NORMA
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Premiere
Staatsoper
22.2.2025

Musikalische Leitung: Michele Mariotti

Inszenierung: Cyril Teste
Bühne: Valérie Grall
Kostüme: Marie La Rocca
Video: Mehdi Toutain-Lopez, Nicolas Doremus
Licht: Julien Boizard
Choreographie: Magdalena Chowaniec

Norma - Federica Lombardi
Pollione - Juan Diego Flórez
Oroveso - Ildebrando D’Arcangelo
Adalgisa - Vasilisa Berzhanskaya
Clotilde - Anna Bondarenko
Flavio - Hiroshi Amako



Norma gegen Norma: ein Unentschieden
(Dominik Troger)

„Norma“-Premiere im Theater an der Wien, „Norma“-Premiere an der Wiener Staatsoper: Die erste Frage bei diesem „Duell“ wird die nach dem Gewinner sein – aber es gibt keinen Gewinner. Jede Produktion hat ihre Stärken und Schwächen. Fast würde es einen danach gelüsten, eine „Mischfassung“ aus beiden Produktionen zu erstellen.

Nach der dramatisch zugespitzten „Dezibelattacke“ auf die Zuschauerohren im Theater an der Wien kommen an der Staatsoper die Genießer zu ihrem Recht. Das Orchester unter Michele Mariotti verbreitete angenehmen Wohlklang, ein Kammerkonzert, ein mediterranes Meereswogen, dessen Wellen sanft in scheinbar endloser romantischer Melodie dahinschaukeln, ehe sie sich wieder leidenschaftlicher kräuseln, von Celli, von Kontrabässen kurz aufgewühlt. Die Holzbläser setzen dann die Lichtspritzer in die feine Gischt von Bellinis Emotionen. Nur wenn es „hart auf hart“ geht, wenn etwa der Krieg droht, dann braust es lauter, dann bäumte sich dieses Meer kurz auf zum unvermeidlichen Sturm.

Schon im Pausenfoyer gab es zu dieser mit seidigem Wohlklang durchgestalteten Bellini-Exegese zwei Meinungen: die einen erfreuten sich an der dezenten, geschmackvollen Klangsprache, anderen war es viel zu wenig „dramatisch“, um nicht zu schreiben: „zu langweilig“. Zugegeben – Mariottis Tempowahl war „getragen“, wobei auch die Rücksichtnahme auf die etwas „unterbesetzt“ wirkenden Titelpartien eine Rolle gespielt haben könnte.

Denn so sehr man Juan Diego Flórez und seinen anschmiegsamen Tenor zu schätzen weiß, den nach jungen Novizinnen lüsternen römischen Prokonsul hat man ihm schwerlich abkaufen können. Flórez besitzt eine zu positive Ausstrahlung, sein Tenor ist zu leicht und zu charmant für diesen mit Machtfülle und anzweifelbarer Virilität gesegneten Charakter. Flórez schien es selbst zu ahnen, versuchte, sich stimmlich ein bisschen „breiter“ aufzustellen. Insofern ist die Symbiose zwischen stilistischer „Wahrheit“ und operndramatischem Effekt nicht gelungen. Im Theater an der Wien hat man es sich diesbezüglich leichter gemacht – und hätte man Flórez von dort ein wenig an kräftigem tenoralem „Stehvermögen“ ausleihen können, der Eindruck wäre ein mitreißenderer gewesen.

Nicht ganz so deutlich, aber doch auch ähnlich war der Fall bei der Titelrolle gelagert. Federica Lombardi lieh Norma eine schön timbrierte, aber noch mehr lyrische Sopranstimme. Dank leichter dunkler Beimischung verwöhnte die Mittellage mit romantischem Touch, der für Bellinis Kantilenen auch jene Melancholie bereithielt, die eine sinnliche Qualität entwickelt – und die sehr gut mit dem Klang des Staatsopernorchesters harmonierte. Asmik Grigorians Sopranmetall hat im Theater an der Wien die Acuti allerdings mit mehr Leuchtkraft und Selbstsicherheit ins Auditorium gefeuert, gestützt auf ihre starke Persönlichkeit und eine psychologisch ausgefeilte „Schauspielregie“. In diesem Fall hätte man also eine Spur mehr Höhenmetall und eine Portion „Selbstdarstellung“ von dort nach hier übertragen müssen, um das passend „Schöne“ mit stärkerer dramatischer Wirkung anzureichern.

Bei Adalgisa hingegen liegt die Sache anders: Aigul Akhmetshina ließ im Thater an der Wien eine frischere, üppigere Mezzostimme erklingen, als Vasilisa Berzhanskaya an der Staatsoper. Mag sein, dass es Akhmetshina im Vergleich ein wenig an Feinschliff ermangelte. Berzhanskayas Mezzo war mir im Timbre Norma aber zu ähnlich, auch bei den nicht mehr so locker ausgesungenen Spitzentönen. Ildebrando D’Arcangelo gab einen soliden Oroveso. Er profitierte davon, dass die Staatsopern-Inszenierung die Figur im Sinne der Handlung einsetzt – und nicht so deplaziert wie im Theater an der Wien. Clotilde und Flavio reüssierten als Stichwortgeber und der Staatsopernchor sorgte fürs wohltönende Volk.

Die Inszenierung von Cyril Teste firmiert unter „belanglos brauchbar”, hält sich aber enger an die Handlung als Vasily Barkhatov im Theater an der Wien. Vor allem wird die Rolle Normas als Priesterin deutlicher herausgearbeitet (auch wenn man nicht wirklich versteht, welches Priesterinnenamt sie im szenischen Kontext einnimmt.). Die meisten Szenen spielten in einer Art von heruntergekommenem Partisanenlager. Warum Partisanen eine Priesterin als „Strategin“ benötigen, blieb allerdings unklar. Das „Casta Diva” wurde als religiös-rituelle Handlung inszeniert, sogar mit hellem „Mondstrahl” in Form einer mehr „abstrahierenden” Projektion im Bühnenhintergrund. Die dazu dargebrachte Choreographie von Priesterinnen (?) war allerdings etwas seltsam anzusehen. Das Lager wurde im Laufe der Vorstellung auch mit einer stimmungsvollen Waldprojektion überblendet und dadurch eine passende Änderung des Handlungschauplatzes simuliert.

Normas Rolle als Priesterin verwässerte im Laufe des Abends ein wenig. Wenn sie im Finale mit einem Treibstoffkanister hantiert, um zur Selbstverbrennung zu schreiten, merkt man wieder, wie sich „zeitgeistige“ Banalität einschleicht. Wenigstens wird Norma nicht von Pollione am Suizid gehindert wie im Theater an der Wien (Pollione wird von den Partisanen arretiert und hat auf seine Hinrichtung offenbar noch etwas zu warten). Die Personenregie war viel weniger ausgefeilt als im Theater an der Wien, sie bestand vor allem aus Standardgesten. Die groß projizierten Live-Video-Einspielungen waren entbehrlich, aber zum Glück dosiert und nicht all zu häufig.

Für die Regie gab es am Schluss ein paar Buhrufe – kein Vergleich zum Missfallen, das andere Staatsopern-Produktionen in jüngerer Vergangenheit ausgelöst haben. Einige Buhrufe galten auch dem Dirigenten und Flórez. Der Schlussapplaus dauerte eine knappe Viertelstunde lang, als Misserfolg würde ich das nicht interpretieren.