I PURITANI
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Wiener Staatsoper
20. Mai 2022
2. Juni 2022

Dirigent: Francesco Lanzilotta

 

Lord Gualtiero Valton - Ilja Kazakov
Sir Giorgio - Roberto Tagliavini
Lord Arturo Talbo - John Osborn
Sir Riccardo Forth - Adam Plachetka
Sir Bruno Roberton - Carlos Osuna
Enriquetta di Francia - Pretty Yende
Elvira - Margaret Plummer

I puritani nach vier Jahren wieder im Repertoire
(Dominik Troger)

War das eine typische erste Vorstellung? Jede Menge an Rollendebütanten inklusive dem Dirigenten haben Vincenzo Bellinis „I puritani“ zu nicht gerade überschwänglichem Bühnenleben verholfen. Oder ist man keine 24 Stunden nach einer „Götterdämmerung“ noch zu wenig aufnahmefähig für Bellinis zarte Liebesregungen?

Pretty Yende nahm sich der Elvira an, die ihr hörbar besser liegt als die Violetta. Ihr weicher, warmgetönter Sopran hat eine herzliche Ausstrahlung, aber er scheint nicht zum Leiden geboren. Ihre Adina war ein lebenslustiges Schmuckstück und auch ihre Elvira ist zuerst ganz voller Liebe und pirouttendrehendem Glück. Doch der Stimmungsumschwung, nachdem sich Arturo in „politischer Mission“ davongemacht hat, scheint ihr schwer zu fallen. Im Tragischen wird ihr Ausdruck schnell ein wenig einförmig, fehlt der ausdrucksstarke Umgang mit dem Zierrat von Bellinis Melodien. Die Spitzentöne kamen aber sicher, mit hübschem, dunklem Leuchten und versöhnten dann ein wenig mit dem eher unspannenden, manchmal ein wenig unausgewogen präsentierten Wahnsinn.

John Osborne war mir vom Theater an der Wien in besserer Erinnerung. Sein Arturo erstarrte – etwa bei seiner Romanze am Beginn des dritten Aktes – in schläfriger Melancholie. Sein trockenes Tenorschmachten entlockte dem Publikum nur wenig Szenenapplaus. Die Acuti wurden erreicht, klangen aber etwas spröde. Beim berühmten „hohe F“ hat er nicht reüssiert, aber das ist ohnehin eine Sache für sich.

Adam Plachetka ist als Riccardo für Igor Golovatenko eingesprungen, hat die Partie bereits vor vier Jahren an der Staatsoper gesungen. Sein Bassbariton ist nach meinem Eindruck noch rauhbeiniger geworden, was den Genuss Bellnischer Kantilenen eher reduziert. Aber in der Höhe hat die Stimme Kraft und er schmetterte zusammen mit Roberto Tagliavini (Giorgio) ein griffiges „Suoni la tromba“. Tagliavinis Bass besitzt außerdem jene weiche Abrundung, die Plachetka abgeht. Die übrige Besetzung war dem Abend zumindest nicht abträglich. Bis auf Adam Plachetka und Carlos Osuna feierten alle Mitwirkenden Rollendebüt an der Staatsoper.

Mit Francesco Lanzilotta debütierte am Haus ein neuer Dirigent. Nach einer eher dem Orchester geschuldeten Eingewöhnungsphase versuchte er den Abend straff an sich zu ziehen. Bei abgespeckten Streichern und betonter Rhymthmik kam die Bellinische Melodie aber nicht wirklich zum Schwelgen und vieles geriet mir zu spannungslos.

Die Inszenierung von John Dew stammt aus dem Jahr 1994 und ist schon damals nicht sehr gut angekommen: Es ist dunkel auf der Bühne, der Chor steht herum und an das finale Glück von Elvira und Arturo glaubt sie auch nicht. Doch dass sich der Besetzungszettel von der Premiere inzwischen fast wie ein Nekrolog liest, stimmt nachdenklich. Der starke Schlussapplaus dauerte rund fünf oder sechs Minuten lang.

Anmerkungen zur Aufführung am 2. Juni: Also doch noch einmal „I puritani“. Nach dem wenig begeisternden Eindruck, den die erste Vorstellung der laufenden Serie am 20. Mai hinterlassen hat, wollte ich mein Missbehagen nicht einfach so im Raum stehen lassen. Und siehe da, die Aufführung hatte mehr Schwung und wirkte insgesamt „kompakter“. Die Besetzung war mit der ersten Vorstellung ident.

John Osborne konnte an diesem Abend zeigen, dass der gute Eindruck von seinem Rossini-Otello und „Guillaume Tell“-Arnold im Theater an der Wien kein Irrtum gewesen ist. Er verfügt nach wie vor über sichere Spitzentöne, sang ein differenziertes „A te, o cara“ und später ein kopfstimmig gerundetes, kräftiges „hohes F“. Osbornes Mittellage kommt in der Staatsoper nicht so recht zum Tragen. Während sich in der Höhe ein leichtes Squillo hinzugesellt, klingt diese spröde und verhindert aufblühendes Kantilenenschmachten.

Pretty Yende sang wieder eine hübsche Elvira, die sich allerdings den ganzen Abend über gesanglich zu ähnlich blieb. Man würde sich öfters wünschen, dass die Sängerin jetzt noch Reserven locker macht, um mit spielerischer Virtuosität den Bühnencharakter zu vertiefen. Aber das wichtigste ist wahrscheinlich: Yende erreicht mit ihrer Stimme und ihrem Spiel das Publikum, sie vermittelt ihm emotionale Wärme, und sie bettet die Hoffnung auf die einzige wahre Liebe gesanglich auf ein weiches, mit sanften Trillern aufgeschütteltes Ruhekissen. Und das verleiht ihren Auftritten viel Charme und gewinnt viele Sympathien.

Bei den übrigen Mitwirkenden haben sich georteten Tendenzen der ersten Aufführung eher verstärkt, was nicht immer zum Besseren ausgeschlagen hat. Adam Plachetkas rauer Bariton ließ ein starkes, metallisch unterlegtes Vibrato hören. Nur mit kräftigen, gut platzierten Spitzentönen zu punkten, ist in Summe ein bisschen wenig, um einen mit diesem rüde klingenden „Belcanto“ zu versöhnen. Insofern hat man sich lieber an Roberto Tagliavini gehalten und seinen weicher timbrierten Sir Giorgio, der es verstand, sich ansprechend in die Bellinische Kantilene zu schmiegen. Nur in der Tiefe ist sein Bass noch nicht so raumfüllend ausgestattet wie erhofft. Und das Orchester unter Francesco Lanzilotta war auch mehr bei der Sache als vor zwei Wochen.

Die Staatsoper war – bis auf wenig attraktive Randplätze – sehr gut besucht. Der Stehplatz war allerdings sehr schlecht besucht. Beim Schlussaplaus hörte man auf der Galerie zwei, drei Buhrufe, die Osborne zum Ziel hatten. Ansonsten gab es viel Beifall und auch Bravorufe.