A FLOWERING TREE
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Museumsquartier Halle E Dirigent: John Adams Libretto: John Adams, Peter Sellars nach
Texten von Attipat Krishnaswami Ramanujan Schola Cantorum de Venezuela |
Erzähler - Eric Owens
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Das Mozart gewidmete Wiener „New Crowned Hope“-Festival begann mit einer Opern-Uraufführung: Komponist John Adams und Regisseur Peter Sellars, seit vielen Jahren ein erprobtes Team, stellten ein indisches Märchen auf die Bühne der Halle E im Museumsquartier. Gesamteindruck: naiv-herzlich. Europäisch domestizierte Gemüter haben es mit US-amerikanischen Kulturerzeugnissen nicht immer leicht. Der unschattierte Glaube an das Gute (denn vom „Bösen“ kann hier schwerlich die Rede sein) tendiert leicht zum warmherzigen, gut gemeinten Augenaufschlag volkstümlicher Madonnestatuen, die weiß oder blaubemantelt auch heutzutage noch von ländlichen Flurheiligtümern lächeln. Der aufgeklärte Europäer fühlt sich nicht recht wohl dabei, sein Intellekt schlägt sich verschämt in Falten, und er weiß nicht recht, wie er mit diesem Vexierbild umgehen soll: die Herzerwärmung, die er fühlt, ist das schon Kitsch und daher misszubilligendes Opfer seiner Ironie oder ist es echter Ausdruck einer Sehnsucht nach emotionaler Geborgenheit, Erinnerung an jene „Schönheit“ romantischer Liebe, die als Ableger althergebrachter Ideale noch ein späte, hoffnungsfrohe Blüte treibt? Leicht wäre es, schon aufgrund dieser Ratlosigkeit über „A Flowering Tree“ den Stab zu brechen, über die vergangenheitsselige Klangsprache eines John Adams, dessen minimalistischer Sound sich am eifrigen ausweiden abendländisch-romantischer Musiktradition stark abgekühlt hat und an Peter Sellars multikulturellem „Gut-Mensch-Konzept“, das zu der vorhin genannten „Mutter Gottes“ die Schar verzückter Gläubiger hinzugesellt: ein bunter Bilderreigen, in ein Flower-Power-Dekor getaucht, das Jahrgängen der mittleren Generation mehr den Eindruck von abgewetztem rosa-orangem Diskothekenplüsch vermittelt haben könnte. Doch – dieser Verriss, er funktioniert nicht, er bleibt eine Hypothese. Denn spätestens am Schluss wird man ins Lager jener gutgläubigen Menschen hinübergezogen, die der Madonna keinen Schnurrbart malen, sondern andächtig der Hoffnung lauschen, der die beiden Liebenden Ausdruck verleihen: Frau und Mann, Mann und Frau, die nach schwerer Prüfung wieder zu einander gefunden haben. Dabei lauert unter der Oberfläche des Märchens (wie üblich) einiges an tiefenanalytischem Potential – ein Mädchen, dass sich regelmäßig in einen blühenden Baum verwandelt und derart den Prinzen zur Verzückung bringt, ein Mädchen dessen Rückverwandlung vom Baum zum Menschen durch eine Intrige misslingt, ein Mädchen dessen schöner, anziehender Körper sich in einen verstümmelten Torso verwandelt. (Und die sexuelle Komponente ist nicht nur in der langen Liebesnacht am Ende des ersten Teiles offensichtlich.) Aber dieses Märchen geht gut aus, Prinzessin und Prinz (durch den Verlust seiner „Baum-Frau“ zum weisen Manne gewandelt), finden sich wieder, feiern am Schluss von allen Leiden geheilt eine zweite, „chymische Hochzeit“ allgemeinen Menschentums. Vielleicht gelingt es derart sogar, zum eigentlichen Geheimnis von „A Flowering Tree“ vorzustoßen: als einem Gemeinschaftserlebnis, das wie an einem „Spiritual“ die Seele entzündet, getragen von drei Solisten, drei hervorragenden indonesischen TänzerInnen, die in ungemein vielseitiger Körpersprache das innere Erleben der Solisten reflektieren, von einem venezulianischen Jugendchor und Orchester begleitet. Peter Sellars und John Adams sind die beiden Prediger, die mehr aus dem Hintergrund die Fäden ziehen. Das Resultat ist eine zahme Show, die den Glauben an das Gute im Menschen bestärken möchte, an eine Hoffnung, die über die Gräben einer zerrütteten Welt hinweg die Menschheit selbst in völkerverbindender Eintracht beschwört. Deutlich wird damit aber auch, dass man „A Flowering Tree“ nicht an Adams Welterfolg „Nixon in China“ messen sollte. Das geht einfach nicht zusammen. Außerdem pflegt das Libretto eine sehr blumige Sprache, was manchmal zu unfreiwilliger Komik führt. Trotzdem möchte ich anmerken, dass Adams ein paar schöne und mitreißende Stellen gelungen sind, etwa die erste Verwandlung des Mädchens in einen Baum, wo Blockflötentöne wie Blüten zu wachsen beginnen in kindlicher Unschuld. Beeindruckend das Ende der Oper, eine fulminante Schlusssteigerung, mit viel kompositorischer Energie. Die heroisch-stimmungsvolle Klangwirkung der bläsergetragenen, „walhallgrüßenden“ Einleitung zum zweiten Teil war mir hingegen schon ein zu starkes Selbstzitat (und ganz ohne die gelungene ironische Brechung der Handlung wie in „Nixon in China“) – und des öfteren breitete sich ein impressionistisch gefärbelter musikalischer Magerrasen aus, der eine gute Untermalung aber kaum „Substanz“ bot. Dabei blieb Adams Handschrift durchgehend erkennbar und eine individuelle Note gewahrt. Umgesetzt wurde der Abend in professioneller, einfacher Aufmachung, ausstaffiert mit bunten indischen Gewändern – auch das Orchester. (Der Dirigent & Komponist in einem Sakko, das Erinnerungen an den alten Sgt. Pepper wach rief.) Neben dem links positionierten, etwas überdachten Orchester waren rechts drei stufenartig ansteigende Spielebenen angeordnet, mittig der leicht verhüllte Baum, mit Lämpchenblüten. Die drei Solisten fügten sich gut in ihre „evangelikale“ Rolle ein, gesanglich profund der Erzähler von Eric Owens, sehr amerikanisch Jessica Rivera als aufopferungsbereiter Sopran, Russell Thomas mehr einsatzfreudiger tenoraler Arbeiter als unwiderstehlicher Prinz. Das Orchester kam weniger gut zur Geltung. (Wahrscheinlich als Ergebnis der klangsaugenden Hallenakustik und einem sängerfreundlichen Finetuning der Tonanlage.) Besonderes Augenmerk haben, ich erwähnte es schon, die eindrucksvollen TänzerInnen verdient. Das Publikum reagierte mit angemessen herzlichem Applaus: ein geklatschtes „Amen“ für eine etwas lang geratene „Opern-Predigt“, der ein tröstendes, weltoffenes Charisma nicht abzusprechen ist. |