L'ORACOLO IN MESSENIA

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Konzerthaus
14.1.2012
Konzertante Aufführung

Dirigent: Fabio Biondi

Ensemble: Europa Galante

Rekonstruierte Fassung von Fabio Biondi

Polifonte - Magnus Staveland
Merope - Ann Hallenberg
Epitide - Vivica Genaux
Elmira - Romina Basso
Trasimede - Julia Lezhneva
Licisco - Franziska Gottwald
Anassandro - Xavier de Sabata



Galanter Vivaldi

(Dominik Troger)

Das „Resonanzen“-Festival im Konzerthaus entführte mit der obligaten Barockopern-Aufführung das Publikum einmal mehr in Vivaldi’sche Gefilde. Die letzte Oper des venezianischen Meisters erklang in einer rekonstruierten Fassung.

Fabio Biondi, Leiter der aufspielenden Europa Galante, hat diese Fassung erstellt. Der einleitende Beitrag im Programmheft, der diesbezüglich Aufschluss geben sollte, erhellt den Sachverhalt aber nicht wirklich. Das Werk wurde demnach 1738 in Venedig uraufgeführt und in einer adaptierten Fassung nach Vivaldis Tod 1742 in Wien. Doch vieles scheint unklar, und es mangelt an zeitgenössischen Berichten.

Wenn ich die Ausführungen im Programmheft richtig deute, dann wurde für die Rekonstruktion eine Partitur von Geminiano Giacomelli herangezogen. Er hat dasselbe von Apostolo Zeno gefertigte Libretto wie Vivaldi vertont und seine Oper mit dem Namen „Merope“ wurde 1736 in Venedig uraufgeführt. Im Programmheft heißt es dazu: „Die Arien entsprechen teilweise einigen aus der genannten Partitur Giacomellis, andere lassen sich mit Gewissheit Antonio Vivaldi zuschreiben, wobei das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den beiden Gruppen erklärt, warum das Libretto letzteren als Komponisten nennt; (...)“.

Wie sich nun der Sachverhalt im Detail auch immer darstellen möge, die Aufführung sorgte für dreidreiviertel Stunden konzertanten Operngenuss – und das Publikum hatte schon in der zweiten Pause nur mehr ein Gesprächsthema: die russische Sopranistin Julia Lezhnevka.

Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil die Aufführung hochkarätig besetzt war – eine illustre Auslese an weltweit gefragten Sängerinnen für barocke Opernkunst fand sich auf dem Konzerthauspodium ein: der satt-leuchtende Mezzo von Ann Hallenberg formte das emotional bewegende Schicksal der Königin Merope, die glaubt, ihren eigenen Sohn dem Tode preisgegeben zu haben; Romina Basso lieh ihren manieristisch-noblen, pittoresken Mezzo mit Altanklängen der ätolischen Prinzessin Elmira; und Vivica Genaux stellte passend zu dem leicht exotischen Flair ihrer Stimme und ihres Aussehens den Eberbezwinger Epitide (Aipytos) dar.

Julia Lezhnevka sang bei ihrem Debüt im Konzerthaus den Trasimede und fungierte im ersten Akt als unauffällige Stichwortgeberin. Erst mit ihrer langen Arie im zweiten Akt („Son qual nave ...“) zog sie das Interesse des plötzlich von ihrem Gesang gebannten Publikums auf sich, das seiner Überraschung ob der lockeren und sicheren Virtuosität, mit der die Sängerin barocken Verzierungsreichtum aneinanderflocht, durch spontanen und lautstarken Beifall kund tat. Dass die Sängerin erst 22 Jahre alt ist, mochte man kaum glauben.

Lezhnevka besitzt einen agilen lyrischen Sopran (ein bisschen „pagenhaft“). Er ist, so mein Eindruck, von der Grundsubstanz eher härter und metallisch timbriert, was in manchen Passagen vielleicht noch zu deutlich durchschlägt – etwa bei länger gehaltenen Spitzentönen. Die Mittellage besitzt einen dünnen, dunklen Anstrich, der mit ein paar „Gramm“ an zuwachsendem Volumen noch reifen wird. Die hohe Musikalität, die natürliche Selbstverständlichkeit und die technische Kunstfertigkeit, mit der die Sängerin die große Herausforderung bewältigte, erweckte allgemeines Erstaunen. Es wäre spannend, Lezhnevka im Theater an der Wien zu hören, das für barocken Ziergesang akustisch deutlich besser geeignet ist als der große, hallenartige Konzerthaussaal. Die Sängerin hat in der Vergangenheit viel mit Marc Minkowski gearbeitet.

Aber auch die fünfte Sängerin auf dem Podium, Franziska Gottwald, fügte sich nahtlos in dieses bemerkenswerte Ensemble ein. Ihr juveniler Mezzo wurde ebenfalls sicher und wendig geführt, und galt dem Licisco, einem Gesandten des ätolischen Königs.

Die beiden Männerstimmen hatten es in diesem reizvollen Umfeld schwer. Magnus Staveland sang den bösen, tenoralen Polifonte, der allen ans Leben will und schließlich selbst mit seinem Leben dafür bezahlt. Sein Tenor blieb möglicherweise zu „brav“ für diesen eher widerlichen Charakter. Xavier Sabata, als Befehlsempfänger Anassandro, verlieh der Figur die geforderte Zwiespältigkeit. Sabata trug eine schwarze Hose, außen zog sich ein schmaler, weißer Längsstreifen das Hosenbein hinab. So kann sogar ein Sänger der schwarzbeanzugten Männermodenuniform entkommen.

Europa Galante spielte gewohnt „galant“ und plazierte Vivaldi im „Goldenen Schnitt“ zwischen Klang, Tempo und Dynamik – zu den „Hard Rockern“ unter den Originalklangensembles zählt das von Fabio Biondi mit obligater Violine (be-)gleitete Ensemble nicht. Das Publikum spendete um dreiviertel Elf noch rund sechs bis sieben Minuten lang Applaus – und eilte dann in die von kaltem Wind durchblasene Winternacht.

PS: Noch kurz die Handlung der Oper: Polifonte strebt die Alleinherrschaft an und hat schon König Kresphontes und zwei seiner Söhne von Anassandro ermorden lassen. Übrig geblieben sind Merope, die Witwe des ermordeten Königs, und Epitide, ein nach Ätolien entkommener Sohn. Polifonte möchte Merope heiraten, die sich aber zehn Jahre Bedenkzeit erbittet. Just als diese zehn Jahre vorüber sind, kehrt Epitide zurück. Er gibt sich als Kleon aus, besiegt den wilden Eber, der Messenien heimsucht, und erfüllt nach viel Wirren und Intrigen zuletzt das Orakel von Messenien, in dem er Polifonte hinrichten lässt. Das Orakel hatte unter anderem prophezeit, dass das Land von zwei Monstern befreit werde.