DER KÖNIG KANDAULES
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Zemlinsky-Portal

Wiener Volksoper
5.5.2011

Dirigent: Alfred Eschwé

Szenische Neueinstudierung Monika Steiner nach der Regie von Hans Neuenfels

König Kandaules - Robert Brubaker
Gyges - Kay Stiefermann
Nyssia - Meagan Miller
Phedros - Alexander Trauner
Syphax - Stephen Chaundy
Nicomedes - Einar Th. Gudmundsson
Pharnaces - Karl Huml
Philebos - Yasushi Hirano
Simias - Christian Drescher
Sebas - Karl-Michael Ebner
Archelaos - Steffen Rössler
Der Koch - Florian Spiess
Stumme Rollen:
Trydo - Susanne Litschauer
Zemlinsky - Alexander Löffler


„Geteilte Liebe ist ein Unglück“
(Dominik Troger)

Zemlinskys „König Kandaules“ hinterfragt an der Volksoper erneut sein Glück. Im Anschluss an die Wiederaufnahme dieser Produktion aus dem Jahr 1997 wurde der Wiener Volksoper der Alexander-Zemlinsky-Preis verliehen.

„Der König Kandaules“ war bei der Premiere ein großer Erfolg und wurde jetzt nach rund sechsjähriger Unterbrechung wieder in den Spielplan aufgenommen. Die Erfolgsbesetzung von 1997, Kurt Schreibmeyer als Kandaules, Wicus Slabbert als Gyges, Gertrud Ottenthal als Nyssia hat in Robert Brubaker, Kay Stiefermann und Meagan Miller würdige Nachfolger gefunden. Das Volksopernorchester, von Alfred Eschwé bestens einstudiert, ließ wieder sein Faible für Zemlinskys Klangsprache hören, die sogar gegenüber dem Übervater jener Epoche, Richard Strauss, ihre Eigenständigkeit zu wahren weiß.

Die Geschichte von dem König, der sein Glück solange teilt, bis es ihn in Gestalt seines „Freundes“ Gyges sogar das Leben kostet, hat Zemlinsky von einem Drama André Gides „geborgt“ und dessen symbolistische „Psychologie“ durch Musik mit einem lebensfähigen Substrat versehen. Eigentlich ist die Geschichte ein bisschen verrückt, aber die pikante Frage nach der Teilbarkeit des Liebesglücks, die den König wie eine fixe Idee verfolgt, mischt sich geschickt mit den voyeuristischen Phantasien des Publikums. Zerrt Kandaules das große Glück seiner Liebe zu Nyssia nicht an die Öffentlichkeit?

Das erst Jahre nach Zemlinskys Tod (1942 im amerikanischen Exil) vom Musikwissenschaftler Antony Beaumont komplettierte und 1996 uraufgeführte Werk besitzt offenbar genügend Wirkungskraft, um sich im Opernalltag zu behaupten. Allerdings mildern lange Aufführungspausen die Publikumsakzeptanz, wie man an der mäßig besuchten Volksopern-Wiederaufnahme sehen konnte.

Anlässlich der Premierenserie vor 14 Jahren war ich persönlich etwas skeptisch, was den Stellenwert des „Kandaules“ im Rahmen der Opernhistorie betrifft. Im Nachhinein fällt es mir leicht einzugestehen, dass das Werk seinen persönlichen Charakter gewahrt hat. In Zemlinskys Musik liegt eine Nähe zur Moderne, die man nicht gleich heraushört, weil sie sich hinter einer Kulinarik versteckt, die das Publikum im Auge behält. Die Stabführung von Alfred Eschwé hat der Wiedergabe zudem eine angenehme Frische und Klarheit verliehen und das Drama nicht mit zu schweren Gefühlsaufwallungen zugedeckt.

Dabei kann man sich in diesem Fall sogar mit der Inszenierung von Hans Neuenfels anfreunden, die von Monika Steiner mit einer Großteils neuen Besetzung geflissentlich einstudiert wurde. Mit einfachen Mitteln bleibt Neuenfels einer mehr symbolhaft anmutenden Bildsprache verwurzelt, die sehr gut mit der Visualisierung unbewusster Triebwünsche korreliert. Der Schrecken eines Bühnenrealismus – etwa wenn Gyges seine Frau ermordet – bleibt abmildernd in diesen Rahmen eingebettet. Sogar die dazu erfundene stumme Rolle des Alexander Zemlinsky passt sich gut in die Szene ein und vermittelt in Summe so etwas wie eine traurige, sich im Exil nach der Heimat sehnende Komponistenseele. Selten gelingt die Hereinnahme außerwerklicher Bezüge so harmonisch und sinngefällig.

Auf der Bühne ließ der Gyges von Kay Stiefermann aufhorchen – der mit flexiblem, kernigem Bariton und sehr gutem Spiel keine Wünsche offen ließ. Stiefermann galt vor zehn Jahren als „große Hoffnung“ und er dürfte – nach dieser Aufführung zu schließen – seine stimmlichen Ressourcen seither sehr gut entwickelt haben.

Robert Brubaker als Kandaules konnte stimmlich nicht ganz anschließen, sein Tenor passte aber recht gut für diese Partie, die durchaus eine heldische Note verlangt. Meagan Miller, die vor zwei Jahren an der Volksoper mit einer sehr guten Ariadne debütiert hat, erfüllte als Nyssia die in sie gesetzten Erwartungen. Die weiteren Mitwirkenden brachten sich als Kandaul’scher Hofstaat bestens ein.

Nach der Aufführung wurde vom Alexander-Zemlinsky-Fonds, vertreten durch den stellvertretenden Vorsitzenden Peter Marboe, der Alexander-Zemlinsky-Preis für besondere Verdienste um Alexander Zemlinsky an die Wiener Volksoper verliehen. Direktor Robert Meyer nahm den Preis entgegen, verwies auf das persönliche Wirken des Komponisten im Haus am Währinger Gürtel und versprach den Preis so aufzustellen, dass ihn auch das Publikum bewundern könne.

Meyer ließ übrigens in der kurzen Lichtpause nach dem ersten Akt aus der Direktionsloge seine raumfüllende Schauspielerstimme erschallen, um das in die vermeintlich „richtige“ Pause strömende Publikum wie eine versprengte Schafherde wieder „einzusammeln“: diese ist nämlich erst nach dem zweiten (!) Akt angesetzt.

Das Publikum spendete viel Schlussapplaus.