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Wiener Staatsoper
Konzertante Aufführung
5.2.2005

Musikalische Leitung: Marcello Viotti

Pollione - Salvatore Licitra
Oroveso - Dan Paul Dumitrescu
Norma - Edita Gruberova
Adalgisa - Nadia Krasteva
Clotilde - Inna Los
Flavio - Marian Talaba

"Norma am Hochseil"
(Dominik Troger)

Der gegenwärtige Reigen konzertanter Opernaufführungen fand an der Staatsoper mit Bellinis „Norma“ seinen krönenden Abschluss. Edita Gruberova schwang sich auf kunstvollen Koloraturgirlanden durch das Trapez italienischer Opernherrlichkeit: eine gallische Priesterin zwischen technischer Akrobatik und ziselierter Emotionalität.

Eigentlich möchte ich jetzt keine Vergleiche anstellen, obwohl sich das schwer wird vermeiden lassen. Die CDs mit der „Norma“ von Maria Callas sind gehegte audiophile Kostbarkeiten. Die Callas war eine „Tragödin“ der Opernbühne; Edita Gruberova ist eine „Königin“ des artifiziellen Soprangesangs. Gehüllt in ein weißes, prachtvolles Kleid mit weißem, pelzbesetztem Umhang bestand sie das Schicksal dieser keltischen Priesterin. Schon beim ersten Auftrifft wurde sie mit Beifall empfangen wie eine Königin – und am Schluss gab es Ovationen. Außerdem lehrte der konzertante Rahmen: RegisseurInnen sind keine unbedingte Voraussetzung für einen gelungenen Opernabend.

Die Frage, die ich mir stellte, lautete: Ob es Edita Gruberova gelingt, sich über den ihr eigenen Manierismus direkt ins Zuhörerherz zu singen, die Tragödie gleichsam vom anderen Ende aufzuzäumen? Ob es ihr gelingt, die Resultate ihrer technischen Kunstfertigkeit mit emotionalen Markern zu besetzen, die sich beispielsweise als zarte, abwärtsperlende Koloratur-Miniaturen in das Mitgefühl für eine Priesterin verwandeln, die aus enttäuschter Liebe ihre Kinder töten möchte und letztlich sich selbst dem Tod übergibt? Dabei musste notwendig das Bild „Normas“ ein anderes sein – und es formte sich aus einer unschuldigen, „vestalischen“ Mädchenhaftigkeit (trotz der geleisteten und empfangenen Liebesschwüre). Edita Gruberova vermittelt keine tragische Schwermut, ihre „Norma“ ringt anders mit dem Schicksal.

Ihrer „Norma“ fehlt diese natürliche Disposition zur Heroine; sie ist verletzbarer, wird auch bei schwierigen Entscheidungen nicht von einem tiefergründigen Pathos getragen. Maria Callas hat die „Norma“ in einem Interview einmal mit einer Löwin verglichen, das ist die Norma „Made by Gruberova“ nicht. Wenn man durch die kunstvolle Verpackung primadonnenhafter Facetten stößt, bleibt ein sehr menschliches Schicksal zurück. Eine Priesterin, der ein römischer Prokonsul zwei Kinder macht und der für sie die große Liebe ist. Man sieht ja am Beispiel Adalgisas, wie so was läuft. Und dann kommt die Enttäuschung, mit Gewissensbissen, und mit der, aus einer hysterisch zugespitzten Extremsituation geborenen Rache. Die großen Gefühle erhabener Tragik lösen sich im Einzelschicksal auf. Das ist nicht minder „faszinierend“. Außerdem muss berücksichtigt werden: Gruberova sang, nach eigenen Worten, die höher notierte Originalversion der Partie. Schon deshalb musste sich der Rollencharakter verändern.

Salvatore Licitra sang einen in der Mittellage kraftvollen, etwas einförmigen, gegen Schluss durchaus mitreißenden Pollione. Sein Manko: eine eher unflexible Stimme mit enger, wenig begeisternder Höhe. Die Überraschung des Abends bot wahrscheinlich Nadja Krasteva als Adalgisa, die – bis auf einige exponierte Stellen – beeindruckend von ihrem leicht dunklen, etwas erdig angehauchten Mezzo Gebrauch machte. Der Oroveso von Dan Paul Dumitrescu erfüllte seinen Zweck, ohne sich besonders in den Vordergrund zu singen.

Marcello Viotti zeigte mit dem Orchester, wie nah für ihn Bellini schon am jungen Verdi liegt. In Anbetracht der neuen Konzertdekoration hätte er vielleicht etwas sensibler mit der Lautstärke umgehen können. Es handelt sich um eine, gleich hinter dem Chor die Bühne abschließende, gewellte Vorhang(?)-Konstruktion. Der Orchestergraben war abgedeckt worden, die SängerInnen waren, nahezu auf selber Höhe vor dem Orchester, praktisch schon im Zuschauerraum postiert. Leider bekommt man in der Staatsoper Bellini oder Donizetti selten in solcher Orchesterqualität serviert, wie an diesem Abend.

Der Beifall war – vor allem was Edita Gruberova betraf – berauschend. Wobei man nicht vergessen sollte: Ein Vierteljahrhundert lang war an der Staatsoper „Norma“ nicht mehr zu hören gewesen! Und noch eine kleiner Schönheitsfehler: Das Programmheft ist für 3,50 Euro Verkaufspreis ziemlich dünn geraten.

„Sie warf Brandfackeln der Begeisterung ins Publikum“ - leitet das Neue Volksblatt (7.2. online) seine Norma-Besprechung ein. Renate Wagner findet Edita Gruberova hätte alle „musikalischen Finessen“der Rolle vermittelt und auch die „Tragödie der verschmähten Frau hinreichend“ gespielt. Das übrige Ensemble hätte solide Leistungen“ geboten.

Die Oberösterreichischen Nachrichten (7.2.) befanden, dass Edita Gruberova eine „Traumbesetzung" sei, denn „sie schaffte viel mehr als nur schön zu singen“, sondern gestaltete die Norma auch „expressiv“. Salvatore Licitra sang den Pollione „wie aus einem Guss“. Nadia Krasteva sang „mit schönem, dunklem Timbre“, war aber stellenweise stimmlich gefordert. Marcello Viotti entlockte dem Orchester den „nötigen Klangschmelz zu Bellinis weiten, ausdrucksstarken Kantilenen“ und brachte auch den Chor gut ins Spiel.

Im Standard (7.2.) meint Peter Vujica, dass für Edita Gruberova die Norma-Handlung nur als „Startrampe zum gewagten Vorstoß in unerschlossene Gefühlsbereiche“ diene, „die sich (wie jede bedeutende und bedeutsam interpretierte Musik) der verbalen Schilderung entziehen.“ Er zollt auch dem restlichen Ensemble, vorrangig Nadia Krasteva, Lob und Einsatzfreude. Auch Viotti hat für ihn dazu beigetragen, dass dieser Abend „außerhalb der Norm zu einer laut bejubelten Norma wurde“.

„Belcanto als Seelendrama“ titelt in der Presse (7.2.) Gerhard Kramer und findet, dass Gruberova der Norma „in hoher Vollkommenheit“ gerecht wird. Er betont die enorme Spannweite „zwischen der dramatischen Kraft der Ausbrüche und der gewohnten Meisterschaft im Ausspinnen zartester, berührendster Pianissimo-Phrasen auch des 'messa di voce'“. Viel Lob gibt es auch für Krasteva, der „es nur noch ein wenig an der nötigen Kraft und in der Höhe fehlt“. Licitra hat sich für ihn zu sehr auf seinen „kraftstrotzenden Tenor“ verlassen. Viotti hat, so seine Meinung, mit „Akribie“ den Orchesterpart ausgefeilt und mit „Elan“ die „dramatische Entwicklung angeheizt“.