WOZZECK

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Wiener Staatsoper
24. & 27. März 2013

Dirigent: Franz Welser-Möst

Wiederaufnahme am 24.März

Wozzeck - Simon Keenlyside*
Tambourmajor - Gary Lehmann**
Andres - Norbert Ernst*
Hauptmann - Herwig Pecoraro*
Doktor - Wolfgang Bankl*
Narr - Peter Jelosits
Marie - Anne Schwanewilms*
Margret - Monika Bohinec
*
1. Handwerksbursch - Marcus Pelz*
2. Handwerksbursch - Clemens Unterreiner*
Knabe - Ruben Kastelic (24.3.), Alexander Korchak (27.3.)
Soldat - Zsolt Temes
Wirt - Wolfram Igor Derntl (24.3.), Wong Cheol Song (27.3.)

*Rollendebüts am Haus
** Hausdebüt



Zahmer Expressionismus
(Dominik Troger)

Alban Bergs „Wozzeck“ wurde nach acht Jahren wieder in den Spielplan der Staatsoper aufgenommen. Es ist zu hoffen, dass das Werk in Zukunft eine kontinuierlichere Pflege im Repertoire erfährt.

Es ist immer ein wenig müßig, Erinnerungen nachzuhängen – aber es kann nicht schaden, einmal kurz auf Walter Berry, Franz Grundheber oder Claudio Abbado zu verweisen, die an der Staatsoper in den letzten 30 Jahren Marksteine in der „Wozzeck“-Interpretation gesetzt haben – denn von solchen „Marksteinen“ ist man derzeit noch ein Stück entfernt.

Das liegt nicht an der Inszenierung von Adolf Dresen und Ausstatter Herbert Kaplmüller, die aus dem Jahr 1987 stammt, sich eng an die Vorlage hält und die Geschichte ohne Mätzchen erzählt. Sie könnte zwar in der Bebilderung ein wenig „expressionistischer“ sein, aber letztlich müssen die Ausführenden selbst ihren Teil dazu beitragen, damit sich die Kulissen mit pointiertem Leben füllen.

Simon Keenlyside hat zu diesem Zweck eine „eigene“ Interpretation der Titelfigur mitgebracht: Ein Wozzeck, dem man die Anspannung, unter der er steht, deutlich in der Mimik ansieht: ein immer wieder „Vor-sich-hin-mümmeln“ und mit der „Hand-über-das-Gesicht-streifen“. Wozzeck zeigte sich hier mehr als „Patientenakte“, weniger als kraftstrotzender bodenständiger Kerl, der sich aus Bruchstücken, die er da und dort aufschnappt, ein archaisch-magisches Weltbild baut. Das Resultat war ein bisschen zu „schlank“ und wohldosiert – wobei ich insgesamt den Eindruck hatte, dass Keenlyside an beiden Abenden gesanglich nicht zur Bestform auflief.

Bei Marie müsste ein ins Erotische getauchter Expressionismus durchschlagen wie er vielen „Frauenbildern“ dieser Zwischenkriegsepoche anhängt. Anne Schwanewilms gelangen zwar berührende Momente, aber der Gesamteindruck blieb recht „zahm“, legte zu wenig Spannung in den Charakter, der extrem zwischen extrovertierter Leidenschaftlichkeit und aus der Religion genährten Sühnewünschen pendeln müsste. Das hat auch mit ihrem eher nüchtern timbrierten Sopran zu tun, den expressive Eskapaden schon zu recht forciert klingenden Spitzentönen herausforderten.

Von den „Nebenfiguren“ schien sich Wolfgang Bankl als Doktor am wohlsten zu befinden, Herwig Pecoraro lag der Hauptmann noch nicht so durchgeknetet und eloquent in der Kehle. Der Tambourmajor von Gary Lehmann hatte stimmlich keine sehr großen „Nehmerqualitäten“. Norbert Ernst war ein solider Andres, passend oder mit einigen Vorbehalten die übrigen Mitwirkenden.

Franz Welser-Mösts Deutung blieb mir zu trocken und analytisch. Die emotionale Erschütterung hielt sich in Grenzen und tieferliegende, naturnahe Schichten wurden kaum aufgedeckt. Auch bei den zwei gewaltigen Orchesterschlägen nach der Mordszene im dritten Akt flog einem vor allem das musikalische Material um die Ohren – dem man insgesamt doch mehr an „Lebensatem“ einhauchen könnte. Aber die Wiener Staatsoper ist eben erst dabei, sich ihre Spieltradition des „Wozzeck“ neu zu erarbeiten.

Sowohl die Wiederaufnahme am 24. März (viele Rollendebüts am Haus) als auch die zweite Vorstellung am 27. März waren sehr gut besucht – auch der Stehplatz. Die Publikumsreaktionen waren sehr positiv.