NORMA
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Staatsoper
26.5.2025

Musikalische Leitung: Antonino Fogliani

Norma - Lidia Fridman
Pollione - Freddie de Tommaso
Oroveso - Ildebrando D’Arcangelo
Adalgisa - Vasilisa Berzhanskaya
Clotilde - Anna Bondarenko
Flavio - Hiroshi Amako


Neue Norma“
(Dominik Troger)

Während über Wien ein Wolkenbruch niederging, entlud sich in der Staatsoper das Gefühlsgewitter zwischen Norma, Pollione und Adalgisa. Die Seelen der drei rieben sich heftig: ein Abend großer Gefühle und eher unsubtilen Gesangs. Berichtet wird von der letzten Vorstellung der aktuellen Aufführungsserie.

Vincenzo Bellinis „Norma“ hat in dieser Wiener Opernsaison ein kräftiges Lebenszeichen von sich gegeben: zwei szenische Produktionen boten Vergleichsmöglichkeiten. Die Produktion des Theaters an der Wien ist inzwischen nach Berlin weitergewandert, die Staatsoper hat das Werk nach der Premiere im Februar jetzt noch einmal in den Spielplan aufgenommen. Bis auf die Norma und Pollione waren alle maßgeblichen Rollen premierenbesetzt, wobei Freddie de Tommaso als Einspringer für Juan Diego Floréz die Partie bereits einmal in der Premierenserie verkörpert hat.

Wirklich neu war also „nur“ die Norma: die junge russische Sopranistin Lidia Fridman feierte ihr Hausdebüt in der Titelpartie. Laut der englischen Wikipedia ist Fridman noch keine dreißig Jahre alt und hat 2019 debütiert. Ihr Repertoire spannt sich von der Donna Elvira über die Salome bis zur „Wozzeck“-Marie, die Lady Macbeth und Abigaille  finden sich ebenso darunter wie die Amelia oder zuletzt die Anna Bolena im Teatro La Fenice.

Diese Durchmischung verblüfft – und nach den ersten Norma-Tönen der schlanken, hochgewachsenen Sängerin ist man noch mehr überrascht: eine dunkle, mezzoartige Stimme tönt durchs Auditorium, vibratolastig, und in eine etwas harsche Metallfolie gepackt. Diese Norma weiß zu kämpfen, denkt man sich, und bei den ihr von Bellini vorgegebenen Spitzentönen mischt sich Mezzotimbre mit Sopranverve – und ergibt eine eigenartige Mischung.  

Für das sensible, silbrige Schimmern des „Casta Diva“ war das keine ideale Voraussetzung, aber das ist natürlich nur eine Teilmenge dieser gallisch-römischen Beziehungskiste. Fridmans gesangliche Stärken lagen trotz des vorhandenen Gestaltungswillens ohnehin nicht in der sinnlich-poetischen Erfassung von Normas Emotionen, sondern in einer etwas ungeschlachten Expressivität gleichsam als „Surrogat“ für Normas durchgebeutelten Gefühlshaushalt.

Bei einem Vergleich der Normas – Asmik Grigorian (Theater an der Wien) und Federica Lombardi (Staatsoper) – spielt Fridman in der
Außenseiterrolle: Sie besitzt weder die schauspielerische Präsenz und  das veristische Kalkül Grigorians noch bietet sie eine weichere Ausformung der Bellinischen Romantik wie Federica Lombardi. Ihre Norma ist zwar charakterstark, wirkt gesanglich aber mehr wie eine Naturgewalt: die Stimme guttural unterlegt und (zu) unausgegoren – und wie es um die Nachhaltigkeit dieser Blitzkarriere wirklich bestellt ist, werden die nächsten Jahre zeigen.

Freddie de Tommaso passte zu  Normas Expressivität, selbst kein Stilist, sondern sich mit Kraft durch die Partie „powernd“. In der  Kavatine war es schon zu viel des Guten, es besserte sich. Leider blieb sein Tenor in der Höhe etwas baritonal „gedeckt“ und derart fehlte der Dauerattacke die Würze. Die Mittellage besitzt ausreichend Virilität, wenn auch keinen „Schönklang“: ein Rollenporträt, das keinen Enthusiasmus weckt, aber seinen Platz behauptet.

Vasilisa Berzhanskaya hat stilistisch von den Genannten am besten bei Bellini „angedockt“. Sie ist dem Publikum zwar immer noch als Angelina und Rosina in Erinnerung, aber die dort geübte stimmliche Flexibilität und Präzision ist von Vorteil. Allerdings ist ihr Mezzo nicht so saftig timbriert, dass das Schicksal der jungen Novizin in Liebe und Leid so richtig aufblühen würde, was Adalgisa ein wenig an Mitgefühl kostet. Ildebrando D'Arcangelo wurde vor der Vorstellung angesagt. Vielleicht klang seine Stimme  etwas rauer als gewohnt?

Das Staatsopernorchester war stellenweise etwas langsam unterwegs, wurde von Antonino Fogliani aber zweckmäßig geführt. Die feine Poesie Bellinischer Romantik, in der die Premierenserie geschwelgt hat, ist einem kapellmeisterlichen Pragmatismus gewichen, gegen den man im Repertoire schwer etwas einwenden kann. Auch die Inszenierung von Cyril Teste hat den Sprung ins Repertoire geschafft. Sie rückt zwar die Kinder Normas (eigentlich zwei Söhne, hier Tochter und Sohn) durch großflächige Videoeinspielungen über Gebühr ins Zentrum, stört aber ansonsten nicht. Vor allem macht sie aus der „Norma“ keine „Opera buffa“. Muss man als Publikum heutzutage nicht auf alles gefasst sein?

Der Schlussbeifall  war nach fünf Minuten vorbei. Vor allem für Norma, Adalgisa und Pollione gab es viel Applaus und Bravorufe.