NORMA
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Staatsoper
9.3.2025

Musikalische Leitung: Michele Mariotti

Norma - Federica Lombardi
Pollione - Juan Diego Flórez
Oroveso - Ildebrando D’Arcangelo
Adalgisa - Vasilisa Berzhanskaya
Clotilde - Anna Bondarenko
Flavio - Hiroshi Amako


Norma – eine kurze Nachbetrachtung“
(Dominik Troger)

Die beiden „Norma“-Produktionen im Theater an der Wien und an der Staatsoper haben für Diskussionen gesorgt. Die Aufführungsserie im Theater an der Wien ist inzwischen beendet. An der Staatsoper folgen bis kommenden Sonntag noch zwei weitere Vorstellungen.

Die Reaktionen sind zum Teil sehr unterschiedlich ausgefallen, die szenisch bis in kleinste Details durchgearbeitete Produktion im Theater an der Wien hat allerdings viele überzeugte „Fürsprecher“ gefunden. Die Staatsopern-„Norma“ hatte dagegen, zumindest in der veröffentlichten Meinung, einen eher schwereren Stand.

Wie auch immer man das „Ergebnis“ selbst beurteilt, an diesem Meinungswettstreit  lässt sich der hohe Stellenwert ablesen, den Bellinis Oper nach wie vor besitzt – und dass es längst an der Zeit war, dem Wiener Publikum das Werk
wieder in einer szenischen Produktion zugängig zu machen. Dass es dann gleich zwei Premieren innerhalb von nur einer Woche geworden sind, wird schon jetzt als nette Pointe der Wiener Opernhistorie bezeichnet werden dürfen. Die Produktion des Theaters an der Wien wandert demnächst nach Berlin weiter, die Staatsopern-„Norma“ wird bereits im Mai in einer weiteren  Aufführungsserie gegeben, allerdings in neuer Besetzung.

Zur laufenden Premierenserie an der Staatsopern lässt sich anmerken, dass Juan Diego Flórez nach zwei krankheitsbedingten Absagen wieder in die Produktion eingestiegen ist. (Für die zweite Vorstellung war sogar Freddie De Tommaso vom Theater an der Wien als Einspringer „ausgeborgt“ worden, in der dritten Vorstellung ist Dmytro Popov als Pollione angetreten.) Das Engagement von Flórez als Pollione ist in den Premierenbesprechungen zum Teil kritisch gesehen worden, wobei
es sich letztlich auch um ein Frage von rollentypischen Erwartungshaltungen handelt. Dass ihm die Größe des Hauses in dieser Partie einiges von seiner unmittebaren Bühnenwirkung abzieht, wird schwer zu ändern sein. Aber auch wenn andere Sänger hier von Natur aus kräftigere Stimmen ins Feld führen, ob die dann auch so stilgerecht singen wie er, steht auf einem anderen Blatt.

An diesem Abend sang
Flórez mit viel Engagement und verströmte seinen tenoralen Charme mit Genuss. Das „Meco all’altar di Venere“ setzte dem Abend zwar noch nicht das große Glanzlicht auf, aber Floréz überzeugte in Folge mit ausgefeiltem Gesang und einigen würzenden Acuti. Vieles gelang im Vergleich mit der Premiere mitreißender, schon das Duett Polliones mit Adalgisa war von mehr Spannung getragen. Vasilisa Berzhanskaya schien mir auch ausgewogener disponiert, in den Spitzentönen mehr kontrolliert, im feineren Ausformulieren belcantesker Regungen ohnehin gut zu Flórez passend.

Federica Lombardi
verlieh Norma menschliche Nähe und Wärme, ausreichend garniert mit gesanglichem „Zierrat“. In dramatischen Passagen bestand nach wie vor eine Tendenz zum Focieren, worunter so mancher Spitzenton zu leiden hatte. Im Vergleich zur Premiere hat Lombardi auch stärker zu dieser tragischen Größe gefunden, die Norma umgibt, zum Beispiel am Beginn des zweiten Aktes oder im  beeindruckenden Finale – einem Finale, in dem das Orchester unter Michele Mariotti die emotionalen Steigerungen aus Bellinis musikalischem Seelenraum hat herauswachsen lassen wie eine langsam sich verstärkende
Meditation über Normas Liebe und Normas Schmerz.

Inszenatorisch setzt die Staatsoper mit dieser „Norma“ kaum Akzente
– aber dafür ist man eigentlich sehr dankbar. Im Theater an der Wien war das Ensemble  hingegen hysterischen Verismo-Attacken oder anderen regiebedingten Unbillen ausgeliefert, hinter denen Bellinis Oper nur mehr schemenhaft zu erkennen war. Natürlich könnte man sich in der Farbgebung geschmackvollere Kostüme wünschen, als die Nationaltrachten dieser Partisanen in der Staatsopern-Inszenierung, aber ich hatte bis auf das Finale mit dem Benzinkanister nie den Eindruck, dass die sich Regie über die eigentliche Geschichte hinwegsetzt.

Und natürlich braucht es dazu auch
so wie in dieser Premierenserie das passende Dirigat, das Bellinis Seelenraum aufspannen kann, dieses dahinfließende Liebes- und Leidgebilde einer Wirklichkeit, die vordergründig dekorativ, gleichsam nach innen wächst, um sich dann schmerzvoll aufzufalten wie eine erste Ahnung Tristanscher Sehnsucht. Aber Normas Opfer ist weder weltverneindend noch Ausdruck einer geistigen Verwirrtheit, und es handelt sich auch um keinen „Suizid“. Ihr erkenntnisreicher Sühnetod – wenn man es so nennen darf – stellt sich dem säkularen Liebes-Individualismus eines imperialen „Römertums“ entgegen, das von einer noch archaisch geprägten Gesellschaft Besitz ergriffen hat. Norma handelt in diesem Sinne restaurativ oder allgemeiner formuliert: In Normas Schicksal siegt noch einmal die „Romantik“ über die „Aufklärung“ – auch wenn dieser Sieg teuer erkauft ist.

Fazit: Starker Schlussapplaus.