DER KAISER VON ATLANTIS

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Schauspielhaus Wien
Wiener Erstaufführung der Originalfassung
2.3.2001

Dirigent: Alexander Drcar
Orchester: ensemble kreativ Wien
Inszenierung: Herbert Gantschacher
Ausstattung: Eva-Maria Schön, Erich Heyduck

Koproduktion von ARBOS, Gesellschaft für Musik und Theater, Schauspielhaus Wien

Kaiser Overall - Stephen Swanson
Der Lautsprecher - Rupert Bergmann
Der Trommler - Bea Robein
Das Mädchen - Lis Fornhammar
Der Tod - John Sweeney

Harlekin - Alfred Feilhaber
Soldat - Alfred Feilhaber
Bubikopf - Lis Fornhammar

 

Der Kaiser von Atlantis oder Die Todverweigerung
(Dominik Troger)

Wenn sich dieses Werk am Schluss fast zu einer Apotheose des Todes aufschwingt, dann wird es zum Reqium für alle Mitwirkenden und Zuhörer, so wie es einst für den Komponisten und damalige Ausführende und Zuhörer zum Requiem geworden ist.

Der Vorhang schließt sich vor dem Leben, egal wer immer es gewesen sein mag. Aber dieses Zufallen des Vorhangs geschieht ohne Wehmut und melancholische Verbrämung. Schließlich trifft es auch den "Kaiser Overall" selbst, den kriegsdurstigen, todbringenden Herrscher, schließlich erweist sich dieser Tod als das entscheidende Zünglein an der Lebenswaage, das die Verhältnismäßigkeit menschlichen Daseins wieder herzustellen vermag. Denn zuerst hatte sich der Tod ja den Befehlen des Kaisers verweigert. Der Tod hatte nicht mehr sterben lassen. Und die Menschen fanden sich in ein Lebens-Siechtum zurückgeworfen, das an jenen Ort so fatal erinnert, dem der "Kaiser von Atlantis" sein Entstehen verdankt: dem Konzentrationslager Theresienstadt.

Die parabelhafte Entblößung damaliger Wirklichkeit konnte auch den Machthabern nicht entgehen und nach der Generalprobe wurde das Werk verboten. Vikto Ullmann wurde 1944 nach Auschwitz deportiert. Vor diesem Hintergrund scheinen weitere Worte unangemessen genauso wie das Klatschen am Schluss der etwas über eine Stunde dauernden Aufführung. Aber wer möchte sich dem "Rezeptionsstrom" schon verweigern, in dem wir Nachgeborenen zu waten verurteilt sind, um da und dort noch ein Körnchen "Authentizität" aus den schlammigen Fluten zu fischen. Es ist evident, das keine Aufführung diesem Werk gerecht wird, weil es unabhängig von seiner Entstehungssituation einfach nicht gedacht werden kann: als ein Produkt jenes "Herzeigelagers" Theresienstadt, mit dem die Nationalsozialisten der Weltöffentlichkeit ihre Fürsorge gegenüber der jüdische Mitbevölkerung darlegen wollten.

Auch diese Realisierung, eine Koproduktion von ARBOS, Gesellschaft von Musik und Theater und dem Schauspielhaus Wien, zielt auf die Verschränkung des Werkes mit dem historischen Kontext. Orchester und die Bretterbühne sind von einem Zaun umgeben; im Hintergrund eine weiße Ziegelwand mit einer Tür, in die ein kleines Fenster eingelassen ist. Die Requisiten sind vor allem aus Stoff gefertigte Torsi, zum Beispiel ausgestopfte Anzugjacken, die mit dem Fortschreiten der Handlung zu einer Leichen-Pyramide geschichtet werden, die der Kaiser schwankend besteigt. Der menschschindende Unterbau seiner Herrschaft wird später vom arbeitsverweigerndern Tod erklommen werden, um den Kaiser selbst vom Gipfel der Lebensmacht herabzuholen. Zu Beginn marschieren die Protagonisten samt Orchester herein. Haben alles in Schachteln bei sich. Stimmen die Instrumente, rüsten sich für die Vorstellung. Und nachher wird, nachdem das Publikum noch Zeit hatte zu klatschen, mit einem plötzlich über den Kopf gestülpten durchsichtigen Plastikduschhäubchen der Weg durch jene weiße Tür genommen, die auf das todbringende Duschbad einer Gaskammer verweist. Man sieht es mit Schrecken, und der Applaus wendet sich gegen seine Spender.

Dazwischen liegt eine raffiniert komprimierte musikalische Umsetzung, kammermusikalisch instrumentiert, mit Arien und Rezitativen, zitierend und ironisierend, den Zuhörern stets genügend Assoziationsmöglichkeiten bietend, so dass diese dem Verfolgen der musikalischen Linie und Struktur nie verlustigt gehen. Natürlich könnte man Vorbilder angeben, sie liegen einen auf der Zunge. Es ist ein Eklektizismus, der aus der Not entspringt, und versucht, so manches längst verbotene in komprimierter Form zu retten, es ist ein Eklektizismus, der pointiert die musikalische Tradition der Machthaber zitiert. Aber es steht auch schnell fest, dass das längst unwesentlich geworden ist. Warum noch aussprechen, was ohnehin verstanden wird, und dadurch diesem einzigartigen Versuch das Wasser abgraben, im Sinnlosen selbst noch einen Sinn zu sehen. So erscheint der "Kaiser von Atlantis" als ein Werk höchster Konzentration und Präzision, als ein Versuch mit einer letzten homöopathischen Dosis diesem Wahnsinn ein Ende zu setzen, dem Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind.

(Die Erstaufführung dieser Originalfassung erfolgte im Mai 1995 in Theresienstadt.
Rezeptionsgeschichtlich beispielgebend war eine Inszenierung von George Tabori für die Wiener Kammeroper im Jahre 1987, die versuchte die Konzentrationslager-Situation möglichst realistisch nachzuempfinden. Zitat BÜHNE 11/1987: "Tabori inszeniert nicht die Oper, sondern führt KZ-Häftlinge vor, die sie mit letzter Kraft singen. Pausenlose 80 Minuten von schier unerträglicher Intensität.")