HERZOG BLAUBARTS BURG
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Bartok-Portal

Konzerthaus
19. Mai 2022
Konzertant

Musikalische Leitung: Marin Alsop

ORF Radio-Symphonieorchester Wien

Herzog Blaubart - Gerald Finley
Judith - Rinat Shaham

Sprecherin - Stefanie Elias

 


„Herzog Blaubart im Konzerthaus
(Dominik Troger)

Das Wiener Konzerthaus lud zu einer konzertanten Aufführung von Bela Bartoks „A kékszakállú herceg vára“. Im ersten Teil des Konzertes fuhr das ORF Radio-Symphonieorchester kurz durch einen Kreisverkehr und dann gedachte es der Hexenverfolgung im Schottland des 17. Jahrhunderts.

Im Programmheft ist nachzulesen, dass der Komponistin Judith Varga die Idee zu „Around a Roundabout“ bei einer Reise in Korsika gekommen ist. Dort gibt es offenbar wie in Niederösterreich viele Kreisverkehre. Die Ansage eines Navigationssystems „turn around at the roundabout“ hat dem Stück den Namen gegeben. Varga jagt ein großes Orchester in eine fünfminütige „Forteschleife“, gleich mit laut knarrendem Blech beginnend, bis ihm humorvoll die Luft ausgeht.

Das zweite Stück vor der Pause „The Confession of Isobel Gowdie“ stammt aus der Feder des schottischen Komponisten James MacMillan. Isabel Gowdie wurde 1662 der Hexerei angeklagt. MacMillan hat das Werk 1990 als Requiem komponiert. Es ist ein Requiem, ohne der Mitwirkung von Singstimmen. (Was eigentlich schade ist.) Das Stück zählt zu den zeitgenössischen Werken, die ihre Repertoiretauglichkeit bewiesen haben, und es gibt mehrere Einspielungen, u.a. auch eine unter Marin Alsop.

Die Komposition besteht aus drei Teilen. Sie beginnt ruhig, mit schwebender Klangmischung in den Bläsern (Fagott, Klarinette, Horn), bald gesellt sich eine elegischer Streicherteppich hinzu, sehrende Glissandi eingewoben. Danach folgt ein Teil mit Orchesterausbrüchen, der an Folter und Gewalt erinnern soll, ehe sich wieder die elegischen Streicher des ersten Teils zurückmelden – zuerst von weiteren Orchesterschlägen durchgerüttelt wie vom Lachen Satans gepeinigt, ehe sich Isobel Gowdies Seele schmerzvoll cresendierend in den Himmel schraubt. Dieses Finale beschwört den Aufschrei der Kreatur und erinnert an die zwei Orchesterausbrüche im dritten Akt von Alban Bergs „Wozzeck“ (Zwischenspiel nach dem zweiten Bild).

Nach der Pause kam Herzog Blaubart zu seinen Ehren. Bartoks einaktige Oper ist in Wien vor allem im Konzertsaal zu Gast. Eine szenische Umsetzung bei den Wiener Festwochen vor acht Jahren war ein rarer Versuch. (An der Staatsoper gab es in den 1980er-Jahren eine Produktion, die aber nur wenige Vorstellungen erlebt hat.) Georg Zablinger hat den Einakter semikonzertant eingerichtet und die Orgelempore einbezogen. Dass Blaubart von dort oben seine Lande preist, war „aufgelegt“. Die sechs mächtigen Säulen an der Stirnseite des Großen Saals boten einen zusätzlichen „Kulisseneffekt“. Die Beleuchtung spielte eine Rolle, von Rot, über eine strahlende lichtdurchflutete Helle nach Öffnen der fünften Türe bis zu einem finalen Blau wechselnd. Dass Blaubart sein Sakko auszieht, damit es sich Judith später überstreifen kann, war weniger aufregend. Beide trugen Microports, vielleicht wegen der Radioübertragung – vielleicht, um bei wechselnden Standorten sich gegenüber dem Orchester behaupten zu können. Den Prolog hat Stefanie Elias in Deutsch gesprochen, gesungen wurde auf Ungarisch.

Gerald Finley hat den Blaubart vor einigen Jahren an der New Yorker Metropolitan Opera verkörpert, die Partie mit dem ungarischen Dirigenten Henrik Nánási einstudiert. Finleys eleganter Bariton zeichnet dem Blaubart vielleicht sensibler und zurückhaltender, als man diese seltsame Figur, die irgendwo zwischen düsterem Märchenprinzen und Serienmörder changiert, zugestehen möchte. Es fehlten insgesamt ein wenig die geheimnisvollen, mythenbeschwörenden Schattierungen einer tiefgründigeren Stimme, eines dunkler malenden Timbres. Finleys Blaubart war nach meinem Eindruck mehr ein unglücklich Liebender, der gefangen in einer aus Depressionen erbauten Burg die Fühler nach einer Gefährtin ausstreckt.

Rinat Shaham hat vor Jahren an der Staatsoper eine „Carmen“-Serie gesungen, dürfte ansonsten in Wien wenig aufgetreten sein. Ihre Judith atmete laszives Selbstbewusstsein und eine starke Emotionalität, mit der sie Blaubart in die Defensive drängte, etwa durch die Bestimmtheit, mit der sie die Öffnung der letzten zwei Türen durchsetzte – eine spannende Szene. Finleys Blaubart schien es dann selbst zu schaudern – obwohl er wissen musste, was sich hinter den Türen verbirgt.

Das Orchester spielte unter Marin Alsop etwas nüchtern, mit klarem, eher schlankem Klang. Die Streicher hätten insgesamt etwas Schwelgerischer ans Werk gehen können. Der Schlussapplaus dauerte rund fünf Minuten lang. In den hinteren Parterrereihen saß das Publikum nicht sehr gedrängt.