L'OLIMPIADE

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Theater an der Wien
27. Februar 2022
Konzertante Aufführung

Dirigent: Jean-Christophe Spinosi

Ensemble Matheus

Clistene - Riccardo Novaro
Aristea - Margherita Maria Sala
Megacle - Chiara Skerath
Licida - Carlo Vistoli
Aminta - Marène Assayag
Argene - Benedetta Mazzucato
Alcandro - Peter Kellner




Olympiasieg mit Folgen

(Dominik Troger)

„L’Olimpiade” im Theater an der Wien: Die olympischen Spiele dienen in dieser Oper als Hintergrund für allerhand Liebesverwirrungen. Das Libretto stammt von Pietro Metastasio und wurde oft vertont. 1734 hat Antonio Vivaldi seine Fassung dem Publikum in Venedig vorgestellt.

Der Text von Metastasio wurde zuerst 1733 in Wien von Antonio Caldara in Musik gegossen, viele weitere „Olympia-Opern“ auf dieses Libretto sollten im Laufe der nächsten Jahrzehnte noch folgen. Im Theater an der Wien gelangte 2011 „L´Olimpiade“ von Giovanni Battista Pergolesi (1735) konzertant zur Aufführung, 2014 folgte die Fassung von Josef Myslivecek, (1778).

Die Handlung ist etwas unübersichtlich. König Clistene verspricht die Hand seiner Tochter Aristea dem Olympiasieger. Megacle, der frühere Geliebte der Aristea und Favorit für den Sieg, verspricht seinem Freund Licida, Aristea für ihn zu gewinnen. Megacle gewinnt natürlich die Olympiade. Sein Sieg löst allerhand Verwirrungen und Missverständnisse aus, handelt es sich bei Licida doch um den Zwillingsbruder von Aristea, der als Kind wegen eines Orakelspruches vom König ausgesetzt wurde, aber letztlich als kretischer Thronerbe avancierte. Wie auch immer, die Wahrheit kommt ans Licht, und es finden sich die richtigen Paare.

Folgt man den Ausführungen des Programmheftes dann stand Vivaldi damals unter großem Zeitdruck, auch gab es Sängerprobleme. Offenbar musste er sich mit einem für damalige Verhältnisse zweitklassigen Ensemble begnügen. Die Dichte an virtuosen Arien scheint deshalb etwas sparsamer ausgefallen zu sein. Interessanter Weise hat man für diese konzertante Aufführung die Besetzung der Uraufführung verändert: die Hosenrolle des Licidia wurde einem Countertenor übertragen, die einem Kastraten gewidmete Rolle des Megacle aber keinem Countertenor, sondern einem Sopran, ebenso wie bei der Partie des Aminta. Der tenorale König wurde zum Bariton „downgegradet“.

Es war nicht die erste Vivaldi-Oper, die Jean-Christophe Spinosi mit dem Ensemble Matheus dem Publikum des Theaters an der Wien zu Gehör brachte: da gab es etwa 2008 „La fida ninfa“ oder 2011 den „Orlando furioso“, beides Werke, die bei mir in Summe einen nachhaltigeren Eindruck hinterlassen haben. Der Beginn mit der kurzen Sinfonia war allerdings voll leidenschaftlicher, von vielen 32igstel-Noten geschürten Emotionen, brandete wie eine auf- und abgischtende Woge, deren Wellentäler und -kämme mittels Piano und Forte dynamisch beschrieben von Spinosi unglaublich plastisch herausgearbeitet wurden. (Vivaldi hat diesen feurigen Beginn auch bei seinem Violinkonzert RV177 verwendet.) Es gab einige solcher Gustostückerl, in denen die Musiker des Ensemble Matheus unter Strom zu stehen schienen, zum Beispiel Amintas „Sturmarie“ im zweiten Akt oder wenn Vivaldi die streitenden Gegensätze des männlichen und weiblichen Prinzips in Clistenes Arie (1. Akt) untermalt. Insgesamt ergab sich der Eindruck, als habe Spinosi Vivaldis Musik zurechtgeknetet, modelliert und zu Figuren gebrannt, die sich jetzt mit einer schillernden, leicht spröden Textur straff aneinanderreihen.

Bei den ruhigeren Arien – wie etwa der „weinenden Turteltaube“ (Aristea, 2. Akt) – fehlte mir die Sinnlichkeit des ruhigen Dahinfließens und gesanglichen Mitatmens, der Enthusiasmus bukolischer Verzückungen stellte sich nicht ein. Dafür hätte auch der Orchesterklang anschmiegsamer sein müssen. Vor der Pause hätte man noch mehr bei den Rezitativen streichen können, obwohl gleich in der ersten Szene radikal gekürzt worden ist. Den Rezitativen fehlte ein wenig die Spannung. Das hatte auch mit der Besetzung zu tun, die der Oper zu einer wohlgefälligen, aber zu keiner außergewöhnlichen Wiedergabe verhalf.

Gleich zu Beginn gab es ein „Hoppala“. Aminta und Licida warten auf Megacle, aber er kommt nicht, er hat seinen Auftritt verpasst. Es dauert ein paar Sekunden, bis dem Publikum bewusst wird, dass diese Pause nach den paar vorgetragenen Rezitativzeilen nicht geplant ist. Die Situation wird amüsiert zur Kenntnis genommen, und Megacle erscheint, ehe das Amüsement in Besorgnis oder Ärger umschlägt. Chiara Skerath, der das Missgeschick passierte, ließ dem Megacle mit ihrem beweglichem, lyrischen Sopran aber viel lächelnde Frische angedeihen und der Lapsus war sofort vergessen. Skerath hat vor drei Jahren im Theater an der Wien in einem konzertanten „Freischütz“ für ein humorvolles Ännchen gesorgt. Carlo Vistoli gab als kretischer Königssohn Licida den Freund des Megacles. Er war neben Skerath der Sänger mit der stärksten Bühnenpräsenz am Podium und bewegte sich mit seinem Countertenor bei Vivaldi wie ein Fisch im Wasser.

Die begehrte Königstochter Aristea wurden von Margherita Maria Sala verkörpert, deren wendiger Altstimme noch ein wenig an Fülle und zündendem Ausdruck fehlte, um zum Beispiel aus der bereits erwähnten „leidenden Turteltaube“ vollen Profit zu schlagen. Das gilt auch für Benedetta Mazzucato (Argene), die als Schäferin verkleidet im Finale noch eine wichtige dramaturgische Funktion hat. Marlène Assayag gab den Aminta. Dem Erzieher des Licida hat Vivaldi stimmlich einiges abverlangt. Die Sängerin fand sich damit gut zurecht, die Spitzentöne wurden mit zuviel Kraft errungen. Den König, der seine Tochter zur Goldmedaille macht, sang Riccardo Novaro. Er gab einen eher milden Herrscher, mit nicht so prägnantem, eher weichem Bariton. Peter Kellner, bereits von der Staatsoper bekannt, führte als Alcandro die kräftigste Stimme ins Feld und sang einen markigen Königsvertrauten.

Das Publikum im überraschend gut besuchten Haus war von der Aufführung recht angetan. Die Aufführung dauerte inklusive einer Pause zwei Stunden und fünfzig Minuten. In einer kurzen Ansprache bedankte sich Jean-Christophe Spinosi am Schluss bei der Direktion und beim Publikum für die gute Zusammenarbeit bzw. die freundliche Aufnahme in den letzten Jahren, in dem er sich auf die bevorstehende Renovierung des Hauses bezog. Morgen geht noch eine Vorstellung der „Jenufa“ über die Bühne, dann ist Umbaupause. Die beiden letzten konzertanten Vorstellungen fanden nicht bei offenem Bühnenbild statt, sondern vor einem neutralen Zwischenvorhang, den man auch als Projektionsfläche hätte benützen können.

Fazit: Die konzertanten Barockopernaufführungen im Theater an der Wien haben sich im Laufe der Jahre ein treues Stammpublikum erarbeitet. Allein von Vivaldi waren neun verschiedene Werke zu hören. Es wäre zu wünschen, dass man diese Sparte unter der kommenden Intendanz nicht aufgibt.