TALESTRI, REGINA DELLE AMAZZONI
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Kosmos-Theater
30.1.2013

Österreichische Erstaufführung
am 22. Jänner 13

Musikalische Leitung: Elisabeth Attl

Konzept und Regie: Heidi Sommer
Bühne: Julia Rautenhaus
Kostüme: Aleksandra Kica
Video: Hannah Dörr
Licht: Kathrin Kölsch

WienerKlassikNonett

Talestri - Anna Manske
Tomiri - Heidi Brunner
Oronte - Roland Schneider
Antiope - Ivana Canovic
Learco - Francesco Divito

Schauspielerin - Maria Fliri


Feministische Aufklärung
(Dominik Troger)

Das Kosmos-Theater macht mit „Talestri, Regina delle amazzoni“ einen Ausflug zur Barockoper. Der ewige Konflikt zwischen den Geschlechtern wird zum Anlass für eine spannende Synthese von Barockmusik und modernem Theaterverständnis.

„Talestri, Regina delle amazzoni“ wurde nach der Erstaufführung 1760 in München auch am 24. August 1763 in Dresden aufgeführt: Komponistin, Librettistin und Sängerin (!) der Titelpartie, die Gemahlin des damaligen sächsischen Kurprinzen höchstpersönlich: Maria Antonia Walpurgis. Maria Antonia Walpurgis (1724-1780) zählte zu den schillernden Frauenfiguren ihrer Zeit: künstlerisch umfassend ausgebildet, Mutter von neun Kindern, Landesfürstin und Opernkomponistin.

Die Titelfigur beruht auf der antiken Amazonenkönigin Thalestris, die sich laut legendenhafter Überlieferung um ein Kind von Alexander dem Großen bemüht hat. Alexander der Große kommt in der Oper nicht vor, viel mehr wird die Auseinandersetzung der Amazonen mit den Skythen thematisiert. Die Handlung bringt Talestri in eine schwierige Situation: Sie verliebt sich in Oronte, einen skythischen Prinzen, der sich bei den Amazonen eingeschlichen hat. Es gelingt ihm, das Herz der Königin zu erobern. Als er seine wahre Identität zu erkennen gibt, wird er gefangen genommen. Das Gesetz verlangt seinen Tod. Er ist nicht nur Skythe, sondern ein Mann!

Als sich die Amazonenkönigin dagegen sträubt, wird ihr von der Oberpriesterin Tomiri ins Gewissen geredet. Doch dann stellt sich heraus, dass Orontes Tomiris Sohn ist. Talestri entscheidet deshalb, dass Tomiri selbst das Todesurteil vollstrecken muss. Als Tomiri antritt, ihren Sohn hinzurichten, siegen ihre Muttergefühle. Es gibt ein Happy-end: Talestri heiratet Oronte und ihre Freundin Antiope heiratet Learco, den Freund des Orontes.

Walpurgis hat mit der Figur der Amazonenkönigin „Talestri“ auch ein politisches Statement abgegeben. Selbst Landesfürstin hat sie eine Frau als Herrscherin auf die Bühne gestellt, die eine Krise meistert, im obligaten glücklichen Finale ihren Liebsten bekommt, und noch dazu an der Macht bleibt. Weibliche Herrschaft wird nicht nur als möglich, sondern genauso als „vernünftig“ und erfolgreich gezeichnet wie das männliche Adäquat. Auf diese Weise hat Walpurgis aufklärerisches Denken mit – aus heutiger Sicht – feministischem Gedankengut verschmolzen.

Das dreiaktige Werk wurde im Kosmos-Theater in einer gekürzten zweiaktigen Form gegeben. Regisseurin Heidi Sommer hat die Problematik des Geschlechterkonfliktes deutlich verschärft und das Werk um die Figur einer Schauspielerin vermehrt, die diesen Konflikt „personifiziert“. Diese Schauspielerin spricht immer wieder kurze Kommentare in deutscher Sprache, die auch die Handlung der italienisch gesungenen Oper (ohne Untertitel) für das Publikum transparenter machen. Es hat zudem den Anschein, als würde die Schauspielerin die übrigen Figuren in ihrem Konflikt bestärken. Schließlich gelingt es diesen, die „Intrige" der Schauspielerin zu durchschauen. Sie wird der Bühne verwiesen. Am Schluss wird eine Videoprojektion gezeigt, in der die Schauspielerin das Theater verlässt und zur Straßenbahnhaltestelle der Linie „49“ geht, gleich vor dem Kosmos-Theater. Das barocke „lieto fine“ bleibt dadurch in Schwebe, der Geschlechterkonflikt existiert immer noch, damals wie heute.

Leider macht das Programmheft keine Angaben, wie sich das ursprüngliche Werk zu der im Kosmos-Theater gegebenen Fassung verhält. Eine genauere Inhaltsangabe der Oper per Websuche aufzustöbern, gestaltete sich als schwierig. Es scheint im dritten Akt eine Schlachtenszene zwischen Skythen und Amazonen zu geben, und die Situation der Talestris ist in der Vorlage offenbar noch viel prekärer. Abgesehen von der „konzeptionellen Ausrichtung“ hat die eng bemessene Räumlichkeit des Spielortes weitere Abstriche erfordert: etwa beim Orchester.

Insofern hat es sich zwar laut Programm bei dieser Produktion um die österreichische Erstaufführung gehandelt, aber die Rahmenbedingungen waren im Vergleich zur barocken Vorlage doch sehr speziell und einschränkend. Abgesehen von diesem „akademischen Vorbehalt“ war die rund zweieinhalb Stunden währende Aufführung (inklusive einer Pause) aber ein sehr gutes Beispiel dafür, wie wenig Mittel es braucht, um spannendes und modernes Musiktheater zu machen.

Die Spielfläche folgte, als Laufsteg angelegt, mittig der Längsachse des Saals, an einer Stirnseite das kleine Orchester, an der anderen verbreitete sich der Laufsteg zu einer Bühne. Rechts und links von der langgestreckten und nicht sehr breiten Spielfläche waren Sitzplätze für je rund 50 Besucher angebracht.

Metallketten, die von der Decke baumelten, waren das auffälligste Requisit. Es gab dann noch zwei Opferschalen mit roter Flüssigkeit auf der kleinen Bühne an der Stirnseite, und einen kleinen und nicht sehr hohen quadratischen Aufbau Richtung Orchester. Auf- und Abtritte erfolgten auch unter der Bühne. Dafür gab es zwei Zugänge, einen beim Orchester, einen am anderen Ende des untertunnelten Laufstegs.

Die Amazonen trugen weiße Jeans und T-Shirts, die beiden Krieger dasselbe in Schwarz. Die Oberpriesterin – hier zur Gesetzeshüterin säkularisiert – trug noch einen weißen, fast bis zum Boden reichenden Mantel. Dank guter Personenführung gab es keine Leerläufe, und das Publikum kam in den Genuss einer mitreißenden Aufführung.

Musikalisch mischt sich in Maria Antonia Walpurgis Komposition bereits der empfindsame Charme der Frühklassik ins starre Gerüst barocker Da-Capo-Arien. Eine stilistische Zuordnung könnte als Ausgangsbasis für einen Vergleich Opern von Johann Adolph Hasse heranziehen, der unter anderem in Dresden gewirkt hat und Gesangslehrer von Maria Antonia Walpurgis gewesen ist.

Das WienerKlassikNonett spielte unter der Leitung von Elisabeth Attl mit viel „Biss“, atmete aber auch mit den SängerInnen in den ruhigeren Passagen, bei denen in manchen Momenten schon so ein „Mozart’sches Fühlen" aufblitzte, in dem Seelenregungen als individuelle Empfindungen erscheinend, die Schemata einer barocken Affektenlehre durchbrechen.

Als Talestri bot Anna Manske eine vorzügliche Leistung. Dabei war nicht nur ihr sicher geführter Mezzo auffallend, sondern ihr Konzentration im Spiel. Das verlieh der Figur einen „blutigen“, kompromisslosen Ernst, der beeindruckte und von starker Bühnenpräsenz zeugte.

Heidi Brunner war eine eindringliche Tomiri, gesanglich und darstellerisch, in dem kleinen Raum mit ihrem bühnenerprobten Organ manchmal fast schon zu stimmgewaltig. Die Dritte im Amazonenbunde: Ivana Canovic als Antiope, mit ihrem Sopran ebenfalls sicher in barocken Gefilden unterwegs.

Die Herren sind in dieser Oper ohnehin benachteiligt, weil sie auch weniger zu singen haben. Das hat schon Maria Antonia Walpurgis so eingerichtet. Roland Schneider sang den Oronte. Ein Countertenor, der aber noch eine tenorale Basis besitzt. Dagegen in Sopranhöhen unterwegs: Francesco Divito (Learco). Divito zeigte sich als aparte Bühnenerscheinung, der Klang seiner Stimme war es ebenso, der letzte Feinschliff fehlte noch dann und wann bei den Spitzentönen.

Bis auf ein, zwei Plätze war der Saal voll – und das Publikum war begeistert.

Fazit: Eine empfehlenswerte Produktion. Gespielt wird noch am 1. und 2. Februar.