FIDELIO

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Theater an der Wien
17. März 2013
Premiere

Dirigent: Nikolaus Harnoncourt


Inszenierung: Herbert Föttinger
Bühne: Rolf Langenfass (†)
Bühnenbildrealisierung: Stago-Casall Arts
Kostüme: Birgit Hutter
Licht: Emmerich Steigberger

Concentus Musicus Wien
Arnold Schoenberg Chor (Ltg. Erwin Ortner)

Leonore - Juliane Banse
Don Pizarro - Martin Gantner
Florestan - Michael Schade
Rocco - Lars Woldt
Marzelline - Anna Prohaska
Jaquino - Johannes Chum
Don Fernando - Garry Magee
1. Gefangener - Andrew Owens
2. Gefangener - Ben Connor


Nachtkritik: Musikalisch eigenwillig, szenisch fragwürdig“
(Dominik Troger)

„Fidelio“-Premiere im Theater an der Wien: Ein Theater-Regisseur, der sich in der Oper verstolpert, und ein musikalischer Leiter mit (zu) gewichtigen Grundsätzen? Das Ergebnis war ein eher schwerfälliger Opernabend.

Nikolaus Harnoncourt hat es schon im Vorfeld der Aufführung angekündigt: dieser „Fidelio“ werde „anders“ klingen. Nun ist „Klang“ für sich allein noch nicht das entscheidende Kriterium. Man weiß, dass der Concentus Musicus Wien nicht wie die Wiener Philharmoniker „klingt“ – und umgekehrt.

Aber die Bläser beispielsweise tönten an diesem Abend oft recht grell, so als wollten sie jeden Anflug von „Schönheit“ im Keim ersticken. Überhaupt geriet der Abend musikalisch recht schroff. Überlange Generalpausen nahmen den Schwung aus der Musik, die oft sehr träge dahinfloss, und schon den Singspielteil mit einer Bedeutungsschwere auflud, die das leichtgewichtige Libretto kaum zuzulassen scheint.

Es gab wenige Momente, die mich in die Aufführung hineinzogen: der Gefangenenchor etwa, der voll fragiler Hoffnung erklang, wie Februarsonne, die gegen Mittag ein kaltes Nebelmeer durchbricht – und so schnell wieder entschwindet, oder das Ausklingen von Florestans Wahnsinnsanfall im Orchester, ein in der Musik langsames und stückweises ersterben, als sich in feinem Piano auflösende Traum-Exstase. Ganz seltsam aber geriet das Finale, der Lobpreis auf die treue Gattenliebe verwandelte sich in einer langatmigen „Trauermusik“, weit entfernt von einem beglückenden, vorwärtstragenden Beethoven’schen Enthusiasmus. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt?

Nicht erfüllt hat sich diese Hoffnung auf eine „bessere Welt“ auch szenisch: denn Regisseur Herbert Föttinger schickte nach dem „Oh namenlose Freude“ Florestan und Leonore samt Verlies in die Versenkung und ließ dann den Chor in Abendkleidung (!!) vor ein paar Notenständern aufmarschieren. Der Minister erschien mit einer grauen Beethovenperücke „verkleidet“ als Meister selbst auf der Bühne, die Solisten stießen dann noch hinzu, nahmen vor dem Chor Aufstellung, ebenfalls in Abendgarderobe: Und aus der Oper wurde ein Konzert!

Der Regisseur wird sicher gute Gründe dafür angeben können, warum er das Schlussbild nicht (!!!) inszeniert hat, warum er die Amnestie, die der Minister verkündet, den Jubel des Volkes, Leonores symbolische Befreiungshandlung, in dem sie ihrem Manne die Ketten abnimmt, sowie die Festnahme Pizarros verschweigt, zudeckt, hinter einer statischen Bühnenaufstellung verschwinden lässt, in der alle Beteiligten mit Trauermienen wie zu einer Totenmesse aufmarschieren.

Aber Föttinger hat auch die Szenen und Dialoge ausspielen lassen, als hätte sie sich ein Ibsen ausgedacht. Und wenn Jaquino Marzelline „an die Wäsche will“ ist unfreiwillige Komik nicht fern – oder wenn sich Rocco als leicht sadistischer Gefängniswärter entpuppt. Leonore setzt sich während ihrer großen Arie eine Pistole an die Schläfe, und Pizarro darf – damit man weiß, wie böse er wirklich ist – am Schluss des ersten Aktes noch einen Mann auf dem Gefängnishof erschießen.

Die Szene (Drehbühne) spielte architektonischen Andeutungen nach im III. Reich, auch die Kostüme deuteten in diese Zeit. Jaquino trifft in der ersten Szenen Marzelline in einem Büro mit hohen Wandschränken voller Akten, so eine Art von Führerhauptquartier. Sie sitzt an der Schreibmaschine. Wenn sie ihre Arie singt, hüpft sie auf dem Tisch herum. Später, beim Eintritt von Fidelio („Mir ist so wunderbar"), beginnt es im Büro zu schneien! Es gab ein paar sehr eigentümliche Momente in dieser Inszenierung.

Das Ensemble bot unterschiedliche Leistungen und schien in einigen Partien nicht ideal besetzt. Lars Woldt sang einen stimmkräftigen Rocco, kein gemütlicher Kerl mit satter Tiefe, sondern ein Pflichterfüller ohne Komik, fähig zu unangenehmem Kasernenton - der präsenteste Sänger an diesem Abend. Johannes Chum war ein mit nüchternem Tenor singender Jaquino. Anna Prohaska gab eine gesanglich solide, für meinen Geschmack zu wenig liebreizend-aufblühend klingende Marzelline.

Juliane Banse bereitete die Leonore einige Mühe, die Stimme klang fahl, oft angestrengt, und flackerte stark bei den Spitzentönen. Sie spielte aber recht gut, einen burschikosen Jüngling. Man hätte in ihrem Mann nicht die Frau gefunden. Michael Schade begann vorsichtig, steigerte sich dann aber und beschwor den „Engel Leonore“ mit schönstimmiger kräftiger Lyrik und mit passendem Enthusiasmus. Martin Ganter war ein sehr blasser Don Pizarro, kaum dramatische Wucht, schwächelnd in der Tiefe. Blass auch der Minister von Garry Magee.

Der Schlussapplaus war nicht übermäßig enthusiastisch. Es zielten sogar ein paar Buhrufe auf Harnoncourt, die aber gegen den Applaus kaum ankamen. Bei Föttinger fiel das Missfallen etwas deutlicher aus. Szenenapplaus während der Vorstellung gab es selten.