IL TAMERLANO
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Tamerlano
- Filippo Mineccia |
„Gschmackiges
Pasticcio von Vivaldi“ Eine
Oper, zwei Titel: „Bajazet“ oder „Tamerlano“
– der Verlierer oder der Sieger. Aber so ist das eben mit Fortuna:
zuerst in höchster Höhe, dann in tiefstem Elend. Antonio Vivaldis
Pasticcio aus dem Jahr 1735 war konzertant in der Halle E des Museumsquartiers,
dem Ausweichspielort des Theaters an der Wien, zu Gast. Wie es bei einem Pasticcio Brauch ist, hat Vivaldi zur operngerechten Aufbereitung des Librettos von Agostino Piovene eigene, aber auch Musik anderer kompositorischer Zeitgenossen (Hasse, Porpora, Giacomelli, Broschi) verwendet und einen Mix aus venezianischer und neapolitanscher Oper zubereitet, der gut abgeschmeckt, dem Publikum einen genussvollen Opernabend bereitet. Um das Werk dem Wiener Publikum nahe zu bringen, war die Accademia Bizantina unter Ottavio Dantone zu Gast beim Musiktheater an der Wien, wie seit Antritt der neuen Intendanz das Theater an der Wien jetzt marketingtechnisch genannt wird. Er hat im Jahr 2020 das Werk im Rahmen der Vivaldi Edition eingespielt und die Besetzung der Einspielung in die nahezu bis auf den letzten Platz gefüllte Halle E im Museumsquartier gleich mitgebracht. Die Mitwirkenden nahmen im schäbigen Bühnenbild der aktuellen „La gazza ladra“-Produktion Platz, was Vivaldis barocker Pracht einen herben Dämpfer verpasste. Die Aufführung kam erst im Laufe des ersten Aktes in Schwung, was zum Teil am Orchester, zum Teil an den Mitwikenden auf der Bühne lag. Dem Vortrag fehlte die Überzeugungskraft, und was Ottavio Dantone aus der Accademia Bizantina an Feinfühligkeit herausholte, hatte mit den akustisch schwierigen Dimensionen der Halle zu kämpfen. Bruno Taddia konnte als Bajazet mit seiner Arie am Beginn nicht wirklich überzeugen – seltsam die gedrückte, abgesetzte Tiefe seines Baritons. Für den unbändigen Hass auf seinen Bezwinger fand er nach der Pause aber einprägsam grimmige Töne. Es ist bemerkenswert, dass diese Figur, der offensichtlich Vivaldis Sympathie galt, weil er für sie eigene Musik wiederverwendet hat, sich im konsequenten Leugnen der misslichen Situation, nicht als Opfer, sondern als unbeugsamer Starrkopf präsentiert. Aber weil sich Bajazet in seiner Verzweiflung selbst aus der Handlung nimmt, kann Tamerlano schlussendlich ganz im Sinne des aufgeklärten, tugendhaften Herrschers Milde und Verzeihung üben. Arianna Venditelli hatte als Idaspe bei ihrer ersten Arie „Nasce rosa lusinghiera“ angesichts der wenig ersprießlichen Bühnen- und Hallenoptik vielleicht noch Anpassungsprobleme. Ihr hübscher, silberngetönter Sopran klang zu forciert und etwas metallisch, mit zu nachdrücklich gesetzter Höhe. Der Eindruck besserte sich nach der Pause. Zum Glück stieg dann Filippio Mineccia als Tamerlano aufs Gaspedal gesanglicher Virtuosität und im Finale des ersten Aktes holte Sophie Rennert als Irene das Publikum ganz auf ihre Seite. Filippio Mineccias Countertenor besitzt einen leicht grellen Charakter, ideal für emotional überspannte Bühnenpersönlichkeiten, um ihnen jenen Schuss an Unberechenbarkeit zu verleihen, der das Publikum in Spannung versetzt: Wie wird sich Tamerlano verhalten, wenn die gedemütigte Asteria ihm nach dem Leben trachtet? Sophie Rennert war ihm mit ihrer schön gerundeten Mezzostimme an „sängerischer Eloquenz“ ebenbürtig – kein Wunder also, wenn sich Irene und Tamerlano am Schluss doch noch kriegen. Für Rennert war zudem das musikalische Gustostückerl des Abends „reserviert“, „Son tortorella“ – eine bukolische Turteltaube der Liebe aus „Merope“ von Geminiano Giacomelli. Von der etwas spannungslosen Gangart des Orchesters zuerst etwas angesteckt: Delphine Galou, als die von ihrem Vater zu Hass und Mord gedrängte Tochter, sowie Marina de Liso, als ihr versierter, aber in der ursprünglich einem Kastraten zugedachte Rolle zu wenig „androgyner“ Liebhaber Andronico. Galous Altstimme hätte für meinen Geschmack etwas „saftiger“ sein können. Vielleicht hat sich der Nachteil des bühnenfernen Platzes aber insgesamt zu stark in den Vordergrund gedrängt. Es fehlte letztlich doch ein wenig die Unmittelbarkeit, die Geschehensnähe, die einen wie von selbst gefangen nimmt. Den Ausführenden wurde seitens des Publikums mit viel Applaus gedankt. PS:
Die Beleuchtung wurde im Vergleich zur ersten konzertanten Aufführung
im Oktober angepasst, die Halle wird jetzt von der Rückwand aus
dezent illuminiert, ohne Teile des Publikums mit einzelnen Spots zu
blenden. Das Libretto (italienisch / deutsch) zur Aufführung konnte
man sich vom Programmheft mittels QR-Code aufs Smartphone laden –
was einem während der Aufführung natürlich wenig hilft.
Der Abdruck im Programmheft ist anscheinend zu teuer. Die Biographien
der Mitwirkenden sind jetzt ebenfalls mittels QR-Code verlinkt. |