DIE FLEDERMAUS

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Theater an der Wien
4.10.2025

Dirigent: Petr Popelka

Inszenierung und Bühne: Stefan Herheim
Mitarbeit Bühne: Vanessa Pressl
Kostüm: Esther Bialas
Licht: Franz Tscheck
Choreographie: Beate Vollack

Wiener Symphoniker, Arnold Schönberg Chor

Gabriel von Eisenstein - Thomas Blondelle
Rosalinde - Hulkar Sabirova
Adele – Alina Wunderlin
Ida - Ines Hengl-Pirker
Alfred - David Fischer
Dr. Falke - Leon Košavić
Frank – Krešimir Stražanac
Prinz Orlofsky - Jana Kurucová
Dr. Blind - Alexander Kaimbacher
Frosch -
Alexander Strobele

Tänzer: Samir Bellido, Federico Berardi, Roberto Calabrese,
Blaz Cunk, Yannick Neuffer, Alberto Terribile


„Flügellahme Fledermaus“

(Dominik Troger)

Die „Fledermaus“ gerät im Theater an der Wien zum zwangsoriginellen Herumstochern in der österreichischen Zeitgeschichte. Mit der bekannten Operette von Johann Strauß hatte das Ergebnis nur mehr wenig zu tun.

Bei seiner neuen „Fledermaus“-Inszenierung im Theater an der Wien holt Intendant Stefan Herheim mit dem sprichwörtlichen „Holzhammer“ aus: Dr. Falke als resche Hitlerkarikatur und ein zum Gefängniswärter Frosch degradierter Kaiser Franz Josef sollen dem Publikum den „Untergang des Abendlandes“ vermitteln. Denn für alle, die es noch nicht gewusst haben: Lacht dem Publikum nicht aus jedem Notenkopf der „Fledermaus“-Musik die Apokalypse entgegen?

Geht es nach Stefan Herheim, dann erweist sich das Amüsement als Trugbild, ist es unterminiert von historisch belasteten – und doch nach wie vor aktuellen gesellschaftlichen Strömungen. Aber Herheims Problem ist: Er kommt dem Amüsement nicht aus. Die Operette „Die Fledermaus“ dient nun mal primär der Unterhaltung – und ihre Unterhaltungsfunktion ist so überbordend, dass sie die Ernsthaftigkeit einer „aufdeckerischen“, historisch-determinierten Lesart trotz vieler Eingriffe in die Handlung unabdingbar ins Lächerliche zieht. In gewisser Weise hat sich Herheim dabei sogar zum Komplizen dieser Unterhaltungsfunktion machen müssen, um zwischen der dem Werk intendierten Publikumserwartung und dem persönlichen ideologischen Anspruch nicht vollends aufgerieben zu werden.

Das Resultat ist dann auch sehr „anweifelbar“, überzeichnet den Humor mit quälender Übertreibung, pfropft ihn dort gekünstelt auf, wo er sich gleichsam von „selbst“ einstellen sollte. So kündet denn diese Produktion vor allem von der selbstgefälligen Bemühtheit einer Inszenierung, die in der „Fledermaus“ die politische und moralische Doppelbödigkeit österreichischer Existenz entlarven möchte.

Aber war man als Besucher der Premiere überhaupt gewillt, solchen Gedankengängen zu folgen, wenn einem am Beginn statt der „Fledermaus“ der „Fidelio“ vorgesetzt wurde? Alfred als Florestan klagte über das Dunkel im Gefängnis. Die in Unterwäsche drapierten Sängerinnen und Sänger des Arnold Schönberg Chors leisteten Alfred als Zellengenossen Beistand – und erst zur nachgereichten Ouvertüre schlüpfte der Chor in das Kostüm. Dann drehten sich auch die Gefängniszellen des Bühnenbildes zu einer Vorderseite von Theaterlogen, spiegelten gleichsam das Auditorium des Theaters an der Wien auf der Bühne wider, mit Logen durch die die Gitterstäbe der Zellen blitzten. In der Tat ein sehr seltsamer Beginn der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß.

So taumelte diese Produktion zwischen dem „Sein“ der Partitur und dem „Schein“ eines Regiekonzeptes dahin, das durch die Musik von Johann Strauss gleichsam selbst als untauglich entlarvt wurde. Vielleicht hat das Herheim geahnt, vielleicht hat er deshalb versucht, im ersten Akt dieser Operettenmusik mit einem „Opernkonzert“ Kontra zu geben – Alfred und Rosalinde als überdrehtes Sängerpärchen auf einander loslassend, ausgehend von Wagners „Tristan“ als ultimativem gesanglichem „Liebesakt“, gewürzt mit  weiteren Opern-„Highlights“.

So taumelte Kaiser Franz Josef zum Frosch degradiert durch diese Produktion, schon am Beginn auf der Bühne, ein Conférencier, der in jovialer Besoffenheit und mit ironischen Anmerkungen angereichert, dann und wann sogar den Regisseur und Intendanten selbst aufs Korn nehmen durfte. Das sicherte ihm ein paar verständnisvolle Lacher, rettete das Publikum aber nicht vor der Seichtheit, der ihm in den Mund gelegten Texte. Und war es nicht peinlich anzusehen, wie er auf Orlofskys Ball einer auf Kaiser Franz Josefs Gattin getrimmten Rosalinde-Elisabeth unter den Rock kriechen musste?

Apropos Ball: Die Pause wurde dramaturgisch ungünstig mitten in den zweiten Akt gelegt. Wahrscheinlich um danach den Csárdas (seiner eigentlichen Funktion beraubt), als Beziehungskrise zwischen dem Kaiserpaar zweckzuentfremden. Immerhin wurde der Ball mit ein paar flotten Tänzen garniert, sechs Herren als Johann Sträuße tanzten nicht nur „piccicato“, sondern durften sich auch zu strapsigen „Nazis“ entblößen. Aber das Publikum ließ sich nicht provozieren, und der größere Teil desselben stöhnte wahrscheinlich leise unter der „Abgedroschenheit“ solcher „Gags“.

So taumelte auch Dr. Falke als resch geführtes Hitlerzerrbild durch die Szenen, etwa als er im ersten Akt Eisenstein mit Waffengewalt zur Teilnahme am Ball des Prinzen Orlofsky nötigte. Am Ende des dritten Aktes versuchte Herheim diesen Hitler-Falke und ein paar das Bühnengefängnis stürmende SA-Kumpanen zu desavouieren – was aber keinen zwingenden Eindruck hinterließ. Der Arnold Schönberg Chor saß dabei wieder in Unterwäsche in den Zellen ein. Herheim hat dem dritten Akt auch ein paar von Otto-Schenk geliehene Gags spendiert, die darstellerisch aber viel zu lahm umgesetzt wurden.

Was bleibt also von dieser Neuproduktion in positiver Erinnerung? Hätte man die Wiener Symphoniker unter Petr Popelka wirklich Operette spielen lassen, wäre vielleicht etwas daraus geworden. So manche Polka, die beim Ball des Prinzen aufgespielt wurde, machte Lust auf mehr, aber das wars dann schon. Die Besetzung war für hiesige Ohren teils zu „deutsch“ artikulierend, gesanglich solide, aber weitgehend ohne jenen „Schmäh“, den man in einer „Fledermaus“ so lustvoll ausspielen könnte. Außerdem war die outrierende „Musicalbeschallung“ des Auditoriums – die Protagonisten mit Mikroports versehen – dem musikalischen Genuss ziemlich abträglich.

Den meisten Szenenapplaus gab es seitens des Publikums für die Adele der Alina Wunderlin (Adele wird von Herheim übrigens als Antisemitin entlarvt). Alexander Strobele lieferte als Frosch einen Wienerischen Beitrag und musste auch nicht lange um die Gunst des Publikums buhlen. Die restliche Besetzung entwickelte wenig Charisma, aber ausreichende, dem Regiekonzept angediente Konsequenz wie Leon Košavić  als Dr. Hitler-Falke oder Thomas Blondelle als zu eindimensionaler Eisenstein oder Jana Kurucová als Prinz Orlofksy. Konsequent Hulkar Sabirova als Rosalinde und ihr Gesangspartner Alfred (David Fischer) in der verordneten gesanglichen Übertreibung. Krešimir Stražanac war ein eher pointenschwacher Gefängnisdirektor. Am Schluss gab es starken Applaus und ein paar Buhrufe, die das Regieteam aufs Korn nahmen. Der Gesamteindruck: eine entbehrliche Sache.

PS: An der Volksoper hat man sich vor zwei Jahren eines ähnlichen Themas in einer immer noch gespielten, sehr erfolgreichen Produktion angenommen: In „Lass uns die Welt vergessen – Volksoper 1938“ wurde mit einer neu verfassten Rahmenhandlung anhand der Proben zu der zeitgenössischen Operette „Gruß und Kuß aus der Wachau“ von den Tagen des Anschlusses erzählt. Seine fatalen Auswirkungen nicht nur auf das damalige Volksopernensemble wurden szenisch auf seriöse und beklemmende Weise nachvollzogen. Auch Stefan Herheim bringt in seiner „Fledermaus“ diese Märztage ins Spiel: Auf dem Wandkalender im Bühnengefängnis prangte das Datum des 11. März 1938. Aber welcher Unterschied in der szenischen Herangehensweise: Herheim hat in seiner neuen „Fledermaus“ Operette und Zeitkritik zu einem albernen „Potpourri“ verrührt.