LA SONNAMBULA
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Bellini-Portal

Wiener Staatsoper
19.11.2006

Musikalische Leitung: Pier Luigi Morandi

Graf Rodolfo - Michele Pertusi
Teresa - Janina Baechle
Amina - Anna Netrebko
Elvino - Antonino Siragusa
Lisa - Simina Ivan
Alessio - Marcus Pelz
Ein Notar - Johann Reinprecht

„Zielsprint
(Dominik Troger)

Anna Netrebko als romantische, zartbesaitete Schlafwandlerin an der Staatsoper: die Rolle passte zu ihrem Temperament genauso zwiespältig wie die Blond-Haar-Perücke zu ihrem Aussehen. Erst bei den feurigen „Schluss-Gstanzln“ erglühten die Herzen des Wiener Publikums.

Natürlich war an diesem Sonntagabend viel los in der Staatsoper – aber eine ganze Vorstellung lang hielt sich die Publikumserregung doch in Grenzen. Erst am Schluss gab es für Netrebko die erwarteten Ovationen. Die Rolle der „Sonnambula“ ist ihr nicht „in die Seele“ geschrieben, ihr erotisches, mehr gesättigt klingendes Timbre verträgt sich nach meinem Geschmack nicht symbiotisch mit dem naiven Charakter der schlafwandelnden, zartbesaiteten Amina. Netrebkos „Stimme“ weiß zu viel vom Leben und muss sich beständig eine gefühlsmäßige Selbstbeschränkung auferlegen. Daraus erwächst ein Gegensatz, der zur Nachtwandlerinnen-Romantik des Bellini’schen Schöngesangs in erdenschwerer Konkurrenz steht.

Trotz des Versuches, der Stimme durch farbliches Abschattieren eine „romantische“ Dimension abzugewinnen hebt ihre Amina nicht ab ins luzide Traumland der einzigen, wahren Liebe. Deutlich wurde das – paradoxer Weise – bei den freudigen Schlusskoloraturen, wo sie plötzlich emotional befreit, das Publikum sofort mitreißen konnte. Dabei ist sie kein „genuiner“ Koloratursopran, ein bisschen schwerfällig klingt das nach wie vor, ein wenig nach „Grenzen ausloten“ – aber es gab keinen Zweifel am prächtigen Resultat und endlich durfte, rollenbedingt, ihre künstlerische Energie wieder fluten und mit diesem auf den Punkt gebrachten Enthusiamus versetzte sie die Zuhörerschaft sofort in vibrierende Spannung.

Zu berücksichtigen ist auch, dass ihr Bühnenpartner, Antonino Siragusa, nur bedingt den Schmelz der ersten großen Liebe und die Trauer und die Wut der erster Eifersucht vermittelte. Sein Tenor besitzt zwar eine feinsinnige Stilsicherheit und den meist belohnten Mut, Bellini'sche Höhen nicht zu scheuen, aber sein markantes Timbre kommt in der Opera buffa trotzdem deutlich besser zur Geltung (wie er zum Beispiel im „Barbier“ als Almaviva schon bewiesen hat). Das Feeling zwischen Elvino und Amina wirkte dementsprechend mehr berufsmäßig.

Michele Pertusi steuerte einen weichgestimmten Rodolfo bei, schön gesungen, mit klarer Diktion, aber als Bühnenerscheinung doch etwas blass. Simina Ivan sang wieder die Lisa, die Partie ist schwierig und man kann damit schwer reüssieren. Janina Baechle war eine bestimmende Teresa. Wenig Antrieb kam aus dem Orchestergraben, aber das Werk macht es auch nicht einfach. Ein paar Höhepunkte, einige Leerläufe, dazu diese etwas seltsame Regieidee mit dem Sanatorium...

Das Publikum feierte Netrebko und das Ensemble dann doch noch gebührend.