FIDELIO

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Staatsoper
3. April 2013

Dirigent: Adam Fischer

Leonore - Anja Kampe
Don Pizarro - Falk Struckmann
Florestan - Lance Ryan
Rocco - Walter Fink
Marzelline - Valentina Nafornita
Jaquino - Norbert Ernst
Don Fernando - Clemens Unterreiner
1. Gefangener - Gerhard Reiterer
2. Gefangener - Hiro Ijichi


„Alt aber bewährt
(Dominik Troger)

Nach der „Fidelio-Exegese“ im Theater an der Wien durch Nikolaus Harnoncourt war es angebracht, beim altbewährten Staatsopern-„Fidelio“ vorbeizuschauen.

Natürlich wird man als Besucher in der Staatsoper mit einer schwer übersehbaren szenischen Biederkeit konfrontiert, das soll gar nicht abgestritten werden. Aber eine Opernaufführung muss nicht immer zu einem wissenschaftlichen Vortrag über „Klangarcheologie“ ausarten oder sich in einer „politischen Aktualisierung“ gefallen.

Zum Glück fehlt es in Wien (noch?) nicht an finanziellen Mitteln und an der Bereitschaft, um das Standardrepertoire an verschiedenen Spielorten in unterschiedlichen Sicht- und Hörweisen darzubieten. So wird sich nächste Saison die Volksoper am „Fidelio“ versuchen. Man darf gespannt sein.

Der erste positive Eindruck dieses Staatsopern-„Fidelios“ war das heitere „Liebesgeplänkel“ von Marzelline und Jaquino: Marzelline ist mit Hausarbeiten beschäftigt, Jaquino ist in sie verliebt. Dazu braucht kein neuer Kontext erfunden werden. Die Szene spricht für sich – und Marzelline pocht auf das individuelle Recht, sich ihren Liebsten selbst aussuchen zu dürfen. Ist das nicht ein moderner Zug?

Valentina Nafornita und Norbert Ernst haben die Anfangsszene locker und sympathisch umgesetzt – nicht mehr und nicht weniger. Wichtig ist dabei eine Natürlichkeit in Spiel und Gesang, Nafornita brachte sogar eine leichte dunkle Farbe im Timbre mit, was ihrer Figurenzeichnung einen mädchenhaft-sinnlichen Reiz verlieh. Schön auch, wie Adam Fischer mit dem Orchester schon in Marzellines Arie die Momente ihres Hoffens auf Fidelio herausstrich – aus solchen bewegenden „Hoffnungsmomenten“ speist sich die ganze Oper, sie sind der „Dynamo“, der das Werk antreibt, sie bilden das Fundament, aus dem sich der positive Schluss erklärt.

Walter Fink als Rocco bot ein Beispiel für die von mir weiter oben angemerkte „Biederkeit“. Rocco muss nicht zwingend ein böser „Staatsgefängnisbeamter“ sein (unter welchem Regime er auch immer „dienen“ mag), aber etwas mehr „Schlitzohrigkeit“ schadet nicht – und dass er eine eher materielle Einstellung hat, davon singt er selbst. Aber man darf nicht vergessen, dass er den eigenhändigen Mord an Florestan verweigert und sich offenbar auch um Marzellines emotionales Wohlbefinden kümmert.

Insofern ist es schwierig, die Gefährlichkeit von Roccos „kleinbürgerlicher“ Weltsicht glaubwürdig auszudeuten, schnell schlägt man dabei über die Stränge und tut des Guten zu viel. Walter Fink stellte sich solchen Herausforderungen nicht und vermittelte die Figur mit einer volkstheaterhaften Gemütlichkeit. Sein väterlicher Bass ist inzwischen auch schon ziemlich in die Jahre gekommen, der Hörgenuss war nicht ungetrübt.

Pizarro ist der „Böse“ – und Falk Struckmann ließ keinen Zweifel daran, dass es ihm Genuss bereiten würde, in Florestans Herzen zu „wühlen“ – so intensiv wie er dieses Verb in seinem gesanglichen Auftrittsstatement herausstrich. Aber damit sind die Konturen klar gezogen und das Publikum weiß nachhaltig, woran es beim Pizarro ist. Es braucht dann auch keine szenischen Mätzchen mehr wie Pistolenherumgefuchtel und so weiter.

Anja Kampe ist schon seit einigen Jahren eine gefeierte Leonore, jetzt gab sie ihr Debüt in dieser Rolle an der Staatsoper. Kampe kam sehr gut beim Publikum an. Man spürte bei ihr eine Art von naivem mädchenhaftem Glauben an die befreiende Macht ihrer Liebe, fast mit ein bisschen Zärtlichkeit versetzt. Dass ihr Sopran zum „Flackern“ neigt, das hat sich seit ihrer Elisabeth („Tannhäuser“-Premiere 2010) nicht gelegt, und deutet vielleicht an, dass die Stimme eigentlich lyrischer veranlagt wäre.

Recht eigenwillig gestaltete sich der Florestan von Lance Ryan, mit einem schwergängigen, oft grell färbenden heldentenoralen Organ, das der Sänger sehr unausgewogen und „ungefähr“ durch die Partie führte. Ryans Tenor scheint zwar viel metallisch-heroisches Material zu besitzen, dem es aber zu deutlich an der entsprechenden „Verarbeitung“ mangelt. Die Kerkerszene erhielt dadurch fast den Anstrich einer Parodie, bei der auch Ryans hölzern-pathetische Herangehensweise eine Rolle spielte. Der Sänger wurde im Vergleich zu den übrigen Mitwirkenden mit deutlich weniger Schlussapplaus bedacht.

Zu vermelden ist außerdem noch das gelungene Rollendebüt von Clemens Unterreiner als Don Fernando und die – wie meist – sehr gute Wirkung des Chores.

Adam Fischer und das Staatsopernorchester heimsten mit einer schön gespielten Leonore III starken Beifall ein. Dieses Stück steht schon an der richtigen Stelle, gleichsam als Zwischenspiel, das noch einmal das dramatische Geschehen zusammenfasst und auf das jubelnde Finale vorbereitet. Und an der Staatsoper wird im Finale wirklich gejubelt, die Befreiung wird durch das Lösen von Florestans Ketten vollzogen, keine „relativierenden Hintergedanken“ geistern durch dieses imposante Finale.

Der Schlussapplaus war stark, währte aber nicht sehr lange.