BÉATRICE ET BÉNÉDICT

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Theater an der Wien
29. April 2013

Musikalische Leitung: Leo Hussain

Inszenierung: Kasper Holten
Bühne: Es Devlin
Kostüme: Moritz Junge
Licht: Bruno Poet

ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Chor
Arnold Schoenberg Chor

Premiere 17. April 2013

Béatrice - Malena Ernman
Bénédict - Bernard Richter
Claudio - Nikolay Borchev
Héro - Christiane Karg
Ursule - Ann-Beth Solvang
Somarone - Miklós Sebestyén
Léonato - Thomas Engel
Don Pedro - Martin Snell
Une femme - Madeline Ménager-Lefebvre


Reizvolle Ausgrabung

(Dominik Troger)

Letzte Vorstellung von „Béatrice et Bénédict“ im Theater an der Wien: viel Applaus für die Künstler und das ORF-Radio-Symphonieorchester. Das Werk überzeugte vor allem durch seine reizvolle Musik.

„Béatrice et Bénédict“ wurde 1862 erfolgreich in Baden-Baden uraufgeführt, zählt heute aber zu den Raritäten. In den letzten Jahren erschien es mal da, mal dort auf den Spielplänen. Der 200. Geburtstag des Komponisten im Jahr 2003 hat vielleicht ein wenig als Katalysator gewirkt. Die Handlung lässt sich mit dem Satz zusammenfassen: Kratzbürste Béatrice verliebt sich und heiratet den Ehemuffel Bénédict. Die beiden sind sich zuerst wie „Hund und Katze“, werden dann aber gekonnt verkuppelt. Berlioz folgte in der Idee Shakespeares „Viel Lärm um nichts“, hat die Handlung aber stark vereinfacht.

Für die Inszenierung wurde viel von den Dialogen gestrichen (so Regisseur Kaspar Holten im Programmheft zur Aufführung), und der Abend dauerte dank einer sehr langen Pause dann doch über zweieinviertel Stunden. Holten hat sich bei der Szene auf den „Kampf der Geschlechter“ konzentriert, der zwischen Béatrice et Bénédict zum Beispiel in Form eines sehr gut geschauspielerten Tennismatches (ohne Ball) abgehandelt wird, und damit eine (immer noch eher dürftige) Zuspitzung der Handlung erreicht. Inhaltlich ist an dieser Oper wenig dran. Einer seichten Unterhaltung der Kurgäste in Baden-Baden wird sie nicht abträglich gewesen sein.

Holten hat erst gar keine Ambitionen entwickelt, dem Stück diesen Unterhaltungsfaktor auszutreiben. „Wir erlauben uns einfach, die Leute zu unterhalten, wir möchten, dass es Spaß ist“, sagte er in einem Interview, das im Programmheft nachgelesen werden kann. Holten hat auch da und dort ein wenig nachgeholfen: zum Beispiel sprach Kapellmeister Somarone, der einen Hochzeitschor komponiert hat, plötzlich Deutsch und plauderte über den Orchestergraben hinweg mit dem Dirigenten der Aufführung, Leo Hussain, der aber nur sehr wortkarg antwortete. Das Publikum lachte, und Berlioz war wieder ein Stückchen über die Runden geholfen, ehe dann das Finale des ersten Aktes mit dem Duett-Nocturne musikalisch eine lauschige Abendstimmung herbeizauberte.

Die Inszenierung siedelte die Handlung gegen Ende des 19. Jahrhunderts an. Schöne Kostüme für die Damen (Moritz Junge) und eine funktionelle Bühne mit leicht arenaartigem Aufbau sorgten für den passenden Rahmen. Ein ausfahrbarer und mit Projektionen „bespielbarer“ Raumteiler trennte nach Bedarf die spartanisch ausstaffierte Drehbühne in eine Béatrice- und in eine Bénédict-Hälfte. Der Raumteiler diente zum Beispiel als „Tennisnetz“, zeigte projizierte Landschaften oder Wolken, je nach Bedarf: eine praktische Lösung (Bühne: Es Devlin), die rasche Szenenwechsel ermöglichte. Sessel spielten eine nicht unwichtige Rolle, schließlich konnten im Finale die Hochzeitsgesellschaft darauf Platz nehmen, und am Beginn die Soldaten, die aus einem gewonnenen Krieg heimkehrten, und die Frauen, die auf die Kriegsheimkehrer warteten. Die Sänger werden auch in eine Sauna geschickt, allerdings ganz ohne Dampf. Aus weißen Wickelhandtüchern ragten die nackten Oberkörper. Die Sängerinnen durften zum Ausgleich an einem Kaffeekränzchen teilnehmen. Béatrice wurde in eine Art Schuluniform gekleidet, weiße Bluse und Krawatte, und fiel insofern aus dem Rahmen. Aber nachdem sie sich mit Bénédict spitzfindige Wortduelle liefert, passte es doch.

Berlioz hat seiner Opéra comique eine reizvolle Musik gegönnt. Das beginnt mit einer Ouvertüre, die französische und deutsche Tradition verschmilzt, und in der einige Passagen an Brahms erinnern. Deutsche Romantik und französische Eleganz vereinen sich zu einem manchmal fast elegischen, dann wieder fast boshaft-tumultartigen Tonfall, wobei Berlioz mit delikatem Spürsinn noch allerhand Klangeffekte aus dem Orchester zaubert. Höhepunkt der Oper ist eigentlich das schon erwähnte Nocturne am Schluss des ersten Aktes, die Streicher wiegen sich wie Sommergras im nächtlich lauen Winde. Eines der schönsten Duette für Frauenstimmen der Opernliteratur, fast schon „richard-straussisch“. Da bleibt die Zeit stehen, Natur und Liebe verschmelzen zu einem poetischen Traum.

Das ORF Radio-Symphonieorchester unter Leo Hussain spielte mit warmem Streicherklang und mit der geforderten Eleganz. Die unterschiedlichen emotionalen Stimmungen wurden gut herausgebracht. Beim schon erwähnten Nocture schwebten das Orchester und die beiden Sängerinnen fast schon auf einer „rosa Wolke“. Christiane Karg (die als Héro mehr zu singen hat als Béatrice) und die Mezzosopranistin Ann-Beth Solvang (Ursule), gaben dieses Duett verinnerlicht, der Berlioz’schen Poesie ganz hingegeben. Das Publikum schien gerührt und spendete viel Beifall.

Malena Ernman zeigte als Béatrice viel Sinn für Komik. Ihr Mezzo war nicht gerade der strahlende Mittelpunkt des Abends, mehr nüchtern gefärbt, als von Wohlklang durchströmt, passte er fast schon zu gut zum leicht raubeinigen Charakter der Rolle. Bernard Richter zeigte sich nicht nur körperlich, sondern auch stimmlich gut gebaut, in der Höhe manchmal etwas schmal, aber insgesamt recht überzeugend.

Miklos Sebestyen sorgte als Somarone für die erwartete Komik und balancierte unter anderem singend und einen Betrunkenen mimend auf Sesseln – mehrmals drohte er abzustürzen, jedes Mal blieb ihm der Ton fast im Halse stecken, der Chor der Umstehenden stöhnte auf: das war auch eine der auflockernden humoristischen Einlagen. Die übrigen Herren hatten nicht viel beizutragen. Der Arnold Schönberg Chor sorgte für eine „selbstironische“ Meisterleistung bei der „Chorprobe“ im ersten Akt.

Fazit: Es hat sich gelohnt, diese kleine Kostbarkeit „auszugraben“. Die Unterhaltung war zwar seicht, aber sie kam an.