HERZOG BLAUBARTS BURG
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Theater an der Wien
19.6.2015
Premiere

Musikalische Leitung: Kent Nagano

Inszenierung: Andrea Breth
Bühne: Martin Zehetgruber
Kostüme: Eva Dessecker
Licht: Alexander Koppelmann

Geistervariationen

Inszenierung: Andrea Breth
Bühne: Martin Zehetgruber
Kostüme: Eva Dessecker
Licht: Alexander Koppelmann
Sounddesign: Markus Aubrecht
Klavier: Elisabeth Leonskaja

Herzog Blaubart - Gábor Bretz
Judith - Nora Gubisch

Schauspielerinnen und Schauspieler:
Sonja Chan, Katrin Grumeth, Heinz Heisinger, Katrin Immervoll,
Grant McDaniel, Erich Mondl, Johann Moser, Karl Netuschill,
Herbert Ottendorfer, Karl Raunig, Michael Reardon, Hans Steunzer

 


„Blaubart & Geistervariationen
(Dominik Troger)

Die Wiener Festwochen widmeten sich im Finale Béla Bartòks blaubärtigem Herzog und kombinierten den Einakter mit einer „szenischen Paraphrase“ auf Robert Schumanns „Geistervariationen“ – und das erwies sich als keine gute Idee.

Es begann mit „Herzog Blaubarts Burg“ in einem abgedunkelten Saal – sogar die diversen Smartphones im Publikum stellten nach und nach ihr Leuchten ein. Nun, es ist auch ziemlich düster in der Burg dieses Frauenschrecks, die Judith mit ihrem Helfersyndrom „erhellen“ möchte, ohne dass sie dabei kapiert, worauf sie sich einlässt. Einen einfachen Tisch mit einem Wasserkrug und sieben Türen zeigte das karge Bühnenbild. Die beiden Protagonisten waren in graues Gewand gekleidet und begannen ihr Beziehungsspiel. Frau und Mann stritten um den Krug, Blaubart lauschte verbissen einem alten Radio. Gierte der introvertierte Burgbewohner auf Nachrichten aus der Außenwelt?

Mit dem Öffnen der ersten Türe kam Bewegung in die Drehbühne – und das Durchschreiten der einzelnen Räume war bühnentechnisch gut gelöst. Aber das Ambiente blieb karg und monoton. In der Waffenkammer standen seltsamer Weise Männer mit Weckern in der Hand, einmal lag ein altes Festnetztelefon auf dem Boden mit aus der Wand gerissenem Kabel – ein fast hilflos anmutendes Symbol für die Abgeschiedenheit von Blaubarts Burg. Im Garten stand ein altes Paar. Der Mann schüttete monoton Erde auf den Boden und die Frau (oder war das auch ein Mann?) reichte Judith Blumen, die sie aber zu Boden fallen ließ, bevor Judith sie ergreifen konnte.

Schon in der Folterkammer war Blaubart wie verrückt von einer Wand zur anderen gelaufen, zehnmal oder öfter hin und her, mit dem Kopf gegen die Mauer schlagend wie ein Tier im Käfig. Judith glitt durch diese depressive Innenwelt Blaubarts, drängte trotzdem immer weiter vor, brachte ihn neugierig dazu, ihr alle Türen zu öffnen – auch die geheimnisvolle siebente und letzte. Jetzt tauchten Blaubarts frühere Liebschaften auf – und der Mann ordnete seinen Harem zu einer Gruppe. Er stellte die Frauen eng zusammen, er kämmte Judiths langes Haar auseinander, so dass es die Köpfe aller Frauen bedeckte – ein kollektives Frauenwesen entstand wie ein Kunstwerk, Blaubarts Kunstwerk, bis die Körper zu Boden gleitend sich wieder vereinzelten, und Blaubart selbst vereinzelt zurückblieb in seinem quälenden Wahn. Vielleicht sind die Frauen jetzt tot, vielleicht zu einem Teil von Blaubarts Erinnerungen geworden?

Aus dieser Beschreibung wird deutlich, dass Andrea Breth in ihrer Inszenierung weder die symbolistischen Farbenspiele von Musik und Libretto, noch die märchenhafte oder dämonische Seite des Werkes angesprochen hat. Breth rückte die Oper in die Nähe einer Krankenbeschreibung, tauchte es in den düsteren Dämmerschein eines von neurotischen Zwängen geplagten Depressivlings, der in sich selbst wie in einem Keller vegetiert, in dem seine Liebesgeschichten unter Spinnweben eingemottet lauern. Im letzten Bild tauchten auch diese Männer wieder auf. Vielleicht Blaubarts Vater und Großvater und Urgroßvater – eine traumatische Familiengeschichte in der Frauen seit Generationen nur die Rolle untergeordneter Geschöpfe spielen, derer man sich bedient und deren Seelen von den Männern zerknetet werden wie Tonkügelchen.

Gábor Bretz als Herzog und Nora Gubisch als Judith entpuppten sich als versierte, aber wenig ausdrucksstarke Sänger, von der Regie mehr in die Nähe zu Schauspielern gerückt. Das Gustav Mahler Jugendorchester unter Kent Nagano war analytisch unterwegs, weniger spannungsfördernd. Die Farbenpalette des Symbolismus hat Nagano nur bedingt „angerührt“. Immerhin haftete der Klangfarbe – zumal in den Bläserpassagen – ein bisschen dieser kühle rotgoldene Blutglanz an, der auf dunklen Steinmauern liegt. Der Prolog am Beginn wurde auf Ungarisch in die Kulissen gemurmelt.

„Herzog Blaubarts Burg“ wird meist mit einem anderen Operneinakter gekoppelt – und da hätten sich viele Möglichkeiten angeboten. Aus unerfindlichen Gründen haben die Wiener Festwochen aber Robert Schumanns „Geistervariationen“ aus dem „Hut“ gezaubert. Ein Klavierstück, das je nach Interpretation um die zwölf Minuten lang ist. Andrea Breth fiel die Aufgabe zu, daraus einen rund 50-minütigen szenischen „Einakter“ zu basteln. Die Musik erklang erst am Ende dieses Versuches, Schumann und Blaubart auf einen Leisten zu nageln – und sie erklang von irgendwo aus dem Bühnenhintergrund, hallig und undeutlich. Dass Schumanns intimes musikalisches Abschiednehmen – er beging während der Komposition einen Selbstmordversuch und kam daraufhin in eine Nervenheilstätte – wie eine verramschte Bühnenmusik präsentiert wurde, war mehr als ärgerlich. Elisabeth Leonskaja am Flügel hatte die Aufgabe, gute Miene zu diesem fragwürdigen Spiel zu machen.

Was sich szenisch vor und zu Schumanns Abschiedsmusik im Theater an der Wien abspielte, war allerdings von einer erschütternden Anspruchslosigkeit. Auf der Bühne mit holzgetäfelten Wänden saßen alte Männer bei sternförmig angeordneten Zentralheizungskörpern und plapperten vor sich hin, erstarrt in plattitüdenhaften Redewendungen: ein mich schwer ermüdender „Theater-Alzheimer“ im Endstadium. Auch ein paar Frauen spielten mit, Hundegebell, eine Signalhorn und Fliegengesumm – offenbar handelte es sich um ein Altenheim oder ein Irrenhaus. Gegen Ende dieser „Installation“ wanderte Blaubart im Hintergrund über die Bühne und murmelte ungarische Sätze. Was auf der Bühne gesprochen wurde, war oft akustisch nicht zu verstehen. Als minutenlang ein Fahrplan vorgelesen wurde, verließen ein paar Besucher den Saal.

Nach gefühlten Stunden erklang endlich und abschließend Schumanns Musik. Die alten Herren begannen aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Zentralheizungskörper zu putzen und es wurde langsam finster im Theater an der Wien. Der Applaus plätscherte zuerst verhalten, zog bei den Musikern stark an, und schloss schließlich auch das Regieteam mit ein, das mit Breth als Galionsfigur auf die Bühne marschierte. Buhrufe gab es keine.