THE BEAR

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Konzerthaus
9.6.2004
Konzertante Aufführung

Dirigent: Simone Young

Radio Symphonieorchester Wien

Die Abreise
Luise - Ruxandra Donose
Gilfen - Bo Skovhus
Trott - Jorma Silvasti
The Bear
Popova - Ruxandra Donose
Smirnov - Philip David Zawisza
Lukat - Sten Byriel

Vom Abreisen und vom Einspringen
(Dominik Troger)

Diese konzertante Aufführung von d‘Alberts „Die Abreise“ und Waltons „The Bear“ wird man so schnell nicht vergessen: Anmarsch unter heftigem Gewitterregen und eine wörtlich genommene „Abreise“ von Bo Skovhus in der Pause. Skovhus hatte infolge einer schweren Verkühlung das Handtuch werfen müssen. Trotzdem fand „The Bear“ statt. Der Einspringer saß im Publikum.

Das Konzerthausmanagement wird in den letzten Tagen ziemlich geschwitzt haben. Bo Skovhus hatte bereits am Vortag – wie man verlauten ließ – schwer angeschlagen eine Absage überlegt, sich dann aber zu einem tapferen Versuch entschlossen. Er kämpfte sich wacker durch die „Abreise“, aber dann war endgültig Schluss.

D’Alberts „Die Abreise“ ist eine im Konversationston gehaltene, einaktige Komödie, die vieles von Richard Strauss vorwegnimmt, aber leider nur in einer Art von Vorstufe. Die Musik ist luftig und zielt auf jenes lyrisches Sentiment, das Strauss ab dem „Rosenkavalier“ mehr und mehr verfeinert hat. D’Albert entdeckte auch schon die Koketterie des Walzers, als Ausdruck einer gehobeneren, bürgerlichen Erotik, die sublim umschreibt, worüber sich nicht zu sprechen ziemt. Die Dreiecksbeziehung dieses Einakters – der damit endet, dass Mann und Frau wieder zueinanderfinden und der (Haus-)Freund abreist – bleibt letztlich genauso unverbindlich wie die Musik, die sich stellenweise fast operettenhaft aus der Verantwortung zieht. Dazu kommt, dass Richard Strauss das Genre der „Konversationsoper“ derart dominiert hat, dass man ihren eigentlichen Beginn, die Innovation D’Alberts, wohl nur mehr aus dieser historischen Perspektive würdigen kann.

Allerdings, es ist auch keine sehr gute Aufführung gewesen. Ruxandra Donose (Luise) charakterisierte „Die Abreise“ mit starkem Stimmflattern quer durch alle Lagen und mühsam gehaltenen, uneben klingenden Höhen. Da entwickelte sich wirklich keine laszive Mischung aus Operette und Strauss’schem Melos. Jorma Silvasti, der ziemlich höhenlos agierte, schwamm mit der Partie des Trott ein wenig im interpretativen Nirwana zwischen Charakterfach und Liebhaber. Mir war Silvasti schon zu dramatisch besetzt, der Charakter kam stellenweise noch durch. Es war mir letztlich auch zu schwerfällig dirigiert, zu wenig luzid. Denn die Musik d‘Alberts ist zu diesem seichten Libretto schon irgendwie kongenial. Aber wie bringt man das heraus? Skovhus (Gilfen) hätte es möglicherweise gekonnt, seine Stimme verfügt über dieses wohltimbrierte „Parfum“, um solche Werke „duftig“ zu machen...

(Eine hübsche Pointe lieferte noch das begleitende Gewitter. Fünfter Auftritt: Luise (allein) ... der Wahn entflieht, das Glück zerrann / Am Himmel murmeln die Gewitter... Der Einsatz des Donnergrollens hätte genau an dieser Stelle nicht passender sein können. Drohend murmelte es von draußen in den Saal.)

Die Pause dauerte eine dreiviertel Stunde. Skovhus war nach Hause gegangen, aber im Publikum saß mit Philip David Zawisza der Retter des Abends. Zawisza hat „The Bear“ voriges Jahr an der Wiener Kammeroper gesungen – allerdings in deutscher Fassung. Er nutzte die verlängerte Pausenzeit, um sich in die englische Fassung einzulesen und sprang dann ins kalte Wasser. Zawisza (Smirnov) ging nicht unter, ganz im Gegenteil. Es gelang ihm sogar, Akzente zu setzen, und er hat sich den starken Schlussapplaus mehr als verdient. Ein Husarenstück, wie man so sagt, ein wirklich gelungenes. Ruxandra Donose (Popova) fühlte sich beim „Bären“ wohler. Das Stück kam ihrer Stimme stilistisch viel mehr entgegen. Nichts auszusetzen gab es am angenehm klingenden, hellen Bass von Sten Byriel (Luka).

Der „Bär“ ist eine Oper (Werkbezeichnung: „Extravaganza in einem Akt“) nach dem gleichnamigen Tschechow-Stück. Sie steht in bester britischer Tradition. Die Musik besitzt einen mehr intellektuellen Humor, den man nicht immer sehr deutlich heraushört. Das Werk wurde 1968 uraufgeführt und könnte – in gewisser Weise und um die historische Relation zu bestimmen – auch von Britten sein. Aber „The Bear“ ist feinnerviger gebaut, ohne sich allerdings die eine oder andere Derbheit zu versagen.

So war am Schluss das Publikum doch zufrieden - „The Bear“ war insgesamt eindeutig besser gelungen - und spendete reichhaltigen Applaus.