DAS RIESENBABY

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MuTh
3. Juli 2018
Uraufführung der Zweitfassung

Dirigent: Gregory Vajda

Regie: János Novak
Bühne, Kostüme, Puppen: Klaudia Orosz
Choreographie: János Lakatos

Eine Produktion des Kolibri Theaters, Budapest, im Rahmen des Armel Opera Festivals

Das Neugeborene /
Das 2. Neugeborene - György Philipp
Mutter / Jungfrau / Stefanie - Agathe de Courcy
Vater - Ákos Ambrus
Nikodemus - József Csapó

Acht Puppenspieler in Sprechrollen


Eine absurd-groteske Puppenoper in zwei Akten

(Dominik Troger)

Das Budapester Armel Opera Festival hat auch heuer wieder in Wien Station gemacht und ist für zwei Aufführungen im MuTh am Augartenspitz eingezogen. Am ersten Abend gab man die Kammeroper „Das Riesenbaby“ des ungarischen Komponisten Gregory Vajda.

Beim „Riesenbaby“ handelt es sich um eine aus dem Jahr 2001 stammende Kammeroper. Vajda hat das Werk „generalüberholt“ und diese Neufassung wurde anlässlich des Armel Opera Festivals jetzt im MuTh uraufgeführt. Das von Vajda und Péter Horváth eingerichtete Libretto basiert auf einem frühen Avantgardestück des ungarischen Schriftstellers Tibor Déry (1894-1977). Es erzählt von einem hermaphroditischen „Riesenbaby“, das schließlich selbst zum Vater wird und ein Riesenbaby zeugt. In diesem Sinn ist es auch eine Oper über das Erwachsenwerden und über die Zwänge, denen man dabei ausgesetzt ist – und über die Unmöglichkeit, diesen aus dem Weg zu gehen. (Der Komponist sieht als Zielgruppe für seine Kammeroper junge Erwachsene (16+) und natürlich auch Erwachsene.)

Opernhistorisch betrachtet kann man das „Riesenbaby“ wegen seiner absurd-grotestken „Natur“ vielleicht in eine Traditionslinie mit Dmitri Schostakowitschs „Nase“ und György Ligetis „Le Grand Macabre“ stellen – wobei die Vajda’sche Kammeroper einen „Brecht’schen Zug“ zeigte, der vielleicht ein Erbstück der 1926 erschienen Vorlage ist oder nur auf den Eindrücken beruhte, die die Inszenierung hinterlassen hat (oder beides). Jedenfalls vereinten sich Gesang, Puppen- und Schauspiel zu einer meist recht flott und homogen durchorganisierten Szenenfolge.

Die Musik wird von einem Kammerorchester beigesteuert (Violine, Bratsche, Kontrabass, Saxophon, Trompete, Flöte, Akkordeon, Tasteninstrumente und Schlagwerk). Vajda verwendet dabei verschiedenste Stile und meist ironisierend eingesetzte Ausdrucksmöglichkeiten, von „Glissandiwolken“ und Flageolettönen, über verfremdete „Jahrmarktsmusik“ mit einem sich oft wiederholenden „Motiv“, bis zu jazzartigen Einwürfen und Schlagwerkbegleitung. Die Komposition ist sehr kleinteilig, oft stark rhythmisch geprägt, mit kurzen melodiösen Einwürfen einzelner Instrumente garniert, oft vorwärtstreibend und „ostinatolastig“.

In der Schlussszene kippt das Werk kurz in eine reizvolle, „lamentoartige“ Stimmung, wenn sich die Mutter nach dem Riesenbaby sehnt, aber auch hier ironisiert Vajda bald mit Blasmusiktupfern und Akkordeonklängen. Ein kleiner, deklamierender Chor, offenbar die „Stimme des Volkes“, erinnerte ein bisschen an nervende „Muppetshoweinlagen“. Aber der unauffällig gekleidete Chor trat auch mit großen Puppen auf, die quasi als „eigentliche“ Akteure die Bühne bevölkerten. Die Gesangsstimmen befleissigten sich meist einer Art von Sprechgesang, den die Musik mehr zu kommentieren als zu stützen schien.

Gesungen wurde auf Ungarisch mit englischen und deutschen Übertiteln, die den Witz des Textes möglicherweise nur in Fragmenten wiedergegeben haben. Das vorwiegend aus Ungarn angereiste Publikum hat sich jedenfalls sichtlich mehr amüsiert, als ich, der auf die Übersetzung angewiesen war. (Das MuTh befand sich an diesem Abend fest in ungarischer Hand – das Armel Opera Festival hatte sich den größten Teil des Publikums offenbar gleich aus Budapest mitgenommen?!)

Von den Sänger ist natürlich György Philip als Riesenbaby zu nennen, der mit seinem hohen Tenor viele Charakterschattierungen einbrachte, während die Mezzosopranistin Agathe de Courcy mit Gefühl und Witz die wichtigen, sehr konträren Frauenrollen im Leben des Riesenbabys beisteuerte. Weitere wichtige, pointensetzende Akteure waren Ákos Ambrus als epikuräischer Vater, der aus Geldmangel seinen Sohn, das Riesenbaby, verschachert, und József Csapó, als Nikodemus, Vizepräsident der Ethik,- Rassen und Seelenentwicklungs AG. Am Pult sorgte der Komponist persönlich für eine straffe Umsetzung der Partitur.

Die Produktion des Budapester Kolibri Theaters, das sich auf Kinder- und Jugendtheater spezialisiert hat, setzte auf eine einfache, etwas „lehrstückhafte“, den „Puppentheatercharakter“ des Stücks unterstützende Szene, garniert mit einigen witzigen Details und dem dezenten Einsatz von Video. Links (vom Zuschauerraum aus gesehen) sah man ein großes Holzgestell, die Geburtsstätte des Riesenbabys, rechts eine angedeutete Jahrmarktsbude mit zurückgeschlagenen roten Vorhängen, in der Mitte befand sich die Projektionswand für die Videoeinspielungen.

Die vielbeklatschte Aufführung im einigermaßen gut besuchten MuTh dauerte – mit einer Pause nach dem ersten der beiden Akten – rund eineinhalb Stunden. Wenn man dem Stück eine pfiffige deutsche und/oder englische Textfassung angedeihen ließe, könnte es durchaus als humoristisch-belebende Bereicherung für das zeitgenössische Repertoire fungieren.