LA STRANIERA
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Theater an der Wien
28. Jänner 2015
Premiere

Dirigent: Paolo Arrivabeni

Alaide - Marlis Petersen
Isoletta - Theresa Kronthaler

Graf Arturo - Norman Reinhardt
Baron Valdeburgo - Franco Vasallo
Osburgo - Vladimir Dmitruk
Prior - Stefan Cerny
Montolino - Martin Snell

„Letzte Vorstellung der Aufführungsserie
(Dominik Troger)

In der letzten Aufführung von Bellinis „La straniera“ im Theater an der Wien kam die Alternativbesetzung zum Einsatz: Marlis Petersen sang die Straniera und Norman Reinhardt den Arturo.

Für die sieben „Straniera“-Aufführungen hat sich das Theater an der Wien etwas Besonderes einfallen lassen: an vier Abenden sang Edita Gruberova die Titelpartie, an drei Marlis Petersen. Und mit Petersen stand auch ein anderer Arturo auf der Bühne: Norman Reinhart. Es war von vornherein klar, dass Marlis Petersen aus der Straniera „etwas Anderes" machen würde als Edita Gruberova. Petersen besitzt eine starke Affinität zu einem aus der schauspielerischen Aktion entwickelten Musiktheater, bei Edita Gruberova war zu erwarten, dass sie die Rolle vor allem aus der hohen gesanglichen Kunstfertigkeit ihres Soprans entwickeln würde.

Und Petersen hat sich die Partie sehr gut zurechtgelegt. Natürlich vermisste man ein paar belcantesce Gruberova’sche „Manierismen“ vor allem die „verhauchenden“ Piani, aber Petersen gelangen saubere, wenn auch nicht ganz fein ziselierte Koloraturen und sichere Spitzentöne. Nur einmal geriet gegen Schluss des zweiten Aktes eine Phrase ziemlich kurz. Aber sogar die Passage im ersten Akt, wenn Bellini in der Szene mit Arturo Alaide einen fast zwei Oktaven umfassenden emotionalen „Absturz“ verordnet, konnte Petersen flüssig bewältigen, und die Tiefe recht locker in die Gesangslinie einbinden.

In ihrem Spiel löste Petersen Alaide deutlicher aus ihrer Opferrolle heraus, der Charakter der „Fremden“ glühte mit einer stärkeren Leidenschaftlichkeit. Die Aufführung wirkte insgesamt „lebendiger“ als die Premiere, und daran hatte nicht nur Petersen großen Anteil. Hier bewährte sich die nach der Premiere wenig gelobte Regie von Christof Loy. Diese mehr im „Arrangement“ verbleibende Inszenierung barg mit ihrer in dunklen Holzfarben malenden Optik und den konventionellen Kostümen exaltierte Gefühlsregungen in einem biedermeierlichen Korsett, so dass Petersen, auch wenn sie einmal im koloraturaffinen Ohnmachtsanfall zu Boden sank, die Alaide nicht allzu veristisch überzeichnen konnte. Das befähigte Petersen, Alaide einen einigermaßen glaubwürdigen Charakter zu verleihen, der der haarsträubenden Geschichte ein plausibles Mäntelchen umhing, das das Publikum gerne zu akzeptieren bereit war.

Besser als die Premierenbesetzung konnte auch der Sänger des Arturo reüssieren. Norman Reinhardt ist bereits 2010 als Fritz in der „Großherzogin von Gerolstein“ im Theater an der Wien aufgetreten. Damals notierte ich, dass es sich um einen etwas schmalen Tenor gehandelt habe, mit wenig Schmelz und Sinnlichkeit. In faserschmeichlerische Watte ist seine Stimme vier Jahre später immer noch nicht eingepackt, aber sie besitzt jetzt eine schlanke Virilität, die von einem feinen metallischen Schmelz herrührt, der gerade den überspannten Bellini- und Donizetti-Liebhabern gut ansteht, und ihnen eine etwas hell gefärbte, aparte Sinnlichkeit verleiht. Reinhardt trug sozusagen den gezogenen Degen in der Stimme, vielleicht noch ein bisschen zu „blank geputzt“ und „geradlinig“ geführt. Der Sänger ließ außerdem eine gute und sichere Höhe hören: bevor er Valdeburo in den See nachsprang, legte er einen Spitzenton ein, der die Gefühlsexplosion dieses Moments sehr gut einfing. Auch stilistisch schien sich der Sänger bei Bellini wohl zu fühlen.

Franco Vasallo sang wieder einen kernigen Valdeburgo, nicht übermäßig differenziert, aber mit guter und belebender Wirkung. Teresa Kronthaler blieb als Isoletta gesanglich etwas eindimensional, was zum Teil der Partie geschuldet ist, zum Teil ihrem farblich nicht sehr reichhaltig ausstaffierten Mezzo, der an diesem Abend in der Höhe etwas eng klang. Stefan Cerny wiederholte seine gute Leistung von der Premiere.

Paolo Arrivabeni sorgte an diesem Abend für eine griffigere musikalische Begleitung und das tat der Aufführung und dem Werk recht gut (ganz im Gegensatz zur Premiere, die insgesamt einen etwas zähen Eindruck hinterlassen hatte). So wurde letztlich bewiesen, dass die „Straniera“ – abseits aller Stilfragen – auf der Bühne durchaus überzeugen kann, und das war vielleicht die überraschendste Erkenntnis dieses Abends.