LIMONEN AUS SIZILIEN
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Kasino am Schwarzenbergplatz Dirigent: Gerrit Prießnitz Regie:
Mascha Pörzgen Orchester der Wiener Volksoper Premiere am 12. Februar 2017 |
Der Schraubstock Giulia Fabbri - Rebecca
Nelsen Limonen aus Sizilien Micuccio Fabbri -
David Sitka Eine Freundschaft Micuccio Fabbri -
Carsten Süss |
Trojahn-Portal
Die Volksoper hat eine neue Spielstätte: Sie ist dank einer Kooperation mit dem Burgtheater in das Kasino am Schwarzenbergplatz eingezogen. Gespielt wird Manfred Trojahns „Limonen aus Sizilien“ – drei Einakter nach Texten von Luigi Pirandello und Eduardo De Filippo. Wolfgang Willaschek hat für das Libretto gesorgt. Trojahn hat sich mit seinen „Limonen aus Sizilien" an Giacomo Puccinis „Il trittico" orientiert, die drei Teile „Der Schraubstock", „Limonen aus Sizilien" und „Eine Freundschaft" aber durch Zwischenspiele verbunden und damit einen durchgehenden, etwa eine Stunde langen Opernabend geschaffen. Das gemeinsame Bindeglied der drei Teile ist die Figur des Micuccio Fabbri. Als Kind erlebt er laut Programmheft die Ehekatastrophe seiner Eltern (die Mutter erschießt sich), im zweiten Teil wird seine unglückliche Liebe zur Opernsängerin Teresina Marnis problematisiert, das dritte Stück zeigt ihn sterbenskrank bei seiner nicht undelikaten Lebensbeichte: Er ist der Vater von den Kindern seines besten Freundes. Die Uraufführung fand 2003 in Köln statt, 2005 folgte in Würzburg eine revidierte Fassung. Die Österreichische Erstaufführung ging 2015 am Salzburger Mozarteum über die Bühne. Der Komponist setzt auf ein Kammerorchester mit an die 20 Musiker, das sich ausgewogen auf Streicher, Bläser und eine Pauke bzw. Schlagwerk aufteilt. Vor allem die Bläser sorgen für klangmalerisches Kolorit, besonders in den kurzen, atmosphärisch schillernden Zwischenspielen, während Trojahn ansonsten die Sänger nicht ohne Parlandospürsinn textbezogen begleitet. In den dramatischen Momenten wird freilich zugepackt und auch die Singstimme forciert. Stilistisch wandert Trojahn quer durch das 20. Jahrhundert, von Richard Strauss bis zu Hans Werner Henze. „Der Schraubstock" bot dank einer spannenden Dreiecksbeziehung einen „Opernklassiker", der den Schraubstock noch ruhig ein paar Minuten länger hätte anziehen können, um den Selbstmord Giulia Fabbris plausibler zu gestalten. Im zweiten Teil artikulierte der Tenor mit leicht „alwahaften“ (siehe Bergs „Lulu“) Zügen zu lange seine Beziehungsprobleme. „Limonen aus Sizilien“ ist ganz auf den Auftritt der Sängerin Teresina ausgerichtet, der aber auf sich warten lässt. Das in diesem Teil angeschlagene Limonenlied, an das sich Municcio erinnert – „In dunklen Gärten reifen die Limonen" – huschte flüchtig vorüber und nährte die Sehnsucht nach dem Zauber südlicher Gärten mehr, als sie zu stillen. Das Intermezzo im Übergang zum dritten Teil schien ein wenig auf den Spuren von Giacinto Scelsi zu wandeln, mit einem Zug ins Archaische. Vielleicht handelt es sich dabei um einen ironischen Verweis, der auf den todkranken Micuccio zielt, dem sein Freund Alberto Serra einen Besuch abstattet – und der dann in die Rollen einiger „Lebensmenschen" von Minuccio zu schlüpfen hat. Aber nicht nur diese Verkleidungskomödie blieb im Vergleich weit hinter dem in der Handlung deutlich erkennbaren Vorbild von Puccinis „Gianni Schicchi" zurück. Das Kasino eignet sich für Kammeroper gut. Die Akustik ist besser als beispielsweise im Semper Depot. In den großen Saal hat man eine Zuschauertribüne hineingestellt, die über 200 Personen fassen soll (und an diesem Abend zu rund zwei Drittel gefüllt war). Vor der Tribüne wurde einfach die Fläche des Saals bespielt. Rechts vom Eingang (vom Publikum aus gesehen) war das kleine Orchester platziert. Die konventionelle, requisitenarme, aber auf schöne, gelbe Limonen nicht verzichtende Inszenierung von Mascha Pörzgen hat die Handlung den Kostümen nach in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts verortet. Die psychologisch aufmerksame Personenregie etwa für die Figur der Giulia Fabbri im erste Teil fand ich gelungen, dafür hat mich der etwas platte Humor des im Bett herumhüpfenden Schwerkranken in „Eine Freundschaft" weniger begeistert. Rebecca Nelson bot die differenzierteste Leistung des Abends, in dem sie in 20 Minuten ihre Figur der Giulia Fabbris zum Selbstmord reifen lassen musste – um kurze Zeit darauf als oberflächlicher Opernstar in betörend roter Abendrobe zu reüssieren. Carsten Süß als Ehemann und später als sterbenskranker Minuccio tauschte professionell Eifersucht mit Komödie. Morten Frank Larsen war als Liebhaber im ersten Teil seriös, wirkte im dritten Teil als zur Verkleidung gezwungener Freund nicht wirklich komödiantisch „ungezwungen“. David Sitka sang sich als opernsängerinliebender Minuccio in den „Limonen aus Sizilien" den Liebeschmerz von der Seele. Nicht nur die tragenden, auch die kleineren Partien waren trefflich und figurentypisch besetzt. Gesungen wurde insgesamt gut und einigermaßen textverständlich. Die Musiker des Volksopernorchesters unter Gerrit Prießnitz begleiteten den Abend und konnten sich vor allem in den Zwischenspielen auszeichnen. Das Publikum spendete langen Applaus – und hätte bei einem Eintrittspreis von 42 Euro bei freier Platzwahl wahrscheinlich noch gerne eine zweite Opernstunde im Kasino verbracht. Außerdem ist zu hoffen, dass in der Zukunft auch „gewagteren“ zeitgenössischen Opernprojekten an der neuen Spielstätte Raum gegeben wird. Fazit: In der Kürze liegt nicht immer die Würze. Aber so wie einem der Geschmack von Limonen auch nicht gleich beim ersten Mal zusagen muss, sind Resümees von Opern-Erstbegegnungen immer mit Vorsicht zu genießen. |