DER KAISER VON ATLANTIS / KAISER REQUIEM
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Wiener Staatsballett / Volksoper
25. 1. 2025
Premiere

Musikalische Leitung und musikalische Fassung:: Omer Meir Wellber

Regie & Choreographie: Andreas Heise
Bühne & Kostüme: Sascha Thomsen
Licht: Johannes Schadl
Soundinstallation & Szenische Assistenz: Kian Jazdi
Choreinstudierung: Roger Diaz-Cajamarca

Rolle - Sänger / Tänzer
Kaiser Overall - Daniel Schmutzhard / Gabriele Alme
Der Tod - Josef Wagner / Martin Winter
Harlekin - Seiyoung Kim / Kevon Hena
Ein Soldat - JunHo You / Keisuke Nejime
Bubikopf - Rebecca Nelsen / Mila Schmidt
Der Trommler - Wallis Giunta / Marta Schiumarini
Spital 34 ---------- / Aleksandar Orlic


„Interdisziplinäre Tröstung“
(Dominik Troger)

Das Wiener Staatsballett lud zusammen mit der Volksoper zum „KaiserRequiem“: Viktor Ullmanns im Konzentrationslager Theresienstadt komponierter Einakter „Der Kaiser von Atlantis“ wurde mit Teilen von Mozarts Requiem zu einem eineinhalbstündigen Tanz- und Musiktheaterabend verschmolzen.

Viktor Ullmanns Werk – eine Art „Oper“ oder „Spiel“ in vier Bildern“– erzählt die Geschichte vom Tod, der seine Arbeit einstellt, und vom grausam kriegführenden Kaiser Overall, dem daraufhin seine Soldaten nicht mehr sterben. Damit der Tod wieder seine Arbeit aufnimmt und die Menschen wieder sterben können, muss Overall selbst sein Leben opfern. Ullmann und sein Librettist Peter Kien haben diese Geschichte in eine revueartige Szenenfolge gepackt, laden zu einem expressionistisch eingefärbten, mit Leid, Ironie und Sarkasmus gespickten „Totentanz“.

An der Volksoper hat man sich dieser  Kammeroper des 1944 in Auschwitz ermordeten Komponisten (auch sein Librettist hat Auschwitz nicht überlebt) als wesentlichen Bestandteil einer Tanz- und Musiktheater-„Collage“ bedient, für die auch Ausschnitte aus dem Mozart Requiem herangezogen wurden.
Teile des Requiems („Kyrie eleison“, „Lacrimosa“) hat man in den „Kaiser von Atlantis“ integriert, als Überleitung zwischen den einzelnen Bildern etwa, aber auch als trostspendenden Schlusspunkt. Einige Textpassagen von Ullmanns Oper wurden mittels Soundinstallation verfremdet und eingespielt.

Die Sängerinnen und Sänger wurden von jeweils ihren Figuren zugeordneten Tänzern „begleitet“ und in einen tänzerischen Dialog einbezogen. Dazu gesellten sich der Volksopernchor und das Ballett. Die Protagonisten kamen in einem düsteren, von schwarzgrauen bunkerartigen Wänden umgrenzten Bühnenbild ihrer Aufgabe nach. Sie trugen grauen Trikots oder Gewänder, teils mit  neongelben Streifen versehen, im Sinne allgemeiner Entindividualisierung nur leicht variiert. Der Tod, schwarz gewandet, war dieser Indifferenz deutlich enthoben.

Es war von vornherein das Anliegen des Dirigenten Omer Meir Wellber, der auch die musikalische Einrichtung vorgenommen hat, den „Kaiser von Atlantis“ bzw. das „KaiserReqiuem“ nicht als „KZ-Oper“ auf die Bühne zu bringen. „Diktaturen gab und gibt es bis heute und wird es leider immer wieder geben.“, charakterisiert Wellber im Programmheft den allgemeineren humantiären Zugang dieser Produktion, die deutliche, historisch verortete Realitätsbezüge vermeidet. Dem entspricht auch die  jüngere Rezeptionsgeschichte von Ullmanns Kammeroper, die sich inzwischen von ihrem bedrückenden Entstehungskontext gelöst hat. Für die choreographische und inszenatorische Umsetzung zeichnete Andreas Heise verantwortlich.

Wenn zwei stilistisch so unterschiedliche Werke wie der „Kaiser von Atlantis“ und Mozarts Requiem zusammengespannt werden, sind Kompromisse und Eingriffe in die Werkstruktur unvermeidlich. Ob das Ergebnis diese rechtfertigt, wird in diesem speziellen Fall der Opernliebhaber möglicherweise anders beantworten, als der Ballettfreund. Das Spezifische von Ullmanns Kammeroper hat davon jedenfalls nicht profitiert, schon der Prolog wurde akustisch so bearbeitet, dass man nur mehr jedes dritte Wort  (wenn überhaupt) verstanden hat. Die stilistische Vielfalt, die vom Brecht-Weil-Song bis zu Mahler-Anklängen reicht, wurde von Mozart „aufgesogen“, alles ein wenig ins gesättigt Orchestrale hinübergehoben und angeglichen, die Stimmen in ihrer deklamatorischen Präsenz abgeschwächt. Die Übergänge zwischen Ullmann und Mozart gestalteten sich allerdings überraschend fließend.

Das Ballett bewegte sich auf diesem thematisch und emotional passenden Klangteppich nicht nur zackig in Ensembles gleichgeschalterer, entindividualisierter Massen, sondern zeigte auch eindrucksvolle Soli des Schmerzes. Der Eindruck, den die Gesangssolisten hinterlassen haben, war etwas uneinheitlich. Daniel Schmutzhard als Kaiser Overall sorgte im vierten Bild in der  Zusammenwirkung mit  Josef Wagner als Tod für die nachhaltigste Wirkung. Durch die ähnliche Kostümierung und die Verschränkung von Gesangs- und Tanzsolisten verloren die übrigen Figuren der Oper allerdings an Kontur. Nach eineinhalb pausenlosen Stunden und Mozarts finalem Seelenbalsam gab es reichlichen Premierenjubel.