TITO MANLIO

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Theater an der Wien
17.10.2012
Konzertante Aufführung

Dirigent: Ottavio Dantone

Accademia Bizantina

Tito Manlio - Sergio Foresti
Manlio - Maria Hinojosa Montenegro
Servilia - Marina de Liso
Vitellia -
Delphine Galou
Lucio - Roberta Invernizzi
Geminio - Anicio Zorzi Giustiniani
Decio - Milena Storti
Lindo - Bruno Taddia

Römische Gesetzestreue
(Dominik Troger)

Mit Antonio Vivaldis „Tito Manlio“ servierte das Theater an der Wien Barockopern-Liebhabern einmal mehr ein Werk aus der Hand des venezianischen Meisters. „Tito Manlio“ wurde 1719 uraufgeführt. Die Oper zählt neben „Orlando furioso“, „Farnace“ oder „La fida ninfa“ zu den Höhepunkten von Vivaldis Opernschaffen.

Die Handlung bezieht sich auf den römischen Konsul Titus Manlius. Dieser war so gesetzestreu, dass er seinen eigenen Sohn hinrichten ließ, weil dieser auf dem Feldzug gegen die Latiner einen Heeresbefehl übertreten und bei einem Erkundungsritt einen latinischen Reiter getötet hat. Livius liefert im VIII. Buch seiner „Römischen Geschichte“ die entsprechenden Hintergründe. Das Libretto von Matteo Noris kreist um diese Handlung, bringt noch eine Liebesgeschichte ins Spiel, und schon hat man genug dramatischen Stoff beisammen, der jetzt kunstvoll zu einem „guten Ende“ entwickelt werden kann.

Die Handlung ist dafür überraschend geradlinig. Es wird gezeigt, wie der Sohn des Tito Manlio, sinniger Weise „Manlio“ genannt, gegen den ausdrücklichen Befehl den Latiner Germinio tötet, der ihn zu einem Zweikampf provozieren wollte. Erschwerend kommt hinzu, dass Vitellia, die Schwester Manlios, mit diesem Germanio heimlich verlobt war. Der Riss geht also mitten durch die Familie und der Vater übergibt seinen Sohn dem Henker. Doch zum Glück hat das Volk Roms längst erkannt, dass Manlio ein Held ist, und rettet ihn. Der Konsul ist schließlich doch noch einverstanden. Manlio heiratet Servilia, Vitellia den Lucio, der schon eifrig um sie gebuhlt hat. Die Oper muss ja auch einmal ein Ende haben.

Die Aufführung dauerte inklusive Pause dreieinhalb Stunden. Vivaldi sorgte bei den Arien für viel Abwechslung und solistische Einsprengsel – bot hier neben Violine, Cello, Oboe, Fagott und Flöte sogar Jagdhorn und Trompete auf. Er „experimentierte“ mit Klangfarben und erzielte einige ganz überraschende und zur Handlungssituation passende Effekte. Doch mit dem Fortschreiten des Abends schienen die Rezitative deutlich an „Oberhand“ zu gewinnen. Hier hätte man beim Streichen ruhig etwas großzügiger sein können.

Geleitet wurde die Aufführung von Ottavio Dantone. Die Accademia Bizantina spielte energiegeladen, mir persönlich eine Spur zu forsch. Kunstfertig wurden die diversen begleitenden Soli bei den Arien dargeboten.

Die ziemlich hartherzig geschilderte Titelfigur sang Sergio Foresti mit kräftigem Bassbariton. Eigentlich würde man annehmen, dass der Vater über seine Handlungsweise stärker ins Grübeln kommt. Nicht so Tito Manlio, der sich in einem längerem Rezitativ durch den Entschluss, seinen Sohn aufgrund des Gesetzesbruchs nicht mehr mit den Augen des Vaters zu sehen, allen Gewissensbissen entzieht. Er hält dann auch fast bis zum Schluss hartnäckig daran fest. Ob er das unbarmherzige Gesetz verkörpern soll, dem in diesem Fall durch aufbegehrende Truppen und Volk die „Milde“ gelehrt wird?

Die Hauptfigur in dieser Oper spielt allerdings der Sohn, Manlio, gesungen von der katalanischen Sopranistin Maria Hinojosa Montenergo. Manlio geht durch ein Wechselbad der Gefühle, hat den Tod vor Augen – um doch noch gerettet zu werden. Montenegros Sopran folgte beweglich den hohen Anforderungen Vivaldis, blieb für meinen Geschmack in der Überzeugungskraft aber ein wenig hinter den Möglichkeiten der Rolle zurück.

Die Vitellia sang Delphine Galou. Sie wurde wegen einer Verkühlung angesagt, aber glücklicherweise blieb das ohne Auswirkung. Galous Mezzo ließ ein edles, aber nicht überladenes Timbre hören, das sehr gut zur Rolle passte. In den expressiven Passagen hat sie vielleicht doch etwas Vorsicht walten lassen.

Witzig agierte Bruno Taddia, der die Buffo-Partie des Lindo (Vitellias Diener) sang und mit bei konzertanten Aufführungen eher unüblicher Komik seinen „Status“ unterstrich. Das Buffo-Element wirkte im Rahmen der ernsten Handlung zwar ein wenig „aufgesetzt“ und isoliert, doch belebende Wirkung hat es allemal.

Als Servilia durfte Marina de Liso für eher verhaltenere Töne sorgen. Die erprobte Roberta Invernizzi steuerte den Lucio bei, Milena Storti den Decio, und Anicio Zorzi Giustianini als Geminio hatte die kurze, aber ehrenvolle Aufgabe, Manlio im ersten Akt zum Gesetzesbruch hinzureißen.

Der Schlussapplaus war wie immer bei den konzertante Barockoperaufführungen stark. Das Theater an der Wien war aber nicht sehr gut besucht. Auf den Rängen konnte man sich seinen Sitzplatz nahezu aussuchen und die Lücken im Parterre waren nicht zu übersehen.