LA SONNAMBULA
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Bellini-Portal

Wiener Staatsoper
9.10.2003

Musikalische Leitung: Stefano Ranzani

Graf Rodolfo - Egils Silins
Teresa - Mihaela Ungureanu
Amina - L'ubica Vargicova
Elvino - Joseph Calleja
Lisa - Simina Ivan
Alessio - In-Sung-Sim
Ein Notar - Roland Winkler

"Vielversprechend"
(Dominik Troger)

Seltsame Assoziationen: eine Sopranistin und ein Tenor, die mich an US-Werbeplakate der 50er Jahre erinnern, deren Stimmen mir ein Dejavu-Erlebnis herbeizaubern, das den Rillen alter Schellack-Platten entsprungen sein könnte...

Vielleicht war es aber auch nur dieser nasale Hauch, der den lyrisch-kräftigen Tenor von Joseph Calleja timbrierte, wie dieser eigene Duft, der aus Zigarrenkisten strömt. Er verlieh dem Sänger, Jahrgang1978 (!) eine besondere, individuelle, irgendwie angenehm altmodische Note, die sich mit gekonnten Phrasierungen zu einem würzigen Aroma zusammenfand. Er weiß die zarten Passagen einfühlsam zu singen, geht aber insgesamt direkter an die Sache heran, als beispielsweise Juan Diego Florez (mit dessen Noblesse und ausgefeiltem Stil ich Calleja nicht messen möchte, da täte ich ihm unrecht). Außerdem hört man schon jetzt, dass sich in Callejas Brustkorb mehr verbirgt, als eine rein lyrische Seele. Eine starke Vorstellung des jungen Sängers aus Malta.

Auch L’ubica Vargicova besitzt eine Stimme, deren Fundament sich nicht schon im rein lyrischen erschöpft und die in der Mittellage angenehm und ohne Forcierung trägt. Die Höhen sind vorhanden, die Koloraturen werden schön herausgeformt, auch hier sitzt die Basis auf wohlerarbeiteten Pfeilern. Das Schluss-Furioso der Amina war für sie kein Problem. Dabei springt der Ton in der Höhe klar und rein an, aber noch eindeutig in mehr lyrischer als dramatischer Ausformung. Wenn man einen direkten Vergleich mit Stefania Bonfadelli wagt, dann hat Bonfadelli die einschmeichelndere Stimme, agiert sie einnehmender auf der Bühne, dann wirkt Vargicova zurückhaltender, auch im Spiel. Bonfadelli verströmt eine gewisse Laszivität, Vargicova ist dagegen mehr ein schüchternes, naives Mädchen (und weil mich ihr Aussehen irgendwie an Readers Digest-Illustrationen von anno dazumal erinnerte, kann man meine Einleitungssätze jetzt vielleicht noch besser verstehen). Was die Gesangstechnik und Höhen betrifft, macht Vargicova einen überzeugenden Eindruck (was ich bei Bonfadelli nicht in so ausgeprägter Erinnerung habe).

Ohne diese beiden sängerischen Highlights wäre der Abend freilich in tiefste Schläfrigkeit verfallen, aus dem einen nur dann und wann die unangenehm scharfklingenden Höhen von Simina Ivan geweckt hätten. Hier ist seit der Premiere leider keine Verbesserung eingetreten. Auch Egils Silins gewann dem Grafen Rodolfo mit schönem, aber farblosem Vortrag keine neuen Akzente ab (Stefano Ranzani im Orchester sowieso nicht).

Was noch auffiel:
dass das Publikum den „besonderen“ Gag des Regisseurs, der vor der Schlussarie Aminas den Vorhang zugehen lässt (sie kommt heraus und beginnt die Arie vor dem Vorhang, der sich dann wieder öffnet zum Schlusstableau) nicht als solchen versteht, sondern meint, die Aufführung sei schon zu Ende und zu applaudieren beginnt;
und dass die Idee, den am Anfang des ersten Aktes zum Mahle versammelten Chor an Gläsern und Tellern mit dem Besteck den Takt schlagen zu lassen, diesmal zu teilweise inferioren Ergebnissen geführt hat.