ORESTEIA

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Karlsplatz
19.5.2011
Premiere

Musikalische Leitung: Peter Rundel

Künstlerisches Konzept: Carlus Padrissa (La Fura dels Baus)
Künstlerisches Konzept & Bühne: Roland Olbeter
Choreographie & Regieassistenz: Saskia Hölbling
Kostüme: Chu Uroza
Elektroakustische Klangregie: Wolfgang Musil

Remix Ensemble Casa da Música
Perkussion: Dirk Rothbrust

Webern Kammerchor der MDW (Leitung: Alois Glaßner)
Kinderchor / HIB Wien 3, Chor der Klassen 4E, 2C und 1D (Leitung: Engelbert Hirzberger)

Koproduktion Wiener Festwochen, Wiener Taschenoper - In Kooperation mit Fundação Casa da Música

Bariton - Carl Rosman
Sprecher - Michael Masula


„Open Air am Karlsplatz“
(Dominik Troger)

Der Karlsplatz als „Opernbühne“: Die Wiener Festwochen bringen gleich zu ihrem Start an drei Tagen das Musiktheaterstück „Oresteia“ von Iannis Xenakis in einer szenischen Umsetzung von Carlus Padrissa, Mitbegründer der Theatergruppe La Fura dels Baus. Bei freiem Eintritt!

„Oresteia“ ist der Versuch, Aischylos mit einer Mischung aus spracharcheologischem Spürsinn und zeitgenössischer Musik zu begegnen, um das mythische Feuer dieses Stoffes neu zu entfachen. Dabei folgte Xenakis der Musikalität des altgriechischen Textes, die er als Basis nahm für eine virtuose, oft auch spröde die Grenzen von Musik und Sprache überschreitende „Verlautung“. Dabei hat sich Xenakis „archaischer“ musikalischer Formsprachen bedient, wie etwa dem Tetrachord beziehungsweise auf mikrotonale Strukturen gesetzt.

Das Stück dauert knapp eindreiviertel Stunden und gliedert sich blockartig in drei große Szenen, die – inklusive einer revidierten Fassung – im Zeitraum von Mitte der 1960er Jahre bis 1992 entstanden sind. Dazu gehören beispielsweise Kassandras Mahnungen, die von bedrohlicher Perkussion untermalt, einem solistisch agierenden Bariton in die Kehle beziehungsweise ins „Falsett“ gelegt wurden, was selbigen zu einem fast schon schizophren zu nennenden Zwiegespräch verdammt.

Der 2001 verstorbene Komponist hat sich Zeit seines Lebens auch stark für Architektur interessiert. Insofern war dieser Aufführungsort, die imposante Barockkulisse der Karlskirche im Hintergrund mit dem vorgelagerten Teich, durchaus passend, um den „Gesamtkunstwerk-Charakter“ dieses Stückes zu vermitteln. Problematisch ist bei Open-Air-Aufführungen, die man so „einfach“ ins Stadtbild integriert, aber nicht nur die Akustik, sondern es stellt sich vor allem die Frage, wie man das Geschehen räumlich so bündelt, dass der Gesamteindruck nicht verloren geht. Wenn man, wie in diesem Falle, sich als Publikum rund um einen großen Teich zu positionieren hat, beziehungsweise seitlich vom beeindruckenden Kirchenentrée, dann gibt es möglicherweise überhaupt keinen Punkt, von dem man das Geschehen in seiner „Totalität“ rezipieren kann.

Die Lösung, das Orchester auf ein überdachtes Ponton mitten in den Teich zu verpflanzen, hatte zudem den Nachteil, dass das szenische Geschehen schon dadurch „verfremdet“ war und diese „Totalität“ ohnehin nicht mehr erzielt werden konnte. (Man bespielte die Fläche vom Portal der Kirche inklusive Teich bis zu einem schmalen, mit Erdhaufen drapierten Stück des dem Kircheneingang gegenüberliegenden Ufers.) In der Mitte des Teiches hatte man ein großes Kletternetz errichtet, wie man es auf Kinderspielplätzen findet, aus dem teilweise stoffverhüllte Äste in die Höhe ragten. Auf dem Teich schwammen Metallwannen, in denen Feuer brannten, auch der Aufgang zur Kirche war mit Kerzen beleuchtet und wurde zu ein paar feurigen Einlagen genützt. Die Aufführung wurde zeitlich an die einfallende Dämmerung angepasst und begann kurz nach 20.30 Uhr.

Solange man aus den Lautsprechern beschallt wurde, war die Akustik überraschend gelungen, warum in der finalen Sequenz darauf verzichtet wurde, erschließt sich mir nicht. Es gab keine Absperrungen, die das Publikum vom Park abtrennten. So strömten immer wieder Leute vorbei, telefonierten oder „summten“ auf Rädern stadt-ein-/auswärts. Entengequake mischte sich in die Vorstellung, Kirchenglöckchen und ein aufgebrachter Passant, der sich über dieses Spiel „in front of a church“ eine Zeitlang mit rauer und kräftiger Stimme penetrant in englischer Sprache alterierte. Ich schreibe jetzt nicht, welches Schimpfwort er immer wieder gerufen hat, von dreimaligem Händeklatschen begleitet, aber hier war jemand von Xenakis Komposition offenbar schwer entzürnt worden.

Abgesehen von solchen „Vorfällen“ entwickelte sich der Abend doch nicht so stringent, wie ich erhofft hatte. Die Szene vor dem Portal der Karlskirche war spannend und dicht (wohl, weil ich in der Nähe stand). Die Fassade dieser Kirche mit den beiden mächtigen Säulen ist eine „unbezahlbare“ Kulisse. Man sollte hier einmal Barockoper spielen. Die Szenen, die weiter entfernt stattfanden, entzogen sich dann der emotionalen Tuchfühlung. Der Szenenverlauf hatte zudem eine gewisse Trägheit, so musste der Chor erst hinter die „Orchesterinsel“ wechseln. Dazu wurde ein Schiffchen mehrmals hin und her geführt. Auch hier wurde wieder diese archaische „Totalität“ durchbrochen. Aber vielleicht hat man als Besucher an einem anderen Standort einen anderen Eindruck gewonnen.

Carl Rosman stellte seinen Bariton bei – und das kann nur bewundert werden, wie aufopferungsvoll er sich Xenakis Sprechgesang widmete und dabei noch szenische Unbillen in Kauf nahm. Ansonsten kann aufgrund der Open-Air-Verhältnisse nur das Unternehmen an sich gewürdigt werden. Das Publikum hielt durch – ein paar hundert Leute werden es schon gewesen sein, die den Teichrand und umliegende Parkbänke oder Steinstufen säumten. Es gab regen Schlussapplaus. Weitere Aufführungen 20. und 21. Mai.

Fazit: Aufführungen dieser Art erwarte ich von den Wiener Festwochen – und nicht das „Aufwärmen“ bekannten Repertoires, das in Produktionen sowohl an der Staats- als auch an der Volksoper vertreten ist (wie es auf den Ende Mai im Theater an der Wien geplanten „Rigoletto“ zutrifft).

Einige Bilder vom Ort des Geschehens und von der Aufführung gibt es hier:
http://operinwien.blogspot.com/2011/05/xenakis-oresteia-wiener-festwochen-2011.html