DER KAISER VON ATLANTIS
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Theater an der Wien
17.10.13
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Roberto Paternostro

Orchester: Israel Chamber Orchestra

Gustav Mahler: Des Knaben Wunderhorn
Rheinlegendchen
Wo die schönen Trompeten blasen
Das irdische Leben

Gustav Mahler: Lieder eines fahrenden Gesellen in der Bearbeitung von Arnold Schönberg (1919)

Der Kaiser von Atlantis

Kaiser Overall - Nikolay Borchev
Der Lautsprecher / Der Tod - Lars Woldt
Harlekin / Ein Soldat - Johannes Chum
Bubikopf, ein Soldat - Çigdem Soyarslan
Der Trommler - Ann-Beth Solvang


„Makabre Revue“
(Dominik Troger)

„Der Kaiser von Atlantis“ hat eine beklemmende Entstehungsgeschichte: Viktor Ullmann komponierte die Oper 1943-44 im Ghetto Theresienstadt. Das Theater an der Wien setzte das einaktige Werk auf das Programm seines zweiten konzertanten Opernabends in der laufenden Saison.

Diese Oper kann schwer ohne die besonderen Umstände gedacht werden, denen sie ihre Komposition verdankt. Die geplante Uraufführung in Theresienstadt kam nie zu Stande – diese erfolgte erst 1975 in Amsterdam. Ullmann selbst, von 1942 an im „Vorzeigelager“ Theresienstadt interniert und für musikalische Belange zuständig, wurde im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und starb in der Gaskammer.

Die Geschichte vom Tod, der streikt, und vom machthungrigen Kaiser, dem die Soldaten nicht mehr sterben, war in Wien szenisch 1987 in der Kammeroper (Regie: George Tabori) und 2001 im Schauspielhaus (Produktion des Arbos-Theater) zu erleben. Beide Inszenierungen verschränkten die Handlung optisch mit dem Kontext der Entstehungszeit. Sie erklärten die Bühne selbst zum „Konzentrationslager“, was einen als Zuseher emotional stark exponiert hat. Diese konzertante Aufführung bot hingegen die Chance, das Werk reflektierender zu betrachten, weil die emotionale Betroffenheit „entlastet“ wurde.

Bis auf eine kurze Zuspielung der schnarrenden Stimme von Herrn H***** im vierten Bild (die auf dem dritten Rang akustisch nicht mehr verständlich ankam) enthielt sich die Wiedergabe im Theater an der Wien aller historischen Querverweise, die nicht werkimmanent waren. Der revuehafte Charakter dieses „Spiels in einem Akt“ kam dadurch stärker zur Geltung, hat vielleicht sogar überrascht, und er wurde vom Israel Chamber Orchestra unter Roberto Paternostro mit Schwung herausgestrichen. Derart wurde bewiesen, dass „Der Kaiser von Atlantis“ auch als makabres „Singspiel“ zu überzeugen weiß, dessen tiefgründiger Schluss die Hoffnung auf einen „tröstenden Tod“ postuliert, der zumindest das Leid von der Welt hinwegnimmt.

Noch eine Beobachtung ermöglichte dieser konzertante Zugang – Ullmanns „Kaiser“ hat etwas „Hörspielartiges“ an sich: ein Lautsprecher als „Bühnenfigur“, ein telefonierender Kaiser, das mehrmalige „Hallo, Hallo“ im Text, die knappe musikalische Form, die vom Rezitativ bis zum Quartett, die von Mahler-Anklängen über Weil-„Songs“ bis zu Wozzeck-Momenten die musikalischen „Moden“ der Zeit prägnant verdichtet. Diese Merkmale geben ihm den Charakter einer in der trübseligen Schlacke der jüngeren Geschichte aufgefundenen „Tonspule“ gleich einer akustischen „Flaschenpost“, in die ein Komponist verpackt hat, was ihm lieb und teuer war – und was ihn bedroht hat.

Das Ensemble wurde von Lars Woldt angeführt, einem stimmmächtigen Tod, ein „Lautsprecher“ im wahrsten Sinne des Wortes, der mit starker „Resonanz“ das Theater an der Wien zu beschallen wusste. Johannes Chum steuerte einen eloquenten Harlekin und Soldaten bei. Der Kaiser von Nikolay Borchev konnte an vokaler Fülle nicht ganz mithalten, gab der Figur leicht trockene, bürokratische Züge. Cigdem Soyarslan gab den Bubikopf – eigentlich Soldat – von der Partie aber ein wenig „verruchter“ Sopran, wie sie Opern der Zwischenkriegszeit so gerne zeigen. Ann-Beth Solvang „marschierte“ als Trommler durch die Szenen.

Vor der Pause kam Lieder von Gustav Mahler zu Ehren, Solist Nikolay Borchev lieh ihnen seinen Bariton, ebenfalls begleitet vom Israel Chamber Orchestra. Diese Programmzusammenstellung ermöglichte einen „Blick“ auf die Wurzeln von Ullmanns kompositorischem Schaffen. Es ließ sich chronologisch nachvollziehen wie in der Schlussarie von Kaiser Overall Mahlers spätbürgerliche Romantik innerhalb eines halben Jahrhunderts zu einer knapp formulierten „Grabrede“ gerinnt, deren Verse schon in den Schützengräben des ersten Weltkriegs „ausgewürfelt“ wurden. Mahlers von Schubert geliehener „Lindenbaum“ war spätestens 1918 nur mehr ein verkohlter Holzpfahl.

Der Besucherandrang im Theater an der Wien war überschaubar, der II. und der III. Rang waren sehr schütter besetzt. Der dankbare Schlussbeifall wurde sogar mit einigen Bravorufen garniert.