NIXON IN CHINA

Aktuelle Spielpläne & Tipps
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Zurück

Wiener Operntheater im Wiener Messepalast (Museumsquartier Halle E)
16.10.1997
Österr. Erstaufführung
Premiere

Dirigent: Andreas Mitisek
Inszenierung: Peter Pawlik
Bühnebild: Wilhelm Holzbauer
Kostüme: Jürgen Gaulocher
Chorleitung: Johannes Hiemetsberger

Philharmonisches Orchester Györ

Richard Nixon, Präsident der USA - Martin Winkler
Pat Nixon, seine Frau - Wendy Hill
Chou En-lai, cin. Premierminister - Hideki Kadoya
Mao Tse-tung, Parteivorsitzender - Nicholas E. Saverine
Chiang Ch´ing, Maos Gattin - Soyung Yu
Henry Kissenger - Alfred Werner
Nancy T´ang, 1. Sekretärin Maos - Taecka Hino
u.a.

10 Jahre hat es gebraucht, um eines der wichtigsten zeitgenössischen musikdramatischen Werke nach Wien zu bringen.
(Dominik Troger)

"Nixon in China" ist der Beweis, dass es auch Ende des 20. Jahrhunderts noch "große Oper" geben kann, noch dazu eine, die auch vom Inhalt her "zeitgenössisch" genannt werden darf. Und die Begegnung eines etwas tölpelhaft gezeichneten Richard Nixon mit einem philosophierenden Mao, geschickt von Kissenger und Cou-En-lai eingefädelt und gegängelt, diese Begegnung von Amerikas geldverhaftetem Kapitalismus mit der institutionalisierten chinesischen Revolution, die ein wenig wie ein Papierdrachen in geistigen Höhenflügen von weltpolitischen Klimaschwankungen geschüttelt wird, birgt ein starkes, auch emotionales Spannungspotential.

Am Anfang, wenn Nixon im Anflug ist, und unterschwellig John Adams verzerrte Wagner-Paraphrasen einfließen lässt, denkt man ja noch an eine ironische Aufbereitung des Themas. Aber spätestens im zweiten Bild, wenn sich Nixon und Mao begegnen, setzt Adams schon ganz auf die Überzeugungskraft eines von chinesischen "Denkbildern" durchsetzten Librettos und auf die Kraft der minimalisierten Musik. Adams hat sein Handwerk gelernt, wie man so sagen könnte, setzt auf klassische Vorbilder und braut - ausgehend von seinem minimalistischen Konzept - einen modernen, manchmal fasst musical-ähnlichen Opernsound. Dabei wird der Minimalismus nie zum straffen, trance-erzeugenden Klangteppich, den ein Philip Glass vor den inneren Augen seiner Zuhörerschaft ausbreitet. Adams komponiert durchaus herkömmliche Oper, Szene für Szene, im Wechselspiel der Dialoge, voll dramatischem Impetus. Adams bekennt sich dabei zu einer Art von "Tonalität", die amerikanische Komponisten wieder für sich entdeckt haben und der der Skeptizismus europäischer Komponisten völlig fremd ist.

So schwingt sich alles auf zum Höhepunkt im zweiten Akt, wenn der US-Besuch in die Vorführung eines Revolutionsballetts verwickelt wird und als vermeintlicher Zuschauer die eigene emotionale Verwirrtheit demonstriert, die dieser Besuch in dem bis dahin "verbotenen Land" auch ausgelöst haben muß. Am Schluß (III.Akt) sind dann alle müde, der Abschied naht, es wird ein sehr langes Abschiednehmen (und vielleicht hätten hier ein paar Striche gut getan, aber die Musik ist sehr schön, und es wäre auch wieder schade drum). So endet das Werk mehr besinnlich ruhig, ohne Fanfaren, mit der leisen Melancholie eines philosophischen Kommentars, der das eben geschehene, atemberaubende weltpolitische Ereignis, in die Lebensgeschichten der Protagonisten inetgriert und es für die Annalen aufbereitet. Beginn war um 19.30, Ende so um 23.00.

Die Umsetzung ist hervorragend. Sehr gute Sänger, zwar etwas mikrofonverstärkt, was aber nicht stört und der mühsamen Akustik in der Messepalasthalle nur gut tut. Wegen der brisanten Akustik überdeckt die Bühne auch das Orchester und wurde in den Raum vorgeschoben. Dazu kommen die Bühnenbilder von Wilhelm Holzbauer, die sich mit der Regie (Peter Pawlik) zu einem sehr eindrucksvollen Gesamtkonzept verbinden. Da ist, wie man sagen könnte, keine Handbewegung weggeworfen, da ist alles durchdacht, geplant, stimmig in den Fluß der Musik eingebettet, da paßt alles bis ins Detail. Da hat man sogar für den Star des Revolutionsballetts einen in Peking ausgebildeten Tänzer engagiert, der in den Messepalast wirklich noch so den Hauch eines kraftvollen, neuen Menschen zaubert, der mit ein paar wohldosierten Sprüngen, die Welt rettet.

Es wird mit einfachen Mitteln sehr prägnant chinesisches Massengefühl vermittelt. Wenn der Chor in den Händen eine Fahrradlenkstange hält und damit durch die Gegend kurvt, wenn spielende Kinder aufgemalt auf eine Pappendeckelwand hin- und hergeschoben werden, dann trifft das perfekt ein massenkollektivistisches Dasein chinesischer Wirklichkeit nach der Kulturrevolution. Es fällt auf, daß auf den Einsatz moderner Darstellungstechniken wie Videoeinspielungen ganz verzichtet wird. Und es wäre sicher eine Verlockung gewesen, über eine Leinwand originales Filmmaterial flimmern zulassen, zu einem Mix zusammengecuttet, im Takt. Ja, es ist nahezu unglaublich, daß man mit den herkömmlichsten Darstellungsmitteln so eine dichte szenische Umsetzung erzielen kann. Und daß die Hauptfiguren einer präzisen Personenregie folgen und sich wie Schattenrisse ihrer originalen Vorbilder, gleichsam wie Erinnerungen an eine lange Fernsehnacht, über die Bühne bewegen, versteht sich da fast schon von selbst.

Musikalisch bewährte sich das Philharmonische Orchester Györ unter Andreas Mitisek, der für eine spannungsgeladene, präzise Umsetzung der Partitur sorgte. Martin Winkler, einer der "Stars" der freien Wiener Operngruppen, bot eine eindrucksvolle und gesanglich stets präsente Nixon-Studie und soll hier stellvertretend für das gesamte ausgezeichnete Ensemble hervorgehoben werden. Die Anmerkung, dass die derzeit erhältliche CD-Gesamtaufnahme von Nixon in China, musikalisch NICHT an diese Produktion heranreicht, diene als weiterer Beweis für diese erstklassige Aufführung. Die Premiere war ausverkauft.