und ein gefährlicher Kämpfer sein könnte. Der „Stallgeruch“ der Arena ist mindestens soviel Wert wie ein blank gezogener Degen.

Cristina Pasaroiu, die in dieser Serie für Genia Kühmeier eingesprungen war, stellte für die Michaela eine hübsche lyrische Sopranstimme bereit, mit einem leicht melancholisch schattierten Timbre. Etwas irritierend war ein schnelles Vibrato, das sich immer wieder einschlich. Für die Arie im dritten Akt fehlten ein wenig die Flüssigkeit im Vortrag und die Leichtigkeit in der Höhe und bei den Piani. Die Sängerin spielte das einfache Mädchen sehr treffend.

Als Frasquita und Mercedes mischten sich Hila Fahima und Ilseyar Khayrullova unter das „fahrende Volk“: Beide waren eine sehr hübsche Besetzung für diese sehr cineastisch angelegte Inszenierung von Franco Zefirelli – wobei Fahima der Frasquita stimmlich einen fast schon zu feingliedrigen Anstrich verlieh. Der stämmige Alexandru Moisiuc ließ sich von Carmen betören und Orhan Yildiz steuerte an diesem Abend einen nicht sehr überzeugenden Morales bei. Der Staatsopernchor war naturgemäß auf seinem Posten.

Am Pult sorgte Philippe Auguin für eine etwas uneinheitliche Darbietung, die Spannung brach abseits der bekannten und routiniert zur Geltung gebrachten Highlights immer wieder ein. Das Publikum im vollen Haus schien recht zufrieden und beklatschte die 158. Aufführung dieser Franco-Zefirelli-Inszenierung eifrig.