BENVENUTO CELLINI |
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Konzerthaus Dirigent: Sir Roger Norrington Radio-Sinfonieorchester
Stuttgart des SWR |
Teresa - Laura Claycomb |
Geniekult Hector Berlioz, jener hybris-behaftete Klangzauberer, ist mit seinen Opern viel zu selten in Wien zu Gast. Dem voller künstlerischem Größenwahn durchzogenen "Benvenuto Cellini" konnte man jetzt im Wiener Konzerthaus begegnen. Das Stuttgarter RSO reist derzeit mit einer konzertanten Produktion des Werkes unter Sir Roger Norrington durch Europa. Das Wiener Klangbogen Festival nützte diese Chance – und so gastierte „Benvenuto Cellini“ nach dem Tourneestart in London nun auch in Wien. Als allzu zugkräftig erwies sich im hitzequälenden August die Opernrarität allerdings nicht, wie man an vielen leer gebliebenen Plätzen ablesen konnte. (Dabei bietet das Konzerthaus seit der Renovierung vor einigen Jahren jetzt auch an heißen Tagen klimatisch angenehmen Hörgenuss.) Gegeben wurde die dreiaktige Weimarer Fassung von 1852, Franz Liszt hatte das Werk damals protegiert. Die Uraufführung 1838 war kein Erfolg gewesen. Das
Werk ist eine Apotheose des Genie-Gedankens. Allen Widernissen zum Trotz
gelingt es Cellini, eine Metallplastik des „Perseus" zu gießen.
Dafür verzeiht man ihm sogar einen Totschlag, Liebeshändel
und Saufgelage. Und so wie sich Cellini im Libretto über jede Moral
hinwegsetzt, setzte sich Berlioz über die musikalischen Konventionen
seiner Zeit hinweg. Doch zurück zu dieser konzertanten Aufführung. Norrington hielt alles am Zügel, der Berlioz'sche Tiger hatte kaum eine Chance, sich ein wenig selbständig zu machen. Er erstand in kühler gewalttätiger Schönheit, die einem zwar eine Art von „nackter“ Bewunderung abrang, aber ohne, dass man daran viel Lebendiges gefunden hätte. Vor allem der erste Aufzug geriet unter Norringtons emotionsloser Akkuratesse zu einer langweiligen Sache – erst im zweiten und dritten Aufzug gelang es den von Berlioz in die Waagschale geworfenen Orchestermassen, sich ein wenig dagegen aufzulehnen. Trotzdem blieb die Sache kühl und, wie man so sagt, staubtrocken, das Orchester stets im Banne seines Dompteurs, angehalten zu einer ausdruckslosen Brillanz. Keine Frage, bei den großen Massenszenen bewährte sich das durchaus, brachte es die Wirkung dieser Musik mit differenzierter, ausgetüftelter Wucht auf den Punkt: aber dass es sich bei der ganzen Sache auch um eine Liebesgeschichte handelt, dass man gerne von der „renaissancehaften Üppigkeit“ schwelgerischer, satter Streicherklänge gekostet hätte: da war keine Rede davon. Die SängerInnen boten ein gehobenes Mittelmaß, mussten aber auf dem Podium hinter dem Orchester, direkt vor dem Chor Platz nehmen, was ihrer stimmlichen Präsenz nicht unbedingt förderlich war. Den Chor im Nacken, das mächtige Orchester vor sich, hatten sie hart zu ringen. Am meisten traf das die Teresa der Laura Claycomb, mit schöner, aber nicht sehr stimmgewaltiger Sopranstimme. Sie war wohl überhaupt für diese Partie ein wenig zu „leichtgewichtig“. Da hat Bruce Ford als Cellini den geschmeidig-heroischen Berlioz‘schen Anforderungen schon weit eher entsprochen. Positiv sind mir auch noch der Kardinal von Ralf Lukas, ein präsenter jugendlicher Bass-Bariton, und Monica Groop als Ascanio in Erinnerung. Das Publikum spendete viel Applaus, Begeisterungsstürme gab es keine. |