FARNACE

Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Vivaldi-Portal

Theater an der Wien
24.2.2010
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung & Cembalo: Stefano Molardi
Konzertmeister: Jonathan Guyonnet
Orchester: I Virtuosi delle Muse

Farnace - Sonia Prina
Berenice - Maria Grazia Schiavo
Selinda - Lucia Cirillo
Gilade - Sabina Puértolas
Pompeo - Anders J. Dahlin
Aquilio - Robert Getchell
Tamiri - Marina de Liso


Vier Stunden Vivaldi
(Dominik Troger)

Mit einer konzertanten Aufführung von Vivaldis „Farnace“ setzte das Theater an der Wien seinen Barockopern-Zyklus fort. Der Abend dauerte inklusive zwei Pausen über vier Stunden.

Gespielt wurde laut Programmheft eine Mischfassung, die Stefano Molardi, musikalischer Leiter des Abends, aus zwei überlieferten Versionen (Pavia 1733 und Ferrara 1738) zusammengestellt hat.

Die Handlung um Farnace, Sohn des Mitridate, und Pompeus würde einen aufwendigen Kostümschinken abgeben, wollte man sich denn einmal darauf einlassen. Entsprechende Optik und Darstellung könnten die teils langen Rezitative beleben, die in konzertanten Aufführungen für meinen Geschmack oft ein wenig unterbelichtet bleiben. Man sollte den Mut haben a) zu streichen und b) sie stärker dramatisch zu akzentuieren. Dann würden Schlüsselstellen wie Tamiris Vorbereitungen zum Selbstmord bzw. die Flucht, die sie ihrem Sohn ermöglicht, prägnanter und theatralischer Wirken.

Der Abend verströmte ein nahezu kammermusikalisches Flair, weil die I Virtuosi delle Muse ein eher filigranes, zartes, durchhörbares Klangbild pflegten. Der Vortrag hatte eine animierend bewegte Jugendlichkeit, zeigte viel Gespür für die musikalischen Eigenarten Vivaldis, war im Spiel der Streicher aber des öfteren nicht so perfekt, wie man es im Vergleich mit anderen „Originalklang-Ensembles“ voraussetzen würde. Stefano Molardi leitete vom Cembalo aus. Das Orchester war diesmal im Orchestergraben platziert, die Sänger befanden sich auf der Bühne. Auffallend waren die vielen, sehr deutlich akzentuierten Pausen, mit denen Molardi den musikalischen Fluss und die Sänger in ein zu rigides „Bett“ zwang.

Vor fünf Jahren stand „Farnace“ im Konzerthaus auf dem Programm, Sonia Prina hat damals den Pompeo gesungen – jetzt gab sie die Titelpartie. Die Sängerin war das eigentliche Glanzlicht des Abends, sang einen impulsiven, aber auch für lyrischere Regungen aufgeschlossenen Heerführer, der für seinen Part viel Ausdrucksvermögen benötigt. Hin- und hergerissen von einem mutwilligen Schicksal lässt sich in dieser Partie dankbar die gesamte Gefühlsskala durchmessen: ein Glanzstück das „Gelido in ogni vena“, der Kummer des Königs über den vermeintlich toten Sohn.

Maria Grazia Schiavo als Berenice konnte, was das innere Feuer betrifft, an Sonja Prina anschließen. Über den expressiven Ausdruck der Sängerin ging hin und wieder ein wenig der „Stil“ verloren, vor allem in der Höhe klang die Stimme dann eine Spur zu ungeschliffen und zu „nachdrücklich“ geführt. Von der emotionalen Intensität ließ man sich als Zuhörer gerne mitreißen.

Die Selinda der Lucia Cirillo erfreute mit einem mehr lyrisch gestimmten Mezzo, das Timbre mit kühlfunkelnder Erotik durchmischt.

Sabina Puértolas hatte als Gilades nicht nur eine verliebte Nachtigall zu besingen, eine ausgesprochen hübsche Arie. Ihr Vortrag klang durchaus lieblich, Spitzentöne kamen im „Antupfen“ klar und deutlich an. Die Stimme stieß aber rasch an ihre Grenzen, wenn etwas mehr Emphase gefordert wurde: Dann klang ihr reizender Sopran etwas strapaziert.

Marina de Liso war mir vom Stimmcharakter, trotz angenehmer dunkler Beimischung, eine zu nüchterne Tamiri, wirkte etwas unnahbar und wohl vom Schicksal schon zu stark geprüft. Farnace fordert von ihr den Mord am Sohn samt Selbstmord!

Robert Getchell lieh dem Aqulio einen wenig voluminösen, solid geführten lyrischen Tenor. Für die Stimme von Anders J. Dahlin, Tenor haute-contre, war sogar das Theater an der Wien schon zu groß. Sie zeigte kaum Entfaltungskraft, wurde des öfteren vom kleinen Orchester einfach übertönt. Der Pompeus spielte an diesem Abend folglich eine untergeordnete Rolle.

Das Auditorium im gut besuchten Theater an der Wien erlebte in den zwei Pausen einen deutlichen, aber noch vertretbaren Aderlass: Wer bis zum Schluss aushielt (kurz nach 23.00 Uhr!), spendete viel dankbaren Beifall.