LA SONNAMBULA
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Wiener Staatsoper
14.4.2010

Musikalische Leitung: Marco Armiliato

Graf Rodolfo - Michele Pertusi
Teresa - Janina Baechle
Amina - Natalie Dessay
Elvino - Juan Diego Flórez
Lisa - Teodora Gheorghiu
Alessio - Tae Joong Yang
Ein Notar - Martin Müller

„Romantische Seelenregungen
(Dominik Troger)

Vor der Vorstellung machte die krankheitsbedingte Absage von Anna Netrebko für die kommenden drei „Puritaner“-Vorstellungen die Runde – dann durfte man sich ungehemmtem Belcanto-Genuss hingeben – zumindest teilweise.

Mit ihrer schauspielerischen Begabung holt Natalie Dessay aus der Amina Facetten fast kindlicher Rührung, zaubert ein schüchternes, verträumtes Mädchen auf die Bühne, das in großer Naivität unerschütterlich an ihrer großen Liebe festhält. Sie wirkt dabei fast ein wenig melancholisch, romantisch verschlossen. Auch die Nachtwandlerszenen haben bei ihr nichts künstliches, sondern es spiegelt in ihren Bewegungen und in ihrer Mimik eine zarte und verletzliche Seele. Ihr Gesang suchte ein meditatives Bellini-Erlauschen, das - wenn geboten - von leidenschaftlichen Ausbrüchen durchbrochen wurde. Mit dem Elvino von Juan Diego Flórez ging das emotional wunderbar zusammen, der ebenso die Schaukel der Leidenschaften schwang, zwischen zärtlichem Piano und den immer lyrisch fundierten Vulkanausbrüchen seiner Eifersucht.

Leider befand sich Dessay stimmlich offenbar nicht in Bestform, schon in der Auftrittskavatine kam mir die Stimme angespannt vor und entbehrte jener Lockerheit, die das belcanteste Element mit einem virtuosen Sprühregen an Verzierungen umrankt wie ein Feuerwerk. Das ging auch ein wenig auf Kosten der Perfektion, mal ein rauher Tonansatz, mal eine sehr forciert klingende Höhe, zu schwergängiges Koloraturenwerk, ein in der Mittellage karg erklingendes Timbre – vor allem im anspruchsvollen Finale sollte man als Zuhörer nicht so deutlich hören, wie schwer das zu singen ist. Der stimmige Gesamteindruck wurde dadurch getrübt und erfüllte einen mehr mit Sorge als mit Enthusiasmus. Möge der starke Beifall des Publikums das Gegenteil vom dem hier beschriebenen bezeugt haben.

Juan Diego Flórez schwebt als Elvino sängerisch in derzeit unerreichbaren „Höhen“, sein jugendliches Aussehen paart sich mit seinem lyrischen, Bellini virtuos in jede Notenregung folgenden Tenor zu einem süperben Gesamteindruck. Die geschmeidige Stimme dürfte eine Spur an Fülle gewonnen haben, zumindest scheint sich mir in den dramatischeren Momenten eine leicht metallische Färbung hinzugesellt zu haben, die dem jugendlichen Elvino jetzt auch eine virilere Nuance abgewinnt.

Michele Pertusi ist als Graf nach wie vor eine ausgezeichnete Besetzung. Er bringt genug stimmliche Feinheit und Weichheit für Bellinis sensible Seelenregungen mit, zugleich kann man an ihm auch ein aufklärerisches Element entdecken, das den Aberglauben der Landbevölkerung in eine humanere Richtung lenkt. Die Inszenierung ebnet allerdings gerade diese Gegensätze völlig ein und ist nicht dazu angetan, das Verständnis für das Werk besonders zu fördern – wenigstens sind die Bühne und Kostüme ansehnlich.

Teodora Gheorghiu gab ein solides Debüt als Lisa, Tae Joong Yang als Alessio. In solchen kleineren Partien ist der junge koreanische Bariton derzeit wohl besser aufgehoben und kann das Ensemble qualitätsvoll abrunden. Janina Baechle kümmerte sich mütterlich um ihre Pflegetochter.

Das Orchester unter Marco Armiliato ließ den Sängern Raum, was sich ein wenig dämpfend auf die dramatische Spannung auswirkte. Dafür durfte man sich so richtig im Bellin’schen Schwelgen üben. Jedenfalls klingt das Orchester unter Armiliato nie nach Pflichtübung – was gerade im Belcanto-Repertoire viel zu oft der Fall ist.

Das Publikum war applausfreudig: langer Szenenapplaus für Flórez im zweiten Akt, und viel Jubel für das Liebespaar am Schluss, ein Blumenstrauß für Flórez.