FIDELIO

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Staatsoper
6. Juni 2015

Dirigentin: Adam Fischer

 

Leonore - Nina Stemme
Don Pizarro - Jochen Schmeckenbecher
Florestan - Robert Dean Smith
Rocco - Lars Woldt
Marzelline - Annika Gerhards
Jaquino - Norbert Ernst
Don Fernando -
Sebastian Holecek
1. Gefangener - Dritan Luca
2. Gefangener - Ion Tibrea


„Fidelio klassisch
(Dominik Troger)

Die Staatsoper hat drei „Fidelio“-Aufführungen angesetzt – erstmals sang Nina Stemme die Leonore in Wien. Hier wird die zweite Aufführung der Serie besprochen.

Es gab in den letzten Jahren „Fidelio“-Neuinszenierungen an der Volksoper und im Theater an der Wien – aber nach den Erfahrungen dort kehrt man reumütig zur „altgeliebten“ Staatsopernproduktion zurück. Was Otto Schenk und der jüngst verstorbene Bühnenbildner Günther Schneider-Siemssen vor Jahrzehnten auf die Bühne gestellt haben, bringt die Oper ohne verkrampfte Modernisierung auf den Punkt.

An diesem Abend für mich am überzeugendsten: der mit Akribie, Leidenschaft und wie immer auswendig dirigierende Adam Fischer und das konzentriert und motiviert aufspielende Staatsopernorchester, denen einen vorzügliche Vorstellung gelang. Fischer sorgte für eine (nicht zu) straff musizierte, sehr gut strukturierte, im Klang ausbalancierte Wiener Klassik, mit großer Detailarbeit und akzentuiertem Spiel – ohne die Musik mit „Romantizismen“ zu überladen oder mit trockener Akribie sogenanntem „Originalklang“ nachzueifern.

Überzeugend war auch die Tempowahl, das Gespür für das Beethoven’sche „Hoffnungsmoment“, dass schon Marzelline am Beginn mit süßer Lust die Brust erfüllt. Die große Leonoren-Ouvertüre, die wie am Hause üblich als Einlage vor dem letzten Bild gegeben wurde, bedachte das Publikum mit starkem Beifall und Bravorufen. Das letzte Bild schloss mit einem jubelnden Schlusschor, der alle Zweifler an diesem Moment der Befreiung lügen gestraft hätte. Es gibt doch noch Geschichten, die gut ausgehen. Wäre das menschliche Leben ohne die Erfahrung solcher Glücksmomente nicht ein Abgrund?

Besonderes Interesse erregt diese „Fidelio“-Serie wegen des Wiener Rollendebüts von Nina Stemme als Leonore. Mit Brünnhilden-Stimme schleuderte sie Pizarro das „tödt erst sein Weib!“ entgegen – und es war vor allem der zweite Akt, in dem Stemme ihre Stärken auszuspielen vermochte, während im ersten Akt – namentlich bei der großen Arie – die Stimme schon ein bisschen unflexibel wirkte. Stemmes Sopran besitzt durch seine leicht dunkelgoldne Färbung eine starke zu Herzen sprechende Emotionalität. Allerdings – weil die Staatsoper aktuell auch den „Ring“ am Spielplan hat: die Besetzungsplanung scheint etwas unglücklich, wenn an einem Abend Stemme als Leonore auf der Bühne steht, wo sie am nächsten Abend doch als „Götterdämmerungs“-Brünnhilde mit noch überzeugenderer Wirkung reüssieren könnte.

Robert Dean Smith hatte mit der einleitenden rezitativischen Passage seiner Kerkerszene einige Mühe, steigerte sich aber im schnelleren Teil der Arie deutlich. Smiths Tenor klang stilsicher, aber insgesamt etwas trocken, bei Spitzentönen schon leicht scharf färbend.

Der Don Pizarro von Jochen Schmeckebecher tat mehr auf „Bösewicht“, als dass ich in ihm einen erkannt hätte. Sebastian Holeceks markanter Minister hat diesem Pizarro nicht nur stimmlich „die Schneid abgekauft“. Schmeckenbechers Bariton zeigte wenig Nachdrücklichkeit, die Darstellung der Figur insgesamt zu wenig Format. Das hat der Prägnanz der Darbietung nicht gut getan und die zynische Schärfe des Charakters wurde derart verwässert, ohne sie beispielsweise durch eine gewisse Noblesse aufzuwerten.

Lars Woldt gab eine noch recht jung wirkenden Rocco. Er war kein väterlicher „Kumpel“, sondern bei bester Artikulation und hellem Bass ein an den Forderungen der Mächtigen geschulter Kerkermeister, der seine Lektion schon gelernt hat. Auch die „Anbetung“ des Goldes erfuhr bei Woldt kein „gemütliches, augenzwinkerndes Dukatenzählen“, sondern eine merkantile, mehr eigennützige Verschmitztheit. Oder um ein wenig auf die Otto Schenk’sche Regie dieser Produktion abzustellen: dieser Rocco „menschelte“ wenig.

Norbert Ernst sang einen eher unscheinbaren Jaquino, und Annika Gerhards – als Einspringerin – ließ eine lyrische, dem Charakter nach „deutsche“, stellenweise etwas leise Sopranstimme hören, die noch nicht richtig „aufgeblüht“ ist. Der Chor steuerte wieder seinen Anteil bei, damit das Finale eindrucksvoll die Befreiung Florestans und den Mut Leonores besingen konnte.

Der starke Schlussapplaus dauerte rund sechs Minuten lang.