„Norma
– eine kurze Nachbetrachtung“
(Dominik Troger)
Die
beiden „Norma“-Produktionen im Theater an der Wien und an der
Staatsoper haben für Diskussionen gesorgt. Die Aufführungsserie im
Theater an der Wien ist inzwischen beendet. An der Staatsoper folgen
bis kommenden Sonntag noch zwei weitere Vorstellungen.
Die
Reaktionen sind zum Teil sehr unterschiedlich ausgefallen, die
szenisch bis in kleinste Details durchgearbeitete Produktion im Theater
an der Wien hat allerdings viele überzeugte „Fürsprecher“ gefunden. Die
Staatsopern-„Norma“ hatte dagegen, zumindest in der veröffentlichten
Meinung, einen eher schwereren Stand.
Wie auch immer man das „Ergebnis“ selbst beurteilt, an diesem
Meinungswettstreit lässt sich der hohe Stellenwert ablesen, den
Bellinis Oper nach wie vor besitzt – und dass es längst an der Zeit
war, dem Wiener Publikum das Werk
wieder in einer szenischen Produktion zugängig zu machen. Dass es dann
gleich zwei Premieren innerhalb von nur einer Woche geworden sind, wird
schon jetzt als nette Pointe der Wiener Opernhistorie bezeichnet werden
dürfen. Die Produktion des Theaters an der Wien wandert demnächst nach
Berlin weiter, die Staatsopern-„Norma“ wird bereits im Mai in einer
weiteren Aufführungsserie gegeben, allerdings in neuer Besetzung.
Zur laufenden Premierenserie an der Staatsopern lässt sich anmerken, dass Juan Diego Flórez
nach zwei krankheitsbedingten Absagen wieder in die Produktion
eingestiegen ist. (Für die zweite Vorstellung war sogar Freddie De
Tommaso vom Theater an der Wien als Einspringer „ausgeborgt“ worden, in
der dritten Vorstellung ist Dmytro Popov als Pollione angetreten.) Das
Engagement von Flórez als Pollione ist in den Premierenbesprechungen
zum Teil kritisch gesehen worden, wobei
es sich letztlich auch
um ein Frage von rollentypischen Erwartungshaltungen handelt. Dass ihm
die Größe des Hauses in dieser Partie einiges von seiner unmittebaren
Bühnenwirkung abzieht, wird schwer zu ändern sein. Aber auch wenn
andere Sänger hier von Natur aus kräftigere Stimmen ins Feld führen,
ob die dann auch so stilgerecht singen wie er, steht auf einem anderen
Blatt.
An diesem Abend sang Flórez mit viel Engagement und verströmte
seinen tenoralen Charme mit Genuss. Das „Meco all’altar di Venere“
setzte dem Abend zwar noch nicht das große Glanzlicht auf, aber Floréz
überzeugte in Folge mit ausgefeiltem Gesang und einigen würzenden
Acuti. Vieles gelang im Vergleich mit der Premiere mitreißender,
schon das Duett Polliones mit Adalgisa war von mehr Spannung getragen. Vasilisa Berzhanskaya schien
mir auch ausgewogener disponiert, in den Spitzentönen mehr
kontrolliert, im feineren Ausformulieren belcantesker Regungen ohnehin
gut zu Flórez passend.
Federica Lombardi
verlieh Norma menschliche Nähe und Wärme,
ausreichend garniert mit gesanglichem „Zierrat“. In dramatischen
Passagen bestand nach wie vor eine Tendenz zum Focieren, worunter so
mancher
Spitzenton zu leiden hatte. Im Vergleich zur Premiere hat Lombardi auch
stärker zu dieser tragischen Größe gefunden, die Norma umgibt, zum
Beispiel am Beginn des zweiten Aktes oder im beeindruckenden
Finale – einem Finale, in dem das Orchester
unter Michele Mariotti die
emotionalen Steigerungen aus Bellinis musikalischem Seelenraum hat
herauswachsen lassen wie eine langsam sich verstärkende „Meditation“ über
Normas Liebe und Normas Schmerz.
Inszenatorisch setzt die Staatsoper mit dieser „Norma“ kaum Akzente – aber dafür ist man eigentlich sehr dankbar. Im Theater an der Wien war das Ensemble hingegen hysterischen „Verismo-Attacken“ oder anderen regiebedingten Unbillen
ausgeliefert,
hinter denen Bellinis Oper nur mehr schemenhaft zu erkennen war. Natürlich könnte man sich in der Farbgebung geschmackvollere Kostüme
wünschen, als die Nationaltrachten dieser „Partisanen“ in der Staatsopern-Inszenierung, aber ich hatte bis auf das Finale mit dem
Benzinkanister nie den Eindruck, dass die sich Regie über die
eigentliche Geschichte hinwegsetzt.
Und natürlich braucht es dazu auch – so wie in dieser
Premierenserie – das passende Dirigat, das Bellinis Seelenraum aufspannen kann, dieses
dahinfließende Liebes- und Leidgebilde einer Wirklichkeit, die
vordergründig dekorativ, gleichsam nach innen wächst, um sich dann
schmerzvoll aufzufalten wie eine erste Ahnung „Tristanscher Sehnsucht“.
Aber Normas Opfer ist weder weltverneindend noch Ausdruck einer geistigen
Verwirrtheit, und es handelt sich auch um keinen „Suizid“. Ihr
erkenntnisreicher Sühnetod – wenn man es so nennen darf – stellt sich
dem säkularen Liebes-Individualismus eines imperialen „Römertums“
entgegen, das von einer noch archaisch geprägten Gesellschaft Besitz
ergriffen hat. Norma handelt in diesem Sinne „restaurativ“
oder allgemeiner formuliert: In Normas Schicksal siegt noch einmal die
„Romantik“ über die „Aufklärung“ – auch wenn dieser Sieg teuer erkauft
ist.
Fazit: Starker Schlussapplaus.
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