WIENER ERSTAUFFÜHRUNG

MEISTERSINGER 1870

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Zur Erstaufführung von Wagners „Meistersingern“ in Wien
Eine kursorische Betrachtung in mehreren Teilen
Teil 7

Am 27. Februar 1870 gingen in der neuen Wiener Hofoper Wagners „Meistersinger“ zum ersten Mal über die Bühne. Es war eine umstrittene Aufführung mit einer langen Vorgeschichte...

Abschließend noch ein paar kurze Anmerkungen zu den weiteren Aufführungen: die zweite Aufführung am 4.3. litt unter der Indisposition von Berta Ehnn, die dritte Aufführung vom 9.3 wurde kurzfristig durch einen „Freischütz“ ersetzt und am 16.3. nachgereicht. In ihr stellte sich dem Wiener Publikum eine neue Eva vor. Es folgten im März noch zwei weitere Vorstellungen – die „Meistersinger“ hatten den ersten großen Proteststurm überstanden.

Zur zweiten und zur dritten Aufführung folgen noch je eine Zeitungsnotiz:

„Die zweite Aufführung der „Meistersinger“ fand vor einem nicht ganz so zahlreichen, aber auch nicht so erregten Publikum, wie die erste statt. Diesmal war die Opposition in der Minorität, das Beckmesser-Ständchen im zweiten Akte ging ruhig vorüber, nur die große „Keilerei“ am Schlusse desselben fand ihr – diesmal nur schwaches Echo – im Zuschauerraume. Der Applaus war im Ganzen minder stürmisch, als bei der ersten Vorstellung, die Aufführung aber nicht ganz so frisch und durch die Indisposition des Fräuleins Ehnn, die sich im Verlaufe des dritten Aktes bis zur vollständigen Heiserkeit steigerte, ging leider das musikalisch schönste Stück der Oper, das Ges-dur-Quintett, fast ganz verloren. Dafür war wieder Herr Beck grandios in jeder Beziehung, Herr Rokitansky gab sich lebendiger, Herr Campe manirierte weniger, als neulich.“

„Die gestrige dritte Vorstellung der „Meistersinger“ wurde, wie eine Notiz am Theaterzettel meldete durch Fräulein Bosse ermöglicht, welche die Rolle der Eva wegen fortdauernder Unpäßlichkeit des Fräulein Ehnn „rasch übernommen“ hatte. Dieses indirekte Nachsichtsgesuch legt der Kritik diesmal natürlich Reserve auf; wir beschränken uns darauf, zu konstatiren, daß die dramatische Haltung, Textes-Aussprache und auch die Tonfestigkeit des Fräuleins Bosse wohl Manches zu wünschen übrig ließen, daß aber diese Mängel vielleicht später mit der Befangenheit der Sängerin schwinden dürften. Durch ihre Prachtstimme verstand es Fräulein Bosse aus der Rolle der Eva mitunter mehr Kapital zu schlagen, als Fräulein Ehnn; das herrliche Quintett des dritten Aktes erhielt durch ihre Mitwirkung einen noch ungeahnten Glanz. Die Besetzung der übrigen Partien bot nichts Neues. Das Haus war sehr gefüllt, die diesmalige Aufnahme der Oper nicht stürmisch, aber nahezu einstimmig freundlich. Die Leidenschaft der Parteien scheint sich endlich gelegt zu haben.“

ENDE

(Zitate kursiv. Detaillierte Quellenangabe auf Anfrage.)
Alle Cosima-Zitate nach: Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe. Direct Media Publishing GmbH. Berlin 2004.

www.operinwien.at
2007 - © Dominik Troger