FIDELIO

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Staatsoper
11. Jänner 2016

Dirigent: Peter Schneider

 

Leonore - Anja Kampe
Don Pizarro - Evgeny Nikitin
Florestan - Klaus Florian Vogt
Rocco - Stephen Milling
Marzelline - Valetina Nafornita
Jaquino - Jörg Schneider
Don Fernando - Boaz Daniel
1. Gefangener - Dritan Luca
2. Gefangener - Hiro Ijichi


„Florestan als Idealist
(Dominik Troger)

Laut Programmzettel spielte die Staatsoper an diesem Abend „Fidelio“ zum 230. Mal in der Otto Schenk’schen Regie und in den Bühnenbildern von Günther Schneider-Siemssen. Ein echter „Klassiker“ also.

Klassiker sind oft ungeliebt und als „verstaubt“ verschrien, aber „Vintage“ ist derzeit groß in Mode. Wer lange genug wartet, kann das 40 Jahre alte Sakko wieder mit Genuss tragen, allerdings nur, wenn er noch hineinpasst. Für viele Wiener Opernbesucher passt dieser „Fidelio“ durchaus noch – und sei es nur wegen der oft gemachten Erfahrung: „Es kommt ohnehin nichts Besseres nach.“ Also konzentriert man sich auf die Besetzungen – und das ist auch kein Fehler.

Als Florestan feierte in dieser „Fidelio“-Serie Klaus Florian Vogt sein Rollendebüt am Haus. Sein eigenartig keuscher, ein wenig knabenhaft timbrierter, aber gut tragender Tenor reicherte den im Kerker schmachtenden Florestan mit einer weltfernen „Aura“ an. Die menschlichen Regungen des Gefangenen mischten sich mit der unpersönlichen Idealisierung eines im Sinne des Wortes „unschuldigen Opfers“, was aber Beethovens dramaturgischer Logik vielleicht näher liegt, als man auf den ersten Ton meinen könnte. Vogt begann mit einem klaren, sehnsüchtig anschwellenden „Gott“ und vermochte in seinem monologisierenden Wahn durchaus eine Art „höherer Leidenschaft“ zu vermitteln – und steuerte damit sicher durch den Abend.

Anja Kampe sang eine staatsopernerfahrene Leonore. Sie verkörperte die Partie darstellerisch ausgezeichnet, körperlich ohnehin von burschikosem Zuschnitt, und dann mit wallendem Haar, als sie im Kerker ihre Mütze lüpfte, um Pizarro klar zu machen, dass eine Frau vor ihm steht. Aber Kampes Sopran hatte mit der Partie einige Mühe, forcierte stark in der Höhe und in den dramatischen Passagen, wobei von der angenehm klaren Färbung ihres im Kern doch lyrischen Soprans zu wenig übrig blieb. Für mich zählt sie zu jenen Sängerinnen, die mitzureißen vermögen, die aber dem expressiven Ausdruck zu viel von ihren Stimmressourcen aufopfern.

Nach der krankheitsbedingten Absage in der ersten Vorstellung dieser „Fidelio“-Serie feierte Evgeny Nikitin an diesem Abend sein Hausdebüt als Pizarro. In der Tiefe blieb sein Organ blass, in der Höhe zeigte die Stimme einigen „Biss“ und Strahlkraft, die aber nur schaumgebremst auf dem Galeriestehplatz ankamen – wahrscheinlich hat der Sänger noch Vorsicht walten lassen. Im Spiel war Nikitin „böse“ genug. Stephen Milling gab einen wortdeutlichen und (mir zu) noblen Rocco, über einen richtig „saftigen“, väterlichen Bass verfügte er nicht.

Jörg Schneider, der an der Volksoper schon seit längerer Zeit hohe lyrische Tenorqualität walten lässt, hat in dieser „Fidelio“-Serie als Jaquino sein Staatopern-Rollendebüt gegeben. Schneider vermochte es, in Jaquino den „Spieltenor“ zu wecken, der mit hübscher, gut artikulierender Stimme, aber auch mit einer gewissen Verschmitztheit, Marzelline nachstellt – und im Finale mit ihr Händchen hält. Das war dermaßen trefflich gemacht, dass man es all jenen Regisseuren und Dramaturgen vorzeigen müsste, die mit diesem „Singspielambiente“ des Beginns nichts mehr anzufangen wissen. Vor allem in diesem Punkt ist die Schenk’sche Inszenierung vielen vorzuziehen, weil sie aus den Figuren keine psychisch-vertrakten „Charakter-Monster“ macht, sondern weil sie diese in der Stilebene belässt, die Libretto und Musik vorgeben.

Valentina Nafornitas Marzelline schien zwischen zu deutlicher Selbstbewusstheit und naiver Verliebtheit zu schwanken und fand nicht in diese Singspielebene hinein. Bei ihr wirkte alles ein bisschen „künstlich“ auf mich, auch ihr dunkel überhauchter Sopran schien mit diesem Bühnencharakter nicht ganz zusammenzugehen. Boaz Daniel steuerte bewährt den Minister bei. Präsent und wirkungsvoll sang der Staatsopernchor.

Peter Schneider sorgte am Pult für einen Beethoven in bester Wiener Klangtradition mit schön herausgearbeiteten dynamischen Schattierungen, dem es aber zwischendurch immer wieder an der nötigen Spannkraft fehlte. Dann verflachte der Bühnenatem zusehends, während die Musik ein wenig selbstverliebt dem Symphoniker in Beethoven huldigte. Der zustimmende Applaus wurde durch einige laute Missfallensrufe gegen Vogt und Kampe getrübt.