DER KAISER VON ATLANTIS
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Kammeroper
11. Jänner 2017
Premiere

Musikalische Leitung: Julien Vanhoutte

Inszenierung: Rainer Vierlinger
Ausstattung: Susanna Boehm
Video: Cosimo Miorelli
Licht: Franz Tscheck

Wiener KammerOrchester

Kaiser Overall - Matteo Loi
Der Tod - Dumitru Madarasan
Der Lautsprecher - Unnsteinn Árnason
Harlekin / Soldat - Julian Henao Gonzalez
Bubikopf, ein Soldat - Frederikke Kampmann
Der Trommler - Anna Marshaniya


„Zahmer Kaiser in der Kammeroper“
(Dominik Troger)

Das Theater an der Wien in der Kammeroper hat mit seinem Jungen Ensemble „Den Kaiser von Atlantis“ erarbeitet. Der im Konzentrationslager Theresienstadt entstandene Einakter wird in der Inszenierung als „traumartige“ Parabel gedeutet.

Dass dieses Musiktheaterstück von Viktor Ullmann (Musik) und Peter Kien (Libretto) nur sehr schwer ohne seine spezielle Entstehungsgeschichte betrachtet werden kann, liegt auf der Hand. Aber je öfter diese Kurzoper auf dem Spielplan steht, umso mehr verselbständigt sich das Werk – letztlich auch auf Kosten seiner Schöpfer und ihrer Biographie.

Für Wien war vielleicht eine konzertante Aufführung vor gut drei Jahren im Theater an der Wien ein Meilenstein, weil abseits szenischer „Verortungen“ der politisch-subversive Gehalt des „Kaisers von Atlantis“ so richtig deutlich wurde. Denn die spezielle Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte kann das kreative Potenzial des Stücks auch überdecken.

Die Aufführung in der Kammeroper folgte einem parabelartigen Ansatz, der die expressionistischen Schärfen und politischen Avancen stark einebnete. Wirklich überzeugend waren nur die Videoeinspielungen von Cosimo Miorelli und ihre Morphingeffekte, die Soldaten in Schemen oder Gesichter in bedrohliche Schatten mit stechend-leuchtenden Augen verwandelten. Ansonsten blieb der Gesamteindruck (Inszenierung: Rainer Vierlinger) konventionell. Spielraum war eine mit Sand bedeckte Bühne, die wahrscheinlich an die Schützengräben des ersten Weltkriegs erinnern sollte. Eine seltsame Perspektive bot sich gleich am Beginn, nachdem sich ein in Goldtönen glänzender Bühnenvorhang gehoben hatte: der Wurzelstock eines Baumes, der ein Stück himmelwärts schwebte, um im Finale wieder im Sand verwurzelt zu werden. Solche esoterischen Anklänge sollten vielleicht auf Ullmanns antroposophische Gedankengänge hinweisen, die im Programmheft zur Aufführung erwähnt werden.

Die stark ins Deklamatorische spielende Sprache des Librettos, ihr expressionistisches Gehabe, vertrug sich allerdings kaum damit. Der makabren Story vom Tod, der nicht „sterben lässt“, wurde die provokante Schärfe genommen. Bezeichnend war auch, dass der „Lautsprecher“ nicht als solcher erkennbar war, sondern von einem Sänger gespielt wurde. Es ist doch ein ganz wichtiges Element des Stücks, dass der Kaiser sich in seinem von der Welt abgeschlossenen Palast mit einem Lautsprecher unterhält, der ihm Neuigkeiten zuträgt und der zugleich als Sinnbild für ein entpersönlichtes technik- und (radio-) propaganda-bestimmtes Zeitalter begriffen werden kann. Die Inszenierung an der Kammeroper hat den Thron des Kaisers auf die Sanddüne des Schützengrabens verfrachtet, der dort im sprichwörtlichen Sinne auf „Sand gebaut“ war. Ganz am Schluss zogen die Mitwirkenden ihre Kostüme aus – und zum Vorschein kamen gestreifte Gewänder, die an die Bekleidung von KZ-Insassen erinnerten.

Die szenische Verflachung des revuehaften Elements, das deutliche Anleihen bei Bertolt Brecht und Kurt Weill nimmt, wurde durch die Mitwirkenden noch verstärkt. Der Kampf mit der Aussprache und eine mangelnde sinngebende Betonung schien sich bei einigen Interpreten zu stark in den Vordergrund zu drängen, aber es gab auch stilistische „Inkompatibilitäten“ – als Beispiel sei der durchaus schon erprobte lyrische Tenor von Julian Henao Gonzales genannt. Dem Bass von Dumitru Madarasan (Tod), der zum ersten Mal an der Kammeroper zu hören war, würde man gerne noch in einer anderen Partie begegnen (auch wenn er in der Tiefe wenig Kraft zu entwickeln schien). Ähnliches gilt für Unsteinn Anarson als „menschlichem" Lautsprecher oder Anna Marshaniya als Trommler. Dem Publikum bereits bekannt waren Matteo Loi (Kaiser) und Frederikke Kampmann als Bubikopf. Der musikalische Teil (Julien Vanhoutte und das Wiener KammerOrchester) wirkte auf mich insgesamt unprägnant, mit einem verwässernden Zug ins „Romantische", der die in der Form verknappende Modernität dieses Stücks zu wenig verdeutlicht hat.

Weil nur der „Kaiser von Atlantis“ gegeben wurde, war der Abend nach einer Stunde schon wieder vorbei. Es folgte der übliche Premierenjubel.