CARMEN

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Wiener Staatsoper
12.5.2000

Dirigent: Bertrand de Billy

Zuniga, Leutnant - Janusz Monarcha
Don José, Sergeant - Fabio Armiliato
Moralés, Sergeant - Yu Chen
Escamillo, Stierkämpfer - Egils Silins
Carmen, Zigeunerin - Agnes Baltsa
Frasquita, Zigeunerin - Tatiana Lisnic
Mercedes, Zigeunerin - Mihaela Ungureanu
Micaela, Bauernmädchen - Krassimira Stoyanova


Herbe Carmen
(Dominik Troger)

Mit aller gebotenen Prägnanz setzte Agnes Baltsa wieder ihre Carmen in Szene, die inzwischen zu einer Art herbem Stück Bitterschokolade mutiert ist. Ein Meisterstück auf ihre Art und Weise, jenseits aller jugendlicherotischen Impulsivität, die man einer Carmen ja auch zugestehen müsste. Während also die mehr aufreizenden Szenen - wie etwa der griffige Auftrittssong - schon nahe ans Peinliche streiften, geriet der Rest beinahe zu einer griechischen Tragödie, in deren Zentrum die von der unglücklichen Liebe eines Sergeanten zu Tode gebrachte Heroine stand. Die Baltsa agierte hier mit aller gebotenen Feinfühligkeit und tragischer Größe und gewann der Carmen vor allem psychologisch ausgedeutete Gefühlsmomente ab, die aber immer selbstreflexiv auf das eigene Schicksal abstellten und das flatterhaft-erotische weibliche Locken und Spielen mit der Liebe hinanstellten. Aber das ist nie ihre Stärke gewesen - und es wäre schwerlich vorstellbar, dass das, was mit den Jahren ohnehin abnimmt, gerade jetzt bei ihrer Rollengestaltung noch aufblühen sollte. Dafür aber bot sie in den letzten beiden Akten die fulminante Charakterstudie einer Carmen, die hoch erhobenen Hauptes ihrem Untergang entgegengeht, gleichsam wie einer Läuterung ihres durch Liebesschmerz zerissenen Lebens.
Schön, dass sie in Fabio Armiliato einen Don Jose fand, der diesem Schluss ebenfalls gewachsen war - und, was man zu Beginn der Vorstellung nicht für möglich gehalten hätte, den Don Jose mit glaubwürdiger Liebesverzweiflung und eifersüchtiger Raserei erfüllte. Auch seine Stimme hatte mit diesen dramatischen Ausbrüchen keine Probleme. Sie lagen Armiliato weit mehr als die lyrischen Liebesbekenntnisse einer Rosenarie, die er deshalb auch sehr emotional anlegte, um seine indifferenzierte Mittellage zu entschärfen. Leider war der Escamillo von Egils Silis ganz einfach deplaciert - nicht von den stimmlichen Mitteln an sich, sondern vom Charakter her. Und es war nicht recht vorstellbar, dass Carmen um seinetwillen in solche emotionale Schwierigkeiten geraten könnte. Ähnliches lässt sich von der Michaela von Krissimira Stoyanova sagen, deren Stimme dieser Partie längst entwachsen und deren etwas harter, metallischer Klang fürs französische Fach weniger geeignet ist.
Betrand de Billy leitete ein brav musizierendes Orchester mit dem nötigen Esprit und ließ sich auch nicht von den vielen "Hineinklatschungen" des von Touristen stark durchsetzten Publikums beirren. Was die Inszenierung betrifft, so darf man wirklich froh sein, sie zu haben, um einmal, bar jeglicher intellektuellen Ergießungen, Oper auch in hedonistischer Weise erleben zu dürfen. Und das muss auch hin und wieder erlaubt sein! (Die Inszenierung stammt übrigens von Franco Zeffirelli aus dem Dezember 1978. Agnes Baltsa sang bereits 1984 die Carmen in der Neueinstudierung unter Lorin Maazel. Don Jose war damals Placido Domingo.)