„Interdisziplinäre
Tröstung“
(Dominik Troger)
Das
Wiener Staatsballett lud zusammen mit der Volksoper zum „KaiserRequiem“:
Viktor Ullmanns im Konzentrationslager Theresienstadt komponierter Einakter
„Der Kaiser von Atlantis“ wurde mit Teilen von Mozarts Requiem
zu einem eineinhalbstündigen Tanz- und Musiktheaterabend verschmolzen.
Viktor
Ullmanns Werk – eine Art „Oper“ oder „Spiel“
in vier Bildern“– erzählt die Geschichte vom Tod, der seine
Arbeit einstellt, und vom grausam kriegführenden Kaiser Overall, dem
daraufhin seine Soldaten nicht mehr sterben. Damit der Tod wieder seine
Arbeit aufnimmt und die Menschen wieder sterben können, muss Overall
selbst sein Leben opfern. Ullmann und sein Librettist Peter Kien haben
diese Geschichte in eine revueartige Szenenfolge gepackt, laden
zu einem expressionistisch eingefärbten, mit Leid, Ironie und Sarkasmus
gespickten „Totentanz“.
An der Volksoper hat man sich dieser Kammeroper des 1944 in Auschwitz
ermordeten Komponisten (auch sein Librettist hat Auschwitz nicht überlebt)
als wesentlichen Bestandteil einer Tanz- und Musiktheater-„Collage“
bedient, für die auch Ausschnitte aus dem Mozart Requiem herangezogen
wurden. Teile
des Requiems („Kyrie eleison“, „Lacrimosa“)
hat man in den „Kaiser von Atlantis“ integriert, als Überleitung
zwischen den einzelnen Bildern etwa, aber auch als trostspendenden Schlusspunkt.
Einige Textpassagen von Ullmanns Oper wurden mittels Soundinstallation
verfremdet und eingespielt.
Die
Sängerinnen und Sänger wurden von jeweils ihren Figuren zugeordneten
Tänzern „begleitet“ und in einen tänzerischen Dialog
einbezogen. Dazu gesellten sich der Volksopernchor und das Ballett.
Die Protagonisten kamen in einem düsteren, von schwarzgrauen bunkerartigen
Wänden umgrenzten Bühnenbild ihrer Aufgabe nach. Sie trugen grauen Trikots
oder Gewänder, teils mit neongelben Streifen versehen, im Sinne
allgemeiner Entindividualisierung nur leicht variiert. Der Tod, schwarz
gewandet, war dieser Indifferenz deutlich enthoben.
Es
war von vornherein das Anliegen des Dirigenten Omer
Meir Wellber, der auch die musikalische Einrichtung vorgenommen
hat, den „Kaiser von Atlantis“ bzw. das „KaiserReqiuem“
nicht als „KZ-Oper“ auf die Bühne zu bringen. „Diktaturen
gab und gibt es bis heute und wird es leider immer wieder geben.“,
charakterisiert Wellber im Programmheft den allgemeineren humantiären
Zugang dieser Produktion, die deutliche, historisch verortete Realitätsbezüge
vermeidet. Dem entspricht auch die jüngere Rezeptionsgeschichte
von Ullmanns Kammeroper, die sich inzwischen von ihrem bedrückenden
Entstehungskontext gelöst hat. Für
die choreographische und inszenatorische Umsetzung zeichnete Andreas
Heise verantwortlich.
Wenn zwei stilistisch so unterschiedliche Werke wie der „Kaiser
von Atlantis“ und Mozarts Requiem zusammengespannt werden, sind
Kompromisse und Eingriffe in die Werkstruktur unvermeidlich. Ob das
Ergebnis diese rechtfertigt, wird in diesem speziellen Fall der Opernliebhaber
möglicherweise anders beantworten, als der Ballettfreund. Das Spezifische
von Ullmanns Kammeroper hat davon jedenfalls nicht profitiert, schon
der Prolog wurde akustisch so bearbeitet, dass man nur mehr jedes dritte
Wort (wenn überhaupt) verstanden hat. Die stilistische Vielfalt,
die vom Brecht-Weil-Song bis zu Mahler-Anklängen reicht, wurde von Mozart
„aufgesogen“, alles ein wenig ins gesättigt Orchestrale
hinübergehoben und angeglichen, die Stimmen in ihrer deklamatorischen
Präsenz abgeschwächt. Die Übergänge zwischen Ullmann und Mozart gestalteten
sich allerdings überraschend fließend.
Das Ballett bewegte sich auf diesem thematisch und emotional passenden
Klangteppich nicht nur zackig in Ensembles gleichgeschalterer, entindividualisierter
Massen, sondern zeigte auch eindrucksvolle Soli des Schmerzes. Der Eindruck,
den die Gesangssolisten hinterlassen haben, war etwas uneinheitlich.
Daniel Schmutzhard als Kaiser Overall sorgte im vierten Bild
in der Zusammenwirkung mit
Josef Wagner als Tod für die nachhaltigste Wirkung. Durch die
ähnliche Kostümierung und die Verschränkung von Gesangs-
und Tanzsolisten verloren die übrigen Figuren der Oper allerdings
an Kontur. Nach eineinhalb pausenlosen Stunden und Mozarts finalem Seelenbalsam
gab es reichlichen Premierenjubel. |
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