FIDELIO

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Staatsoper
26. Dezember 2013

Dirigent: Franz Welser-Möst

Leonore - Anja Kampe
Don Pizarro - Tomasz Konieczny
Florestan - Peter Seiffert
Rocco - Matti Salminen
Marzelline - Ildokó Raimondi
Jaquino - Sebastian Kohlhepp
Don Fernando - Boaz Daniel
1. Gefangener - Dritan Luca
2. Gefangener - Johannes Gisser


„Fidelio nach Weihnachten
(Dominik Troger)

Wer am Stephanietag zur dritten Vorstellung der laufenden „Fidelio“-Serie an der Wiener Staatsoper eilte, wurde von zwei rosa Zetteln begrüßt: Anja Kampe ersetzte die erkrankte Ricarda Merbeth als Leonore, Dritan Luca nahm an Stelle von Wolfram Igor Derntl den Ersten Gefangenen ein.

Auch die 224. Aufführung dieser Inszenierung „nach einer Regie von Otto Schenk“ (wie es am Programmzettel steht) äußerte in ihrer naiv-ursprünglichen Art keine Zweifel an Florestans Befreiung – und Beethovens hoffnungsschwangerer Schlussjubel durfte sich in voller Pracht entfalten.

Es ist bekanntlich ein Zug zeitgenössischer Opernregie, dass ihr immer und überall „Zweifel“ kommen. Die beliebte Frage „Wie denn der Schluss des Fidelio aufzufassen sei?“, gehört dazu. Anstatt sich mit Florestan, Leonore und Beethoven über die gelungene Befreiungsaktion zu freuen, wird begonnen, die Handlung zu demontieren. Unlängst erst wurde im Theater an der Wien der Schlussjubel des letzten Bildes wie eine „Totenmesse" zelebriert. 2005 wurde dortselbst der befreite Florestan im Finale von Pizarros Leuten entführt. Die Staatsopern-Produktion ist ein wohltuender Fels in der Brandung solcher „Stereotypen“, deren inflationäre Anwendung mehr über unsere heutige Zeit aussagt, als über das positive Hoffnungspotenzial des Fidelio.

Und mit Anja Kampe stand eine Leonore auf der Bühne, die dieses Hoffnungspotential mit emphatischem Glauben an ihre gattenrettende Mission darzustellen wusste. Die Sängerin hat erst vor wenigen Monaten ihr Wiener Leonoren-Debüt gegeben. Mit ihrer schlanken Bühnenerscheinung ist sie sowohl ein passender Schließer-Bursche als auch eine attraktive Gemahlin – und ihre mitfühlende, auf den Augenblick der Befreiung hindrängende Rollenzeichnung ließ auch diesmal an der „romanhaften“ Handlung keine Zweifel aufkommen. Ihren Sopran setzte Kampe allerdings schon zu nachdrücklich ein, das nahm der Stimme einiges an Frische und phasenweise klang sie für mich etwas „ausgepowert“.

Einerseits vermag Peter Seiffert den Florestan nach wie vor mit einem gewissen Feingefühl zu behandeln (das „Gott“ war etwas heikel, ging aber ohne „Unfall“ ab) andererseits ist sein Tenor schon sehr „schwer“ geworden und ein starkes, langwelliges „Schwingen“ begleitete seinen Gesang an diesem Abend als Erbstück langer Karrierejahre. Seiffert zeigte sich dabei gewohnt stimmkräftig, überjubelte im Finale die Orchestermassen – und überzeugte mit seiner menschlichen Art, die sehr gut zu Kampes unprätentiöser Leonore passte.

Noch ein paar Jahre mehr legte der Rocco von Matti Salminen in die Sänger-Waagschale. Aber Rocco ist ein Mann der Praxis und der aufgestreckten Hemdsärmeln, und insofern hat sich Salminen die Partie gut auf seinen des öfteren schon recht „unrund“ klingenden Bass zurechtgelegt.

Das „Triumvirat“ verdienter Sängerpersönlichkeiten hat an diesem Abend Ildikó Raimondi als Marzelline komplettiert. Raimondi ist der Partie zwar schon „entwachsen“ (und in dieser Serie ist sie für Valentina Nafornita eingesprungen). Doch die Sängerin hat in der Vergangenheit immer sehr gute und stilsichere (!) Marzellinen gesungen – und davon profitierte ihre Darstellung auch an diesem Abend. Sie bewahrte viel vom jungendlichen Charme dieser Bühnenfigur, die vom Glück mit ihrem geliebten Fidelio träumt.

Tomasz Konieczny ließ als Pizarro stimmlich nichts anbrennen. Vielleicht sollte er seine Kommandos ein bisserl weniger „schneidend“ geben. Zu befürchten ist aber, dass Konieczny mit seiner Pizarro-Gestaltung noch Erinnerungen an eine andere Inszenierung mitschleppte. Während seines „Ha, welch‘ ein Augenblick“ griff er sich öfters an den Hals, so als wollte er seinen Kragen öffnen und sich Luft verschaffen, oder er wischte sich über die Stirn. Wenn das ausdrücken sollte, dass Pizarro die Nachricht von der Inspektion des Gefängnisses Angst macht, dann war es zu plakativ. Außerdem wird Pizarro mehr Kaltblütigkeit zuzutrauen sein. Sollte der warnende Brief bei ihm wirklich panikartige Schweißausbrüche hervorrufen? Zudem war Konieczny gesanglich sehr präsent und sein kräftiger, markanter Bariton vermittelte alles, nur nicht, dass Pizarro ein „Weichei“ sein könnte.

Die gepflegteste Solisten-Stimme an diesem Abend ließ allerdings Sebastian Kohlhepp als Jaquino hören: ein schöner lyrischer Tenor – da darf mit Spannung auf Tamino oder Don Ottavio gewartet werden. Boaz Daniel steuerte einen stimmlich präsenten Minister bei. Der bewährte Chor sorgte ebenfalls für seinen Part, der zweite Gefangene reüssierte etwas besser als der erste.

Franz Welser-Möst leitete ein in Summe groß aufspielendes Staatsopernorchester, meist eher zügig unterwegs, bei einigen Passagen (Quartett: „Mir ist so wunderbar“ oder Leonores großer Arie) schien der sonst straff gespannte Faden der musikalischen Dramaturgie sich aber ein wenig zu „kräuseln“. Die Leonore III war für Dirigenten und das Orchester natürlich eine „aufgelegte“ Sache. Das brachte Konzertsaalstimmung ins Haus: Toll gespielt, differenziert und dynamisch ausgefeilt – und doch mir persönlich zu stark „aufpoliert“. Die Aufführung wurde vom Publikum mit starkem, aber nicht all zu lange anhaltendem Beifall gewürdigt.

PS: Auf den Displays zum Mitlesen wird am Ende der Aufführung immer ein Hinweis auf die nächste Vorstellung eingeblendet. Mein Stehplatzvordermann hatte die englische Textfassung gewählt – und verblüffender Weise wurde als „next performace“ die „Rigoletto“-Vorstellung vom 11. April 2013 angekündigt!