DIE DREIGROSCHENOPER
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Theater an der Wien
Premiere
13. Jänner 2016

Musikalische Leitung: Johannes Kalitzke

Inszenierung: Keith Warner
Co-Regie: John Lloyd Davis
Dialogcoach: Andreas Zimmermann
Bühne: Boris Kudlicka
Kostüme: Kaspar Glarner
Choreographie: Anthony van Laast
Licht: Bruno Poet

Orchester Klangforum Wien
Chor Arnold Schoenberg Chor
(Ltg. Erwin Ortner)

Macheath - Tobias Moretti
Jonathan Jeremiah Peachum - Florian Boesch
Frau Peachum - Angelika Kirchschlager
Polly Peachum - Nina Bernsteiner
Spelunkenjenny - Anne Sofie von Otter
Brown, Polizeichef - Markus Butter
Lucy - Gan-ya Ben-gur Akselrod
Smith | Pastor Kimball - Martin Berger
Filch | Konstabler - Benjamin Plautz
Trauer-Weiden - Walter Michael Schusser
Haken-Finger - Jakob Florian Stanek
Münz-Matthias - Nikolaus Firmkranz
Ned | Konstabler - Juliusz M. Kubiak
Ede | Hure - Isabell Pannagl
Dolly - Nele Neugebauer
Vixen - Nahoko Fort-Nishigami
Betty - Elizabeth Kanettis


Nette Revue
(Dominik Troger)

Viele Zähne zeigte der in der Brecht/Weil’schen „Dreigroschenoper” prominent zitierte Haifisch am Premierenabend nicht. Einerseits sind ihm über die Jahrzehnte schon einige ausgefallen – andererseits hat die drehbühnen-beschleunigte Inszenierung dem metaphorisch gebrauchten Meeresbewohner die verbliebenen Beißerchen ziemlich stumpf geschliffen.

Vor zehn Jahren, im Jänner 2005, wurde das Theater an der Wien wieder ganz der Oper gewidmet, die aktuelle Neuproduktion der „Dreigroschenoper” ist also eine „Jubiläumsinszenierung”. Freilich fragte man sich schon bei der Präsentation der Saisonvorschau, warum gerade der „Dreigroschenoper” solche Ehre zu Teil würde. Denn fühlt sich diese nicht meist im Sprechtheater mehr zu Hause als auf der Opernbühne? Das gesprochene Wort ist bei Schauspielern in der Regel besser aufgehoben – und die doch eher einfach konzipierten Songs, die schon ins „Schlagermilieu” abdriften, leben nicht vom Kunstgesang, sondern vor allem vom leicht anrüchigen Charakter der Vortragenden.

Das Theater an der Wien hat an der Besetzung wirklich nicht gespart. Tobias Moretti als Macheath im hellen Anzug zog sich immerhin sehr sportlich am Gestänge seines schmalen Gefängniskäfigs hoch und sang (!) dabei. Er sang auch kopfüber. Aber irgendwie hat hier der Showeffekt mehr gezählt, als eine tiefschichtigere Darstellung des Bühnencharakters. Dieser Macheath ist zwar kriminell, egozentrisch, wirkte dabei aber wie mit Teflon geglättet, an dem alle niederen und höheren Instinkte abrutschten – und dieser Edelböse könnte genauso im Nadelstreif an der Börse spekuliert haben und nicht nur mit den Reizen Minderjähriger.

Aber an diesem Punkt kommt natürlich schon die Regie (Keith Warner) ins Spiel. Angesiedelt war die Handlung in den 1950er-Jahren. Das drehbare Bühnenbild zeigte eine „Bühne in der Bühne“ mit einem schmalen, hochgebauten Garderobentrakt dahinter. Die ganze Aufführung wirkte wie geglättet, mit vielen bunten Bildern zu einer Revue gedrechselt, die nie ganz langweilig wurde, die aber einen auch nur selten in das Stück hineinzog. Die Songs bildeten durchaus mit Pfiff choreographierte Nummern – aber es hätte nicht geschadet, zwei oder drei zu streichen und mehr auf Stringenz zu setzen. Im Finale verwandelte sich der „Choral der Ärmsten“ plötzlich in ein tanzendes Show-Ensemble mit roten Zylindern, silbernen Bodys und hellen Sakkos. Aber wenn das als Parodie gedacht war oder als Provokation: Vom Publikum wurde es wohl mehr als Behübschung aufgefasst. An Stelle des königlichen Boten schaute die Königin persönlich bei der Hinrichtung vorbei, schwebte im Thron sitzend vom Schnürboden – in der Person von Markus Butter, zuvor ein mäßig eindrücklicher Polizeichef von London.

Die Personalunion von Theater und Oper funktionierte mehr oder weniger gut. Am besten wohl bei Nina Bernsteiners Polly, die frisch und unbekümmert an der Seite des narzisstischen Macheath die Höhen und tiefen ihres jungen Ehelebens durchschreiten musste. Mit Lucy (Gan-ya Ben-gur Akselrod) lieferte sie sich auch eine resche Streiterei im Barockkostüm (!), die zu den wenigen Highlights des Abends zählte. Angelika Kirchschlager (Frau Peachum) und eine handzahme Spelunkenjenny (Anne Sofie von Otter) glätteten ihren Gesangpart mit Opernerfahrung und der eher gemütliche Florian Bösch (Mister Peachum) war mehr beim Singen zu Hause, als beim Sprechen. Die Sängerinnen und Sänger trugen übrigens Mikroports. Der Arnold Schönberg Chor war auch bei Brecht und Weil gut aufgehoben.

Am interessantesten gelang wohl der Beitrag des Klangforums Wien unter der Stabführung von Johannes Kalitzke. Das Ensemble machte aus Weils Musik eine präzis gestaltete „musikwissenschaftliche Vorlesung“, die aber in jenen Ernst getaucht war, den es üblicher Weise für Partituren bereithält, bei denen Brechts Bühnengeschöpfe die Ohren anlegen würden: Mehr „Schmäh“ hätte wirklich nicht geschadet.

Ein paar Mal gab es tröpfelnden Szenenapplaus – und der Schlussapplaus war symptomatisch: Das Publikum wollte eigentlich schon nach einem beklatschten Solovorhang nach Hause, und als kaum noch wer klatschte begann doch noch ein zweite Verbeugungsrunde. Zum ersten Schlussvorhang pendelte eine Macheath-Puppe am Strang über die Köpfe hinweg. Hat ihn der Arm des Gesetzes also doch noch erreicht?!