FIDELIO

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Theater an der Wien
19. März 2018
Konzertante Aufführung

Dirigent: Giovanni Antonini

Kammerorchester Basel
Chor der Gaechinger Cantorey
(Ltg. Hans-Christoph Rademann)

Leonore - Emma Bell
Florestan - Klaus Florian Vogt
Don Pizarro - Sebastian Holecek
Rocco - Stefan Cerny
Marzelline - Regula Mühlemann
Jaquino - Patrick Grahl
Don Fernando - Matthias Winckhler
1. Gefangener - Wolfgang Frisch-Catalano
2. Gefangener - Alejandro Lárraga Schleske


„Fidelio in der Fassung von 1814
(Dominik Troger)

Im Theater an der Wien hat man in den letzten Jahren die Erst-, Zweit- und Letztfassung des „Fidelio“ aufgeführt. Jetzt war wieder einmal die „gängige“ Fassung von 1814 an der Reihe, und zwar in konzertanter Form und in „historisch informierter Aufführungspraxis“.

Nach einer Aufführung am 17. März im deutschen Ludwigsburg – anlässlich des Jubiläums „30 Jahre Forum am Schlosspark“ – haben das Kammerorchester Basel unter der Leitung von Giovanni Antonini, die Gaechinger Cantorey und die Sängerinnen und Sänger noch einen Abstecher ins Theater an der Wien gemacht, um ihre konzertante „Fidelio“-Produktion dem hiesigen Publikum zu präsentieren. Die Aufführung bot eine sinnvolle Programmergänzung im Rahmen des konzertanten Opernzyklus des Hauses, nachdem bereits im Herbst die Erstfassung von 1805 mit dem Freiburger Barockorchester erklungen war.

Giovanni Antonini setzte auf Gegensätze, auf starke dynamische Abstufungen, auf etwas dünn klingende Violinen und forschere Bässe und Bläser. Ruhigere Passage wechselten mit einer vorwärtstreibenden symphonischen Energie, bei der das Kammerorchester Basel schon recht ausgereizt wurde – auch wenn sich die Schrecksekunden, für die die Hörner in der Ouvertüre sorgten, in dieser Form nicht mehr wiederholt haben. Über dem Abend schwebte der Gegensatz zwischen fragiler, gleichsam ausgedehnter Streicherverzweiflung wie am Beginn des Gefangenenchores („Oh welche Lust“) und lautem, drängendem Hoffnungspathos, das Antonini im Schlussfinale zu einer beklemmend schroffen Apotheose aufheizte. Der drängende Hoffnungsimpuls war jedenfalls schon in Marzellinens Arie deutlich erkennbar, und das ist auch gut so: Denn immer, wenn es im Fidelio um Hoffnung geht, wirft Beethoven den „Turbo“ an.

Der Florestan des Abends, Klaus Florian Vogt, kam mit seinem hellen, schwebenden, klar artikulierenden Tenor im Theater an der Wien sehr gut zur Geltung, glitt wie auf Schienen durch die nicht unheikle Partie. Allerdings muss man dieser Stimme – und also diesem Florestan – eine gewisse Weltferne und Verklärungsmacht attestieren, die das eigentliche menschliche Drama stark ausblenden: ein Florestan also, der über die misslichen Lebensumstände hinausgewachsen sich bereits selbst als Ideal des unschuldig Verfolgten begreift. Vogt hat die Partie vor zwei Jahren an der Wiener Staatsoper gesungen, im Theater an der Wien wirkte seine Stimme noch unmittelbarer, noch ideeller in ihrer keuschen Machart, und begeisternd in ihrer durchgeformten Kantabilität.

Im Vorfeld war es zu einer Umbesetzung gekommen: Annette Dasch hat ihre Mitwirkung als Leonore krankheitsbedingt absagen müssen und die britische Sopranistin Emma Bell war eingesprungen. Bell hat vor 12 Jahren im Konzerthaus in einer konzertanten Aufführung die Rodelinda gesungen – und ihre Stimme ist seither deutlich dramatischer geworden, die Stimme bei Wagner angekommen. Zwar schimmerte der Strauss- und Mozartsopran im wortbezogenen Ausdruck noch durch, aber die Stimme wirkte auf mich ein wenig ausladend und überdehnt. In einem großen Haus mag das weniger stark ins Gewicht fallen als im Theater an der Wien. Allerdings passte ihre etwas expressiv-herbe Leonore zum vom Dirigenten beförderten Gesamteindruck.

Der Pizarro von Sebastian Holecek war aus anderem Holz geschnitzt als Florestan. Sehr böse legte er zuerst eine forsche „Rachearie“ hin, dass sich die Balken bogen, und geriet in Folge einige Male an die Grenze sängerischer Outrage. Manchmal ist ein bisschen weniger mehr. Stefan Cerny führte dagegen seinen Bass am Zügel, mit schlankem Singspielton sang er eine sehr gefällige „Goldarie“. Dass er für die Partie noch etwas jung wirkt, teilt er mit vielen aufstrebenden Bässen, und wenn diese sich laut Libretto als „Grabes Beute“ sehen müssen, dann wirkt das immer ein wenig „kokett“ – und als älteres Semester denkt man sich, so jung möchte man auch noch einmal sein. Beide Sänger haben ihre Partien bereits an der Wiener Volksoper verkörpert, waren also für das Wiener Publikum keine Novitäten.

Die Schweizer Sopranistin Regina Mühlemann hat seit ihrem Wiener Auftritt als Isolier in „Le Comte Ory“ (Theater an der Wien 2013) eine beachtliche Karriere hingelegt und an diesem Abend die Marzelline beigesteuert. Ihr Sopran hat die zarte Keckheit früherer Jahre abgelegt, er klang für Marzellines naive Liebessehnsucht manchmal fast schon eine Spur zu fest. Die Sängerin konnte in dieser konzertanten Aufführung nach meinem Eindruck ihr Potenzial aber nicht so recht entfalten, ein Faktum, das auch auf den Jaquino von Patrick Grahl und auf den Minister von Matthias Winckhler zutraf, beide mit vielversprechenden jungen Stimmen ausgestattet. Die Gaechinger Cantory sorgte für die Chorpassagen, die naturgemäß nicht so füllig ausfielen wie vom Staatsopernchor gewohnt, aber gut in diesen konzertanten Rahmen passten.

Der starke Schlussapplaus im gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Theater an der Wien dauerte rund sieben Minuten lang.